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Ulm: Angst, dass auch ihr Kind abhängig wird: Ulmerin spricht über ihre Drogensucht

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Angst, dass auch ihr Kind abhängig wird: Ulmerin spricht über ihre Drogensucht

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    Lisa wurde auf der Rückfahrt aus den Niederlanden mit sieben Kilo Marihuana im Kofferraum von der Polizei erwischt.
    Lisa wurde auf der Rückfahrt aus den Niederlanden mit sieben Kilo Marihuana im Kofferraum von der Polizei erwischt. Foto: Alexander Kaya (Symbolbild)

    Mit 15 Jahren zog Lisa, die in Wirklichkeit nicht so heißt, zum ersten Mal an einem Joint. Von da an bestimmten Drogen den Großteil ihres Lebens. Inzwischen ist 29-jährige Ulmerin seit zwei Jahren clean. Eine Geschichte über Abhängigkeit, die Trennung von ihrem Sohn, Therapie, Rückfall, Verhaftung und Verurteilung.

    In Lisas Kindheit und Jugend musste ihre Familie oft umziehen. Selten wohnte sie länger als zwei Jahre im selben Ort. "Ich war in zwei verschiedenen Kindergärten, in zwei verschiedenen Grundschulen und in zwei verschiedenen Realschulen", erzählt sie. Nach dem Umzug zwischen neunter und zehnter Klasse, fand sie in der neuen Schule eine Freundin, die Cannabis konsumierte. "Das erste Mal war ein Joint, in der Mittagspause, unter der Brücke", erzählt die Ulmerin. Damit begann die Sucht. Sie kiffte täglich und nahm wenige Monate später regelmäßig Amphetamine.

    Ihr Partner trennte sich wegen der Sucht von ihr und behielt das gemeinsame Kind

    Obwohl sie nach der Schule eine Ausbildung in der Gastronomie machte und arbeitete, reichte Lisas Geld oft nicht für ihren Konsum. Abseits des Rausches beschafften eine Freundin und sie mit verschiedenen Mitteln Geld für Cannabis. "Hauptsache, wir hatten was zum Rauchen", sagt Lisa. Mit 18 Jahren kam sie wegen einer psychischen Drogenreaktion ins Krankenhaus. "Das hat mich aber nicht besonders beeindruckt", erzählt sie. Dass sie ein Problem hat, wollte sie nicht wahrhaben. "Du denkst, solange du arbeiten gehst und soweit alles läuft, hast du kein Problem."

    Als Lisa mit 21 schwanger wurde, machte sie die eine Drogenpause. Etwa drei Monate nach der Geburt begann sie wieder, Cannabis und Amphetamine zu konsumieren. Sie verheimlichte es vor ihrem Partner, doch dieser fand es heraus und trennte sich von ihr. Der gemeinsame Sohn blieb bei ihm. Darauf folgte die schlimmste Phase ihres Drogenkonsums. Mit 23 Jahren hatte Lisa fast jede Droge schon ausprobiert. Sie feierte an den Wochenenden und ließ sich an den Folgetagen danach krankschreiben, um ihren Rausch auszukurieren. Weil sie zu häufig fehlte, kündigte ihr der Arbeitgeber.

    Nach dem Verlust der Arbeit wurde es schwieriger, das Leben auf die Reihe zu bekommen

    Ohne Arbeit hatte Lisa mehr Zeit für ihren Konsum