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Ulm: Immer wieder das Messer: So sieht die Staatsanwaltschaft die Sicherheitslage

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Immer wieder das Messer: So sieht die Staatsanwaltschaft die Sicherheitslage

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    In der Ulmer Weststadt soll eine 41-Jährige auf einen 49-Jährigen  eingestochen haben. Delikte mit Messern kommen laut Staatsanwaltschaft immer häufiger vor.
    In der Ulmer Weststadt soll eine 41-Jährige auf einen 49-Jährigen eingestochen haben. Delikte mit Messern kommen laut Staatsanwaltschaft immer häufiger vor. Foto: Thomas Heckmann

    Erst am Mittwoch kam es wieder zu einer Messerattacke in Ulm: Eine 41-Jährige soll in der Weststadt auf einen 49-Jährigen eingestochen haben. Der Mann wurde schwer verletzt, sein Zustand sei aber inzwischen stabil. Die Frau sitzt nun in Untersuchungshaft. Beide sollen sich seit Jahren kennen.

    Auch könnten Alkohol und Drogen im Spiel gewesen sein. Doch wieder war ein Messer das Tatwerkzeug. Derartige Delikte, sagt Christof Lehr, der Behördenleiter der Staatsanwaltschaft Ulm, würden sich in jüngster Vergangenheit häufen. Der Leitende Oberstaatsanwalt aber warnt davor, aus jener Entwicklung Rückschlüsse auf die tatsächliche Sicherheitslage in der Region zu schließen.

    Die für Ulm, den Alb-Donau-Kreis und den Kreis Göppingen zuständige Ermittlungsbehörde präsentierte bei einer Jahrespressekonferenz am Donnerstag zahlreiche Zahlen und informierte über den aktuellen Stand größerer Fälle. Eine der Hauptbotschaften: Die Häufigkeit von Straftaten im Raum Ulm nehme deutlich ab. Lag die sogenannte Kriminalitätsbelastung für 2015 in ganz Baden-Württemberg je 100.000 Einwohner bei 5761 Vergehen, waren es begünstigt durch die Corona-Pandemie 2021 nur noch 4380. Für 2022 führt das Innenministerium zwar wieder etwas mehr, 4944 Delikten auf. Doch auch das, so heißt es, "ist so niedrig wie seit fast 40 Jahren nicht mehr". 

    Alb-Donau-Kreis gilt als "einer der sichersten Landkreise" im Land

    Im Raum Ulm sei die Entwicklung ähnlich, wenngleich nicht in allen Gebieten gleich. So sind die Zahlen in der Stadt höher als auf dem Land. Ulm sei mit 7569 deshalb aber "kein Ausreißer", sondern liege bei Städten dieser Größe im Schnitt. Der Alb-Donau-Kreis mit 2586 hingegen gehöre laut Lehr seit Jahren "zu einem der sichersten Landkreise" im Land. Das wurde zwar auch schon beim Bürgerdialog in Illerkirchberg gesagt, als es um die Aufarbeitung der tödlichen Messerattacke auf die beiden Schülerinnen ging. Doch vor allem dieser Fall sorgte jüngst dafür, dass in der Bevölkerung das subjektive Unsicherheitsgefühl oftmals größer ist als es die Kriminalitätsstatistik hergibt. 

    Dessen sind sich auch die Ermittler bewusst und können mit Blick auf andere schwere Verbrechen in der jüngsten Vergangenheit auch eine mögliche Erklärung dafür liefern. In der Regel würden derartige Delikte meist im sozialen Umfeld stattfinden: unter Arbeitskollegen, Freunden, in der Familie oder in Unterkünften. Im Fall von Illerkirchberg aber kannten sich die Opfer und der mutmaßliche Täter nicht. Oberstaatsanwalt Lehr: "Es ist Wahnsinn, was der vor hatte." 

    Anteil Menschen mit ausländischen Wurzeln bei Messer-Delikte auffallend höher

    Doch wie hier, am Mittwoch in der Weststadt und in insgesamt zwölf von 31 Fällen seit Beginn der Corona-Pandamie, die die Staatsanwaltschaft Ulm bei ihrer Präsentation unter dem Stichwort "besondere Verfahren" aufführt, war ein Messer das Tatwerkzeug. Die Ermittler nehmen hier einen deutlichen Anstieg wahr. Zurückzuführen sei der wohl auch auf Menschen mit ausländischen Wurzeln, deren Anteil daran hoch sein soll. "Da sitzt das Messer lockerer als in der restlichen Bevölkerung", sagt Lehr.

    Die Aufklärungsquote der Staatsanwaltschaft Ulm liegt nach eigenen Angaben bei 59 Prozent. Die Verfahren seien in 93 Prozent der Fälle binnen sechs Monate abgeschlossen. Nur in zwei Prozent dauere es länger als ein Jahr. Mit gut einem Drittel machen das Gros der Verfahren Verkehrsvergehen aus. Darunter zählen Trunkenheit im Verkehr oder fahrlässige Körperverletzung. Während Diebstahl (10 Prozent) abnehme, nehme die Form des Betrugs immer mehr zu. "Das Internet hat deutliche Vorteile für die Betrüger", so Lehr. "Heftig steigend" sei auch die Zahl von Verfahren der Geldwäsche. Waren es 2020 noch 288 und in 2021 schon 546, sind es in 2022 bereits mehr als 1000. "Das geht durch die Decke." Als Gründe dafür wird eine bessere Zusammenarbeit mit Banken genannt. Ermittlungserfolge gebe es hier zwar auch. Gefasst werde laut Lehr aber oftmals nur "die untere Ebene der Fresskette". 

    Staatsanwaltschaft Ulm: Verfahren wegen Kinderpornografie nehmen deutlich zu

    Deutlich ansteigen würden auch die Verfahren im Zusammenhang mit Kinderpornografie. Waren es vor 2018 noch weniger als 100, waren es 2021 mehr als 440 und 2022 auch noch 370 Verfahren. Hier käme die Arbeit von NCMEC (National Center for Missing & Exploited Children) zum Tragen. Jene Organisation meldet Inhalte auf Facebook, Twitter oder Google mit möglicherweise kriminellen Inhalten an die Behörden, über die sich auch mögliche Urheber ausfindig machen lassen. Weil entsprechende Bildchen oftmals aber auch in WhatsApp-Gruppen mit zum Teil Hunderten Teilnehmern verschickt werden, ergeben sich daraus eine Vielzahl an Folgeverfahren. 

    Nicht zufrieden äußern sich die Ermittler in diesem Zusammen über die Gesetzesänderung vom Juli 2021. So erzählt Staatsanwältin Nadine Schmelzer von einem Fall, der sich zwar nicht im Raum Ulm zugetragen hat, aber verdeutlicht, welche fatale Auswirkungen das neue Gesetz haben kann: Eine Mutter entdeckte auf dem Handy ihres Sohnes ein Foto mit kinderpornografischem Inhalt. Er soll das über eine Schul-WhatsApp-Gruppe geschickt bekommen haben. Um die Lehrerein darauf aufmerksam zu machen, weiterleitet sie das Bild an sie weiter. Doch schon das läuft unter dem Straftatbestand des Verbreitens von kinderpornografischen Inhalten. Die Mutter muss dafür mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe belangt werden. Eine geringere Sanktion sieht das neue Gesetz nicht vor. Für Menschen im Beamtenstatus könne das zur Folge haben, dass sie ohne Pensionsansprüche ihren Dienst quittieren müssen. – "Dabei wollte sie alles richtig machen", so Schmelzer. Das Gesetz soll nun wieder geändert werden. 

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