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Ulm/Dietenheim: Ein Wolf im Illertal? Unterschiedliche Labor-Ergebnisse werfen Fragen auf

Ulm/Dietenheim

Ein Wolf im Illertal? Unterschiedliche Labor-Ergebnisse werfen Fragen auf

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    Treibt ein Wolf in der Gegend um Dietenheim sein Unwesen und reißt Tiere?
    Treibt ein Wolf in der Gegend um Dietenheim sein Unwesen und reißt Tiere? Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa (Symboldbild)

    Wolf oder nicht Wolf? Diese Frage hat Dietenheim in den vergangenen Wochen beschäftigt und zumindest offiziell wurde sie bereits beantwortet. Laut dem Landratsamt Alb-Donau-Kreis war es ein Hund, der im November auf einem umzäunten Gelände des Bio-Geflügelhofs von Friedhelm Unterweger einen Hirsch gerissen hat. Der 35-Jährige zweifelt jedoch an dieser Einschätzung und hat privat ein Hamburger Institut für Rechtsmedizin mit einem zweiten Gutachten beauftragt, das zu dem Ergebnis kommt, dass es sich eindeutig um einen Wolf handelt. Der Fall offenbart eine seltsame Gemengelage aus Politik und Wissenschaft, die die ohnehin schon überhitzte Debatte um den Wolf noch komplizierter macht. 

    Hamburger Institut für Rechtsmedizin fällt mit einschlägiger Lobbyarbeit auf

    Wie so viele Nutztierhalter in vergleichbarer Situation hat sich Unterweger für eine zweite Untersuchung an das ForGen Institut für Rechtsmedizin in Hamburg gewandt. Die Einrichtung ist vollständig akkreditiert und arbeitet rechtsmedizinisch auch mit der Polizei zusammen. Obwohl ein nach eigenen Angaben unabhängiges Labor, tritt ForGen jedoch öffentlich und ungewöhnlich offensiv für die Belange von Jägern und Tierhaltern ein. Im Jahr 2018 sprach die ForGen-Gründerin Nicole von Wurmb-Schwark im Umwelt- und Naturschutzausschuss des Deutschen Bundestags über das Wolfsproblem und sich für eine Bejagung aus. Die Sorge um die Wolfspopulation sei unbegründet, sagte sie damals, unter anderem weil nichts das Nahrungsangebot in Deutschland limitiere. Vielmehr berge die Nähe zum Menschen Konfliktpotenzial, da die Vermischung zwischen Hund und Wolf drohe. Dass dadurch vermehrt genetisch ein Hund als Übeltäter nachgewiesen werde, führe dazu, dass betroffene Nutztierhalter nicht entschädigt werden.

    Dieser klaren Positionierung lässt ForGen auch Taten folgen. Dafür arbeitet das Institut mit dem Verein "Wölfe vs. Land" zusammen, der sich für ein Abschussrecht starkmacht, und Jäger und andere Nutztierhalter im Kampf um Entschädigung unterstützt. Der Verein bildet sogenannte Rissbegleiter aus, so wie Andreas Schmid aus Ravensburg, der in Dietenheim Friedhelm Unterweger nach dem Riss beistand. Die Ausbildung der Rissbegleiter umfasst vier Module: Recht, Probenentnahme, Kommunikation und Wildbiologie. Die Probeentnahme brachte, zumindest für eine Zeit nach 2019, Nicole von Wurmb-Schwark den Teilnehmern am Seminar bei. 

