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Ulm: Diskussion in Ulm: Wird im Stau ein Nachdenken über den Klimawandel angestoßen?

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Diskussion in Ulm: Wird im Stau ein Nachdenken über den Klimawandel angestoßen?

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    Mitglieder der Letzten Generation bei der Sitzblockade in der Neuen Mitte im Februar 2023.
    Mitglieder der Letzten Generation bei der Sitzblockade in der Neuen Mitte im Februar 2023. Foto: Alexander Kaya (Archivbild)

    Tatsächlich war in diesem Gebäude in der Ulmer Altstadt früher eine Schmiede eingerichtet, die Esse gibt es noch. Jetzt ist hier in der Rabengasse die Medienschmiede untergebracht, ein Anlaufpunkt für gesellschaftliche Aktivitäten, betrieben von Wolfgang Moll. Er bezeichnet sich als "Medienkünstler". An diesem Abend aber tritt er als Moderator auf, der selber gerne mitdiskutiert. Wer hier auf dem Podium sitzt, muss Geduld mitbringen.

    Um die Zukunft des zivilen Ungehorsams geht es in dem Podiumsgespräch. Platz genommen haben mit Christine Mayer und Christian Zach zwei Vertreter des aktivistischen Klimabündnisses Letzte Generation, dessen Aktionen – Festkleben auf Straßen, Beschmieren von Symbolen des Luxus und von Gemälden – zuletzt harsche öffentliche Kritik und juristische Ermittlungen nach sich gezogen haben.

    Podiumsdiskussion über "Klimakleber" in Ulm

    Moll stellte sie in seiner langen Einführung in die Traditionslinie eines Mahatma Gandhi, der einst mit friedlichen Formen zivilen Widerstands die damalige englische Besatzungsmacht in Indien herausgefordert hatte. Mayer hingegen beruft sich eher auf die Suffragetten, die vor 120 Jahren für Frauenrechte gekämpft hatten "und die auch nicht sehr beliebt waren am Anfang". Letztlich ist sie überzeugt, mit den Aktionen zu "gesellschaftlichen Veränderungen" beitragen zu können – ihre Antwort auf die Frage Molls, ob "solche Methoden zum Erfolg" führten.

    "Die Frage ist ein Schmarren", räumt sie Samy Wiltschek kurzerhand ab. Die Letzte Generation sei nicht mehr, aber auch nicht weniger als ein Teil einer viel größeren Bewegung, die für mehr Klimaschutz kämpft, so meinungsstarke Buchhändler. Nur, dass sie derzeit besonders intensiv "mit Dreck beworfen" werde mit dem zynischen Kalkül, "dass schon was hängen bleiben werde". Wer rege sich schon auf "über die 100.000 Staus aus anderen Gründen", fügt er hinzu.

    Schreckt der Protest der Letzten Generation ab oder bewegt er etwas

    Im Plenum verfing die Frage schließlich doch. Diverse Beiträge zeigten denselben Zwiespalt, wie er gerade die links-liberalen Milieus durchzieht. Von "würde die Bürger eher abschrecken" bis hin zu "so kommt man in die Medien" und "ist ja nur ein Beitrag von vielen, ist aber geil", lauteten die geäußerten Einschätzungen. Podiumsteilnehmer Jean-Pierre Barraud, Pfarrer an der Neu-Ulmer Petruskirche, insistierte auf die Notwendigkeit, "immer die Frage im Auge zu behalten, "wie kriegt man eine Kritik in die Gesellschaft rein?". Bezog er zu den Aktionsformen der Letzten Generation letztlich keine Stellung, tat es sein Sitznachbar Eckehart Kleine ("bin als Bürger hier") umso deutlicher: "Diese Radikalität steht in Korrespondenz zur narkotisierten, phlegmatischen Gesellschaft." Mit seiner Einschätzung, den in den Staus stehenden Autofahrern würde durch die Blockaden "ihre Schuld bewusst gemacht", trat er einen längeren Disput los, der auf philosophisches Terrain führte. "Schuld", entgegnete eine anwesende Psychologin, sei ein negatives Gefühl. "Warum soll ich mich schuldig fühlen, wenn ich im Stau stehe?", fragte ein anderer Gast.

    Kleine verteidigte seine, wie er sie selbst bezeichnete, "moralisierende Sichtweise" und brachte ein Beispiel: "Verzichte ich auf das Flugzeug, dann befreit mich das." Man dürfe das nur nicht "säuerlich rüberbringen", reagierte er auf einen Einwand aus dem Plenum ("Ihr seid zu sehr im Negativen") auf die Letzte Generation.

    Weitere Gespräche in der Medienschmiede in Ulm sind geplant

    Also doch eher andere Aktionsformen, insinuierte Moll. Sie denke laufend über andere Wege nach, "doch ein besserer ist mir noch nicht eingefallen", meine dazu die Klimaaktivistin Mayer. Die Frage sei doch, ob andere Aktionen mehr brächten, stellte Pfarrer Barraud als Frage in den Raum. Vereinigen sie so viel Sympathie hinter sich, um eine "kritische Masse" zu erreichen? Oder gelingt genau das auf diese Weise nicht? Moll versprach eine Fortsetzung dieses Abends, den er eingangs auf eine bündige Formel gebracht hatte: "Ziviler Widerstand ist bürgerlicher Widerstand und eine Form politischer Teilhabe." 

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