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Ulm: Campus statt Büroturm? Neue Idee für umstrittenen Neubau an der Donau

Ulm

Campus statt Büroturm? Neue Idee für umstrittenen Neubau an der Donau

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    So soll der Neubau der Großkanzlei Schneider Geiwitz & Partner SGP im Gleisdreieck am Ulmer Donauufer aussehen.
    So soll der Neubau der Großkanzlei Schneider Geiwitz & Partner SGP im Gleisdreieck am Ulmer Donauufer aussehen. Foto: Nething Generalplaner

    Am Mittwoch, 15. Dezember, soll der Ulmer Gemeinderat darüber entscheiden, ob die für Insolvenzverfahren bekannte Wirtschaftskanzlei Schneider Geiwitz & Partner (SGP) am Donauufer ihren neuen Firmensitz errichten darf. Zuletzt gab es im Bauausschuss eine knappe Mehrheit für das Vorhaben. Dennoch glaubt eine Interessengruppe daran, dass der Beschluss anders ausfallen wird. Ihre Überzeugung speist sie vor allem aus einem Punkt.

    Die Neu-Ulmer Großkanzlei hat die frühere Hochschule für Kommunikation und Gestaltung (HfK+G) samt Grundstück im Gleisdreieck am Ulmer Donauufer gekauft – nach Informationen unserer Redaktion für einen zweistelligen Millionenbetrag. Das Gebäude soll umgebaut und durch einen rund 30 Meter hohen Büroturm ergänzt werden. Arndt Geiwitz, Geschäftsführender Gesellschafter von SGP, geht dabei von einer Investition im niedrigen zweistelligen Millionenbereich aus. Das Grundstück war aber eigentlich ausschließlich für Gebäude vorgesehen, die der Allgemeinheit dienen. Das könnte sich durch einen für den Bau erforderlichen Satzungsbeschluss in der Gemeinderatssitzung am Mittwoch ändern. Oder auch nicht.

    Grüne wollen Entscheidung über SGP-Neubau am Ulmer Donauufer vertagen

    Die Fraktion der Grünen im Ulmer Gemeinderat hat beantragt, die Entscheidung zu vertagen. Die Stadträtinnen Lena Schwelling und Annette Weinreich begründen das mit dem Widerstand aus der Bürgerschaft und dem Streit um das Projekt. Angesichts dessen solle der Satzungsbeschluss nicht mit knapper Mehrheit gefällt werden, stattdessen solle die Entscheidung abgesetzt werden. Anschließend solle das Projekt in einem gemeinsamen Verfahren mit Grundstückeigentümer und Bürgerschaft weiterentwickelt werden.

    Eine Lösung, mit der sich auch eine Gruppe aus der Kultur- und Bildungsszene anfreunden könnte. Die vier Männer und eine Frau hatten im Herbst zunächst Unternehmer Geiwitz und dann die Fraktionen angeschrieben. Sie finden, dass sich das Gleisdreieck perfekt für einen Ort der Bildung eignen würde. Die erste Idee entwickelten Galeristin und Gastronomin Petra Schmitt und Andreas Lörcher, der das Aicher-Scholl-Kolleg der Vh leitet. Sie schlossen sich mit dem Schulleiter und Dozenten Martin Böhnisch, dem Autor und Zeichner Florian Arnold sowie dem Buchhändler Ramus Schöll zu einer privaten Interessengruppe zusammen. Ihr Anliegen: Arndt Geiwitz dazu zu bewegen, am geplanten neuen Firmensitz auch Möglichkeiten für Kulturangebote zu schaffen. Nach einigen Anläufen, so berichtet es Lörcher, sei es zu einem Telefonat gekommen. In dem habe Geiwitz signalisiert, dass man unterschiedliche Interessen habe. Die Räume – SGP will das Mitarbeiterrestaurant abends und am Wochenende für die Allgemeinheit öffnen – könnten aber angemietet werden.

    Kanzlei Schneider Geiwitz und Partner plant Büroturm in Ulm

    Die Gruppe wandte sich daraufhin an die Gemeinderatsfraktionen. Eine Rückmeldung habe es nur von CDU/UfA gegeben, darüber hinaus unterstütze Grünen-Rätin Weinreich die Ziele der Interessengruppe. Petra Schmitt ist überzeugt: Die frühere Hochschule ist der perfekte Ort für Bildungsangebote. Sie verweist auf das rauer gewordene gesellschaftliche Klima und das sinkende Vertrauen in die Politik. Bildung und Kultur seien gerade jetzt bedeutend, betont sie. Florian Arnold assistiert: Dafür dürfe man nicht bloß Räume an versteckten Orten, am Stadtrand oder als Zwischennutzung zur Verfügung stellen – sondern dauerhaft und an einer wichtigen, zentralen Stelle. Die Gruppe spricht von einem Bildungscampus. Was bedeutet das? "Wir haben die Weisheit nicht erfunden", sagt Martin Böhnisch. Er setzt darauf, dass aus der Zivilgesellschaft frische Ideen entstehen.

    Die Neu-Ulmer Großkanzlei hat die frühere Hochschule für Kommunikation und Gestaltung (HfK+G) samt Grundstück im Gleisdreieck am Ulmer Donauufer gekauft.
    Die Neu-Ulmer Großkanzlei hat die frühere Hochschule für Kommunikation und Gestaltung (HfK+G) samt Grundstück im Gleisdreieck am Ulmer Donauufer gekauft. Foto: Nething Generalplaner

    Für die Pläne von SGP hat die Gruppe Verständnis. Aber der Ort müsse für die Allgemeinheit offen bleiben, das Gastronomiekonzept reiche nicht aus. Die Gruppe kritisiert Stadtverwaltung und Gemeinderat nachdrücklich. Formell sei zwar alles richtig gelaufen: Auf der städtischen Internetseite waren die Pläne einzusehen, Bürgerinnen und Bürger konnten Meinungen und Ideen einbringen. Aber bei einem derart prominenten Ort müsse man Gespräche mit der Gesellschaft direkter suchen und Einwände aufnehmen. Nun wirke alles so, als sei das Projekt schon beschlossene Sache – noch vor der eigentlichen Entscheidung. Es entstehe der Eindruck, als habe man SGP Zusicherungen gemacht. Warum würde das Unternehmen sonst so ins finanzielle Risiko gehen und ein Grundstück kaufen, das so eigentlich nicht bebaut werden darf?

    Lörcher warnt, dass sich die Kommunalpolitik nicht von der Angst vor einer möglichen Brache am Donauufer erpressen lassen dürfe, die entstehen könnte, wenn SGP dort nicht bauen darf. Für die Gruppe steht Vertrauen auf dem Spiel: Vertrauen, dass die Rätinnen und Räte wirklich auf die Stimmen aus der Bürgerschaft hören und sich nicht nur vom Wunsch leiten lassen, eine finanzstarke Firma anzulocken. Böhnisch setzt darauf, dass die Mitglieder des Gemeinderats wissen, wie bedeutsam dieses Vertrauen ist. Er glaubt: Mit einer Vertagung und einer neuen Diskussion könne die verfahrene Situation aufgelöst werden. Er hofft, dass eine Mehrheit im Gremium auf die Kritik reagieren und so entscheiden wird.

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