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Ulm: Der "Laufstall für SUVs" überzeugt beim Poetry Slam am meisten

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Der "Laufstall für SUVs" überzeugt beim Poetry Slam am meisten

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    Die Teilnehmer von links: Marina Sigl, Mareike Kurtnacker, Abdul Kader Chahin, Gewinnerin Meike Harms, Clemens Naumann, Thomas Ring, Gastgeber Ko Bylanzky und Lisa Tuczek. 
    Die Teilnehmer von links: Marina Sigl, Mareike Kurtnacker, Abdul Kader Chahin, Gewinnerin Meike Harms, Clemens Naumann, Thomas Ring, Gastgeber Ko Bylanzky und Lisa Tuczek.  Foto: Andreas Brücken

    Sie haben nur ihre Sprache und sechs Minuten Zeit, um Star des Abends zu werden: Beim Wettstreit der Poetinnen und Poeten sind Requisiten, Hilfsmittel oder Kulissen verboten. Acht Teilnehmer sind am Samstagabend ins Ulmer Roxy gekommen, um sich beim Poetry Slam zu messen.

    Yannik Ambrusits eröffnete den Wettbewerb und legte als bayerischer Meister der unter 20-jährigen Bühnenpoeten die Messlatte für seine Kollegen hoch an. Der Würzburger bekannte sich in Reimform zum Anti-Macho: "Seh' ich einen Typen, der mit seinem Lamborghini prahlt, muss ich lachen, denn meine Vespa ist schon abbezahlt." Zurückhaltend sei er auch beim weiblichen Geschlecht: "Auf Partys mach ich keine Frauen an, sondern frag nur, ob ich sie nach Hause bringen kann."

    Sechs Teilnehmer beim Poetry Slam im Ulmer Roxy

    Aus Augsburg reiste Mareike Kurtnacker an. Für sie war der Auftritt mit einem nachdenklichen Text im Ulmer Kulturhaus die ganz persönliche Bühnenpremiere: "Wir sind die Sklaven unserer eigenen Welt, getrieben auf der Jagd nach Geld." Fast prophetisch mahnend sprach sie: "Jeder soll sein der Erde Knecht, doch die Welt ist so schlecht."

    Dass es ein Privileg sei, in die Ferne schweifen zu dürfen, erklärte Marina Sigl und träumte von fremden Kulturen und exotischen Tieren. Der Familienurlaub ihrer Kindheit habe dagegen auf einem winzigen Campingplatz in einem kleinen Zelt stattgefunden. "Mein Vater musste dafür 200 Stunden arbeiten, denn ohne Geld gibt es keine Reise."

    Auch ein Profi-Schauspieler ist dabei

    Thomas Ring aus Stuttgart war bereits vor einigen Jahren Teilnehmer beim Ulmer Poetry Slam. Diesmal versuchte er mit seinem Credo "Wahrnehmung ist Ansichtssache", die Sympathie des Publikums zu gewinnen. Er versuche als Schriftsteller sein Glück, weil er beim Lesen eines Romans länger brauche als der Autor beim Schreiben, gestand Ring. "Philomena und die Stunde der Lust", lautet sein Debütwerk, das als gebundene Dekoration in den Musterausstellungen diverser Möbelhäuser zu finden sei.

    Abdul Kader Chahin ist Profi-Schauspieler aus Duisburg mit jahrelanger Bühnenerfahrung. Er brachte seinen "Bildungsauftrag zur Klimakrise" mit, den er seit Jahren an seinen Nachbarn anbringen will: "Dirk ist Rassist und Alkoholiker und weigert sich zu glauben, dass Bier vegan ist." Wer einfache Menschen überzeugen wolle, müsse sich an ihre Ängste wenden, sagte der Comedian und fügte an: "Damit hat es auch schon mal eine Partei geschafft, Wählerstimmen zu gewinnen."

    Meike Harms setzt sich in Ulm durch

    Anna-Lisa Tuczek aus Bonn präsentierte einen Gangster-Rap. Jedoch nicht über Drogen, Verbrechen oder Bandenkriege, sondern für die "Kittelschürzenbraut" – ihre Oma: "Sie hat niemals Medizin studiert, doch dank der Apotheken Umschau ist sie immer bestens informiert" oder "morgens um fünf ist der Frühstückstisch gedeckt und deine Zähne sitzen perfekt", lautete die rührende Liebeserklärung.

    Clemens Naumann hat sich in der Vergangenheit bereits für das Finale der deutschsprachigen Poetry Slamer qualifiziert. Auch in Ulm gelang ihm mit seinen Wortspielereien der Sprung in die Endrunde. Bei seinen Sprüchen im Promillebereich wie "Das kann doch nicht Warsteiner sein", oder "Henning war einer, der Tee gern sah, also ein Teegernseer", durften die Besucher auch mal um die Ecke denken.

    Im Finale entschied jedoch Meike Harms den Wettstreit mit dem kräftigsten Publikumsbeifall für sich. Sie schilderte die Idylle ihres Münchner Vororts, der ein "Laufstall für SUVs" sei, während der Bürgermeister als Klimaschutzkonzept vorgeschlagen habe, dass Frauen lieber zu Hause bei den Kindern bleiben sollen, anstatt in die Arbeit zu fahren. "Das Klima kriegt die Krise und hält uns den Meeresspiegel vor", sagte Harms und appellierte an die Zuschauer: "Lebt jeden Tag, als wenn dieser Planet der letzte wäre."

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