Am Ende große Begeisterung für ein Konzert, das nachhallt. Der Anlass: Der 100. Todestag des französischen Komponisten Gabriel Urbain Fauré, für den sogar eigens Glocken des Gedenkens geläutet wurden. Sein Requiem, das eine so ganz andere, optimistische und friedvolle, Sicht auf den Tod offeriert, stand im Mittelpunkt einer Hommage der Ulmer Kantorei für den großen Tonschöpfer. Mit dabei in der Pauluskirche unter der Gesamtleitung von Professor Timo Handschuh: das Orchester Musica Viva sowie die Solisten Katarzyna Jagiello (Sopran) und Thomas Nießer (Bariton). Virtuos, mitreißend und beeindruckend dazu das Orgelspiel der Kirchenmusikerin Marion Kaßberger.
Chordirektorin Ulrike Blessing jedenfalls dürfte ein Stein vom Herzen gefallen sein. Ein Unfall eine Woche vor der Aufführung machte es ihr unmöglich, das von ihr einstudierte Konzert zu leiten. Dass Timo Handschuh, früherer Generalmusikdirektor bei den Ulmer Philharmonikern, kurzfristig ihre Vertretung übernommen hat, verdient der dankbaren Erwähnung.
Die Umbrüche der Jahrhundertwende sind auch in der Musik hörbar
Obgleich Fauré (1845-1924) im Vordergrund stand – neben seinem Requiem auch mit seinem anrührenden „Cantique de Jean Racine“ – waren es noch zwei weitere bekannte Namen, die beim Konzert eine Rolle spielten: Camille Saint-Saëns (1835-1921) und César Franck (1822-1890). Alle drei Franzosen tragen an der Schwelle der Spätromantik dem neuen Zeitgeist des anbrechenden Industriezeitalters in ihrer Tonsprache Rechnung. Es ist die Zeit der Umbrüche – hörbar auch in der Musik.
„Es war eine Periode großer Umwälzungen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts“, erläuterte denn auch Dr. Walter Stammler in seiner Einführung in der nicht ganz vollbesetzten, für ihre Akustik bekannten Pauluskirche. „Krassere Umbrüche und krassere Konflikte als wir sie im Moment erleben“, hätten den Fin de Siècle geprägt. Aus dieser Mischung zwischen Aufbruchstimmung, aber auch Weltschmerz und Lebensüberdruss, aus Fortschrittsverheißung und Untergangsphantasien, seien einzigartige Kompositionen entstanden, so Stammler.
Poetisch und bewegend
Konzentriert hatten sich die Veranstalter – das liegt in der Natur der Sache – auf geistliche Werke. Dazwischen las Maria Braun im französischen Original und in seinem deutschen Äquivalent den Text des „Cantique de Jean Racine“. Es sind Worte des Lobpreises, der Hoffnung auf Gnade und Erlösung: „Christus, sei diesem gläubigen Volk gewogen, das jetzt versammelt ist, um dich zu preisen.“ Poetisch und bewegend, das muss in diesem Zusammenhang ebenfalls angemerkt werden, ist etwa auch der Text des „Panis Angelicus“ von César Franck, der von Sopranistin Katarzyna Jagiello feinfühlig vorgetragen wurde.
„Cantique de Jean Racine“ und „Requiem“ werden oft gemeinsam aufgeführt. So auch bei diesem Konzert. Es sind Kompositionen, die, mit einem Hauch von Melancholie, etwas Tröstliches, Umhüllendes haben. Es bedarf großen Könnens, um im „Requiem“ die feinen, lyrischen Passagen bis hin zu bewegenden, ja dramatischen Gefühlen herauszuarbeiten. Nur dann kann sich das Publikum auch ganz auf die Musik einlassen. Es ist ein dichtes homogenes Ganzes, in dem die beiden Solisten Katarzyna Jagiello und Thomas Nießer, aber auch die Organistin Marion Kaßberger ihre eigenen schönen Akzente setzen, und sich dennoch einfügen.
Seien es kontemplative Gefühle, sei es die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergänglichkeit – so etwas auszulösen, das ist große Kunst. Und genau das gelang dieser Aufführung. Ein Geschenk.
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