    Im Fall von Dietenheim kamen der Rissbegleiter und das Institut nach einer DNA-Analyse zu einem klaren Ergebnis: Ein Wolf treibt sich in der Gegend herum und hat das Tier von Friedhelm Unterweger gerissen. Zum gleichen Ergebnis kam das Institut beispielsweise auch im hessischen Landkreis Hersfeld-Rotenburg und in der Wesermarsch, während die Behörden Hunde für die Fälle verantwortlich machten. Spielen hier womöglich auch unterschiedliche Interessen bei der Analyse der Fälle eine Rolle? In einschlägigen Jäger-Foren im Internet finden sich jedenfalls über die vergangenen Jahre hinweg immer wieder lobende Beiträge zur Arbeit des Instituts. "ForGen entwickelt sich zum Angstgegner der kompromisslosen Pro-Wolf-Szene in ganz Europa. Die Hamburger sind längst das Referenzlabor für Kritiker der offiziellen Raubtierpolitik – von Frankreich bis zum Finnischen Meerbusen", schrieb 2019 die Seite "Natürlich Jagd". 

    Die Behörden richten sich an das offizielle Referenzlabor für Wolfsmonitoring

    Für die Behörden gelten jedoch nur die Ergebnisse des Senckenberg Zentrum für Wildtiergenetik in Gelnhausen als offizielles Referenzlabor. Dort untersucht man seit 2010 auf Beschluss der Länderarbeitsgemeinschaft Naturschutz hin die in allen Bundesländern im Rahmen des Wolfsmonitorings anfallenden Proben. Und dessen Einschätzung nach handelte es sich im Fall von Dietenheim um einen Hund, wie Pressesprecherin Daniela Baumann vom Landratsamt Donau-Alb-Kreis unserer Redaktion bestätigte. Es habe auch keine weiteren Verdachtsmomente in der Gegend um Dietenheim gebe. Für alle weiteren Informationen verwies das Landratsamt auf die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA), das die Befunde am Donnerstag erklärte. 

    "In diesem Fall wurde vor Ort durch einen geschulten Vertreter der Wildtierbeauftragten des Landkreises eine Dokumentation durchgeführt. Bei dem Tier wurde ein sogenannter Kehlbiss festgestellt, wie er typischerweise durch Beutegreifer verursacht wird. Die an diesem Kehlbiss genommene Abstrichprobe ergab Canis familiaris, sprich Hund", schreibt die FVA. Die Kriterien für die Einschätzung seien bundeseinheitlich festgelegt, neben der DNA-Analyse gehörten dazu auch die Dokumentation des Tierkörpers und der Umstände vor Ort.

    Die Wolfssichtungen in deutlich werden mit jedem Jahr häufiger.
    Die Wolfssichtungen in deutlich werden mit jedem Jahr häufiger. Foto: Torsten Beuster/dpa (Symbolbild)

    Die so unterschiedlichen Ergebnisse können sich die Experten der FVA mangels Informationen nicht erklären. "Zu den von anderen Laboren angewandten Methoden beziehungsweise deren Referenzdatenbanken liegen uns keine Informationen vor. Auch im von Ihnen erwähnten Fall sind uns weder die angewandten Methoden noch das Ergebnis bekannt", schreiben die Wissenschaftler, auch habe man bisher keine direkten Erfahrungen mit dem Institut ForGen gemacht. 

    Nutztierhalter aus Dietenheim prangert behördliche Vorgehensweise an

    Das wird auch so bleiben, denn das Institut ForGen teilte auf Anfrage mit, dass man über das Gutachten nicht sprechen könne. "Wir können keine Gutachten herausgeben und uns auch nicht zu Gutachten äußern, da wir diese für bestimmte Personen erstellt haben", schreiben die Rechtsmediziner. Nur falls der Auftraggeber das Gutachten freigebe, könne man die Ergebnisse erklären und besprechen. Doch das will Friedhelm Unterweger nach eigenen Angaben nicht. Der 35-Jährige hat sich damit abgefunden, dass er keine Entschädigung erhalten wird. "Ich mache da nichts mehr, eigentlich war es ja schon klar, dass das dabei herauskommt. Da ergibt sich jetzt auch nichts mehr", sagt der Nutztierhalter. Überzeugt, dass es sich bei dem Riss seines Tieres um einen Wolf gehandelt hat, sei er dennoch. Immer wieder finde man gerissene Rehe, im Januar habe ihn ein Jäger gar gesichtet. "Der Wolf ist noch da und der wird auch wieder auftauchen."

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