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Ulm: Ein Pianist, der den Menschen die Klassik wieder nahebringt

Ulm

Ein Pianist, der den Menschen die Klassik wieder nahebringt

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    Pianist Alexander Krichel hat im Stadthaus gespielt – und mit seinem Können die zahlreichen Zuhörer verzückt.
    Pianist Alexander Krichel hat im Stadthaus gespielt – und mit seinem Können die zahlreichen Zuhörer verzückt. Foto: Dagmar Hub

    Mut, der belohnt wird, und der dazu noch Gutes tut: Während vielerorts zu Konzerten klassischer Musik immer weniger Publikum kommt, gründet sich auf Initiative der Ulmer Lions-Clubs und des Weltklassepianisten Alexander Krichel in Ulm eine neue Konzertreihe. „

    Er spielt bereits in den renommiertesten Konzertsälen dieser Welt. Nach dem zweieinhalbstündigen Konzert, an dessen Ende das Publikum im praktisch ausverkauften Stadthaus dem Pianisten geschlossen stehend huldigte, stand bereits der Termin für das dritte Konzert des Weltklassepianisten in Ulm fest. Krichel verzichtet für die Reihe auf einen Teil seines Honorars und unterstützt damit den Bau eines geplanten Besinnungsgartens am Ulmer Hospiz. Zudem kamen vier Klavierschüler der Musikschulen in Ulm und Neu-Ulm am Wochenende in den Genuss eines Meisterkurses mit dem Pianisten.

    Alexander Krichel hat in seinem noch jungen Leben schon viele gehen lassen müssen, denen er nahe war. Das ist der Grund, warum der hochsensible Musiker Hospize unterstützt – in seiner Heimatstadt Hamburg und in Ulm.

    Konzert in Ulm mit emotionalen Werken

    Für sein diesjähriges Ulmer Konzert hatte Krichel Werke voll tief greifender menschlicher Emotionen auf sein Programm gesetzt – Kompositionen, in denen Abschied und Wiedersehen, Verlockungen und tödliche Gefahren zu Klang werden. Ludwig van Beethoven stand Erzherzog Rudolf von Österreich nahe. Die Flucht des Freundes und Förderers vor den napoleonischen Truppen im Mai 1809 traf Beethoven ins Herz, er fasste diese Gefühle in eine Sonate, die heute „Les Adieux“ genannt wird – und die Gefühle des „Lebewohl“, der Leere des Vermissens – und das glückliche Wiedersehen im Januar 1810 ließ Alexander Krichel mit seinen langen, schmalen Händen am Flügel erlebbar werden.

    Ähnlich Beethovens „Sturm“-Sonate: Hier krachen Urgewalten aufeinander. Ob die Sonate wirklich Shakespeares Drama in Klang interpretiert, oder ob Beethoven radikal zu sich selbst fand, als er sein Gehör zu verlieren begann, ist unklar. Überliefert ist jedoch, dass er einen begriffsstutzigen Schüler, der Schwierigkeiten mit der Interpretation des Werkes hatte, anfuhr, er solle Shakespeares „Sturm“ lesen, dann werde er schon verstehen.

    Noch extremer, gleichsam infernalisch geht es zu bei Franz Liszts „Après und lecture de Dante“, die effektvoll einen unausweichlichen Ritt zur Hölle beschreibt. Unglaublich subtil interpretiert Krichel, selbstbewusst, klar und doch voller Seele.

    Höhepunkt des Konzerts kommt im Finale

    Den absoluten Höhepunkt des Abends aber bewahrt er sich fürs Finale auf: Maurice Ravels „Gaspard de la nuit“ bezieht sich auf drei Schauergeschichten Aloysius Bertrands und gilt sowohl technisch als auch von der philosophischen Interpretation her als das schwierigste Solo-Klavierstück, das je komponiert wurde. Mit singendem Klang, durchscheinend und verführerisch lässt Krichel die Wassernixe Undine Männer ins Unheil locken, während Regentropfen an das Fenster des Dichters schlagen; Krichel lässt in „Le Gibet“ („Der Galgen“) minutenlang einen Galgen im Wind knarren und knarzen, an dem ein Hingerichteter hängt – und ganz am Ende wächst in „Scarbo“ ein Klabauter im Traum eines Menschen zu riesenhafter, zimmerfüllender Größe. Dieser Schlusssatz ist derart virtuos, dass die Hände des Pianisten zu fliegen scheinen, dass er immer wieder die langen Finger kurz zur Faust ballt und der Zuschauer auf die Stabilität des Klavierhockers hofft.

    Nach den stehenden Ovationen des Publikums schenkt Alexander Krichel den Zuhörern zarte Klänge, um wieder in die Realität zurückzukehren: „Silberne Wolken jagen den Mond“ brachte der in London lebende Pianist einmal von einer China-Tournee mit. Und weil Krichels Verbindung zum Ulmer Publikum eine stabile zu werden beginnt, erhält er am Ende einen nummerierten Ulmer HfG-Hocker.

    Das dritte Konzert der Reihe „Alexander Krichel in Ulm“ wird am 26. Februar 2021 stattfinden. Auch dessen Erlös soll die Entstehung eines Besinnungsgartens im Garten des Ulmer Hospizes fördern.

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