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Prozess: Adoptivkinder klagen gegen Erwin Müller: So lief der erste Verhandlungstag

Prozess

Adoptivkinder klagen gegen Erwin Müller: So lief der erste Verhandlungstag

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    Die Adoptivmutter Anita Müller traf mit den Rechtsanwälten Anton Steiner (links) und Matthias Rösler vor Gericht in Ulm auf die klagenden Adoptivkinder. Erwin Müller selbst war nicht da.
    Die Adoptivmutter Anita Müller traf mit den Rechtsanwälten Anton Steiner (links) und Matthias Rösler vor Gericht in Ulm auf die klagenden Adoptivkinder. Erwin Müller selbst war nicht da. Foto: Thomas Heckmann/Alexander Kaya (Archivbild)

    Erwin Müller kann man eines nicht absprechen: Fleiß und Zielstrebigkeit. Der gelernte Friseur begann seine Geschäftstätigkeit schon 1953, als er nach Firmenangaben in der elterlichen Wohnung im bayerischen Unterfahlheim seinen ersten Salon einrichtet. Später stieg er in das Geschäft mit Drogerieartikeln ein. Heute führt er eine Drogeriekette mit rund 35.000 Mitarbeitern und mehr als 900 Filialen in Europa. Der 91-Jährige ist bis heute Geschäftsführer. Doch trotz des Erfolgs läuft nicht immer alles nach Plan: Drei erwachsene Adoptivkinder haben gegen den Unternehmer geklagt. Sie fordern ihren Pflichtteil des Erbes, auf den sie zuvor verzichtet hatten

    Erwin Müller hat eine Passion für die Jagd. Bei den drei Adoptivkindern von Erwin Müller und seiner Frau Anita soll es sich um Jagdfreunde des Ehepaares handeln. Die Adoption von Andreas, Stefanie und Albin J. liegt über zehn Jahre zurück, dem Spiegel zufolge soll es sich dabei um zwei Brüder und die Ehefrau eines der beiden Männer handeln. Unter Vermögenden sei es verbreitet, durch Adoption Geld zu sparen oder den Pflichtteil zu reduzieren. Dass den Adoptivkindern eines Tages aber große Summen zufallen, dagegen hatte Müller Vorsorge getroffen: Bereits im August 2015 sei ein Vertrag geschlossen worden, wonach die Adoptivkinder auf ihren Pflichtanteil am künftigen Erbe verzichten. Es soll sich dabei um einen dreistelligen Millionenbetrag handeln. 

    Adoptivkinder klagen gegen den Pflichtteil-Verzichtsvertrag

    Doch inzwischen sind die Adoptivkinder mit dieser Regelung nicht mehr einverstanden und klagten gegen Müller und seine Ehefrau. "Wir greifen den Pflichtteilverzichtsvertrag an, weil wir ihn für sittenwidrig und formnichtig halten", erklärte Maximilian Ott, Anwalt der Adoptierten. Die drei Erwachsenen wollten sich nicht zu dem Fall äußern. Der erste Verhandlungstag war am Montag um 14 Uhr am Landgericht Ulm angesetzt. Der 91-jährige Müller selbst erschien nicht zur Verhandlung, seine Frau dagegen schon. Die drei Adoptierten waren ebenfalls anwesend.

    Die Adoptivmutter Anita Müller mit den Rechtsanwälten Anton Steiner (links) und Matthias Rösler.
    Die Adoptivmutter Anita Müller mit den Rechtsanwälten Anton Steiner (links) und Matthias Rösler. Foto: Thomas Heckmann, dpa

    Im Jahr 2022 soll es den Berichten zufolge zum Zerwürfnis gekommen sein. Die Adoptivkinder sollen enttäuscht sein, dass sie bei der Feier zum 90. Geburtstag von Müller im September 2022 nicht an der Ehrentafel des Milliardärs Platz nehmen durften. Welches Motiv tatsächlich zu ihrem Sinneswandel geführt hat, sei unklar. Hinter verschlossenen Türen sei monatelang verhandelt worden. Eine Lösung gab es nicht. 

