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Ulm: Das Theater Ulm will wieder eine Hauptrolle spielen

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Das Theater Ulm will wieder eine Hauptrolle spielen

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    Die Sopranistin Maryna Zubko gab mit ihrem Begleiter Giovanni Piana am Samstag einen Liederabend im Foyer. Musik, Tanz und Schauspiel sind wieder möglich – allerdings nur in kleinen Formaten.
    Die Sopranistin Maryna Zubko gab mit ihrem Begleiter Giovanni Piana am Samstag einen Liederabend im Foyer. Musik, Tanz und Schauspiel sind wieder möglich – allerdings nur in kleinen Formaten. Foto: Veronika Lintner

    Zu Beginn seiner Rede teilt der Intendant einen Seitenhieb aus: Das sei schon ein seltsames Virus, sagt Kay Metzger. Covid-19 sei wohl auf Bühnen und in Theatern extrem ansteckend und bedrohlich – „aber in Zügen und Flugzeugen scheint es relativ ungefährlich.“ Das Publikum lacht und applaudiert. Im großen Saal des Theater Ulm haben sich hier 99 Zuschauer versammelt, um die Wiedereröffnung des Theaters zu feiern. Zum Schutz vor der Pandemie hatten alle Bühnen schließen müssen, und das

    Das Theater am Karajan-Platz bietet im Juni und Juli 21 Aufführungen und 14 verschiedene Formate: Kleines Schauspiel, Gesang und Kammermusik, Tanz ohne Körperkontakt. Jeweils maximal 99 Zuschauer können die Aufführungen im Großen Haus erleben und auch das Foyer wird bespielt. Dieses „Zwischenspiel“ begann am Freitag mit einer Revue aus allen Sparten.

    Mit gespenstischer Ruhe schreitet Marie Luisa Kerkhoff durch einen Vorhang von Eisenstangen, im schwarzen Kleid und umhüllt vom Bühnennebel. Ihr erster Satz verkündet das Motto des Abends: „Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten!“ Es ist die „Zueignung“ aus Goethes Faust, ein Monument der deutschsprachigen Theaterkultur. Gerührt, sehnend und raunend.

    Revue aus allen Sparten: Goethes Faust in Schauspiel und Gesang

    Doch über Faust im Nebel führt der Abend ohne Umweg oder Warnung zur Sparte Musik. Die Gemütslage lichtet sich: „Heinrich, wo greifst du denn hin?“, singt Stephan Clemens und die flapsigen Faust-Anspielungen des Liedes sind eindeutig doppeldeutig. Einen Hauch weniger frivol im Text, aber leicht und locker, singt die Sopranistin Maryna Zubko aus der „Fledermaus“ von Strauss: „Es wär der Schaden nicht gering, wenn mit dem Talent ich nicht zum Theater ging.“ Am Flügel begleitet sie Generalmusikdirektor Timo Handschuh. Zubko führte das Zwischenspiel dann am Samstag fort, mit einem Liederabend im Foyer.

    Zurück zur Eröffnung am Freitag: Vier Schauspieler des Theaters rezitieren gemeinsam eine absurde Twitter-Textcollage. Gunther Nickles erklärt vorweg: Diese Zeilen stammen vom Social-Media-Profil eines Staatsoberhaupts „mit seltsamer Frisur“ und seltsam orangem Teint. Missverständnisse ausgeschlossen. Und man weißt nicht recht, ob man lachen oder sich gruseln soll, angesichts der Corona-Fake-News, die der US-Präsident auf Twitter verbreitet und die die Schauspieler hier vortragen. Es ist eine trockene, bissig-satirische Lesung, die andeutet, welche Rolle das Theater in dieser politischen Zeit spielen kann.

    Ein weiterer Text, der überraschend gut in diese Wirren passt: „Zwangsvorstellungen“ von Karl Valentin. Christel Mayr trägt ihn vor. Sie sinniert dabei, im strengen Jackett und mit der bürokratischen Gefrierfach-Aura einer Margot Honecker, über eine verbindliche Theater-Besuchspflicht für alle Bürger. Ein Besuch pro Tag, so fantasiert Valentin im Scherz. Dabei wird aber klar, was Kunst vor allem braucht: Freiheit und freien Willen.

    Tanzen mit Distanz kann funktionieren

    Zwischen Text, Gesang und Musik fügt sich an diesem Abend eine weitere Sparte. Tanzen mit Distanz, das kann funktionieren: In einem berührenden Duett nehmen Nora Paneva und Yoh Ebihara die Bühne für sich ein. Sie wenden sich am Boden, rudern mit den Armen, gemeinsam mit Abstand. Sie spiegeln einander und tauschen die Rollen und Bewegungsabläufe, finden zusammen und driften auseinander. Ein Kampf von Kraft und Eleganz.

    Stellvertretend für das Orchester, das neben dem Tanztheater wohl am stärksten unter den Einschränkungen leidet, präsentiert sich ein Holzbläserquintett auf der Bühne. Kammermusik, die von Nähe, Intimität und Feinarbeit lebt, findet hier nun mit Abstand auf der großen Bühne statt. Später beschallt ein Blechbläserquintett mit einer strahlenden Fanfare von Paul Dukas den Saal.

    Auch Iris Mann, Kultur-Bürgermeisterin der Stadt Ulm, hielt bei der „„Zwischenspiel“-Eröffnung eine Rede. Sie sprach von einem „fast schon geschichtsträchtigen Tag“ der Wiedereröffnung. Mann erklärte aber auch, dass sich die Ensemblemitglieder und Mitarbeiter des Theaters immer noch in Kurzarbeit befinden. Ein Ende scheint nicht in Sichtweite.

    Der Ulmer Gemeinderat hatte im Mai zugestimmt, die Spielzeit 2019/20 zu beenden. Jetzt kristallisiert sich heraus, was trotzdem planbar und möglich ist. Ein Höhepunkt des „Zwischenspiels“: Am 1., 2. und 3. Juli führt Markus Hottgenroth den Monolog „Judas“ im Ulmer Münster auf. Ab September verspricht das Theater dann ein neues, kleines Programm, allerdings ohne Abo-Angebot. Iris Mann erklärt: „Wir wollen nur das anbieten, was wir auch mit Sicherheit versprechen können.“

    Alle Informationen zum „Zwischenspiel“ gibt es unter www.theater-ulm.de

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