    Sohn Reinhard und die Enkelin sollen ausbezahlt worden sein

    Jetzt scheint der Streit vor Gericht geklärt werden zu müssen. Das Ehepaar Müller vertritt Rechtsanwalt Anton Steiner. Er erklärte auf Anfrage, dass laufende Verfahren nicht kommentiert würden. Allerdings gab das Landgericht Ulm am Montag nun eine erste Einschätzung zu dem Fall ab. Die Klage hat demnach wenig Aussicht auf Erfolg. Die Kammer ging in ihrer vorläufigen Rechtsauffassung am Abend nicht davon aus, dass der Vertrag formnichtig oder sittenwidrig ist. Auch einen genauen Streitwert legte die Kammer am Montag nicht fest, da dieser auf jeden Fall den Höchstwert laut Gerichtskostengesetz von 30 Millionen Euro übersteigen würde.

    Das Verhältnis von Erwin Müller ist auch zum eigenen Sohn Reinhard schwierig, der 1959 geboren worden und sein Kind aus der ersten Ehe ist. Der Sohn hat zeitweise im Drogerie-Imperium in der Geschäftsführung mitgearbeitet. Doch die Zusammenarbeit harmonierte nicht. Sohn Reinhard und Enkelin Amelie wurden ausbezahlt, der Kontakt zum 91-Jährigen sei "gleich null", hieß es. 

    Erwin Müller blieb als junger Erwachsener nicht lange Friseur. Bereits 1966 kam er auf die Idee, im Salon auch Kosmetik und Drogerieartikel anzubieten. Die Dinge anders machen als die Konkurrenz, ist wohl eines seiner Erfolgsgeheimnisse. Egal, ob es um Verkäufe in der Corona-Pandemie oder um Öffnungszeiten geht: Müller machte bereits 1967 als „Rebell von Ulm“ im „Figaro-Streit“ überregional Schlagzeilen, weil er seine Filialen – entgegen den Anweisungen der Friseur-Innung – auch montags öffnete. 1969 brachte Müller dann von einer Rundreise durch Kanada und die USA die Idee von Drugstores mit Waren des täglichen Bedarfs und von großen SB-Warenhäusern mit. 1973 eröffnete er in Ulm schließlich seinen ersten reinen Drogeriemarkt – der Beginn einer Erfolgsgeschichte. 

    Die Kläger Albin, Stefanie und Andreas J. mit ihrem Rechtsanwalt Maximilian Ott zu Beginn der Verhandlung gegen ihre Adoptiveltern Anita und Erwin Müller.
    Die Kläger Albin, Stefanie und Andreas J. mit ihrem Rechtsanwalt Maximilian Ott zu Beginn der Verhandlung gegen ihre Adoptiveltern Anita und Erwin Müller. Foto: Thomas Heckmann, dpa

    Erwin Müller: "Ich habe jeden Tag das gemacht, was sein musste"

    Nach außen macht Müller allerdings nicht viel Aufhebens um seine Leistung, zuletzt zum Beispiel, als er in Düsseldorf den Persönlichkeitspreis bei den "Duftstars 2023" entgegennahm, der jährlichen Auszeichnungen der Parfumbranche. "Ich bin überrascht und überwältigt", sagte Müller dort im schwarzen Smoking und spielte seine Lebensleistung herunter: "Ich habe jeden Tag das gemacht, was einfach sein musste und was auf mich zukam und was ich heute noch tue. Ich werde es hoffentlich auch die nächsten Jahre noch tun können." Eine Umfrage des Stern listete den Drogeriemarkt Müller mit Sitz in Ulm 2023 als einen der beliebtesten Arbeitgeber in Deutschland auf. 

    Ein Urteil in dem Fall könnte am 29. Juli verkündet werden. (mit dpa) 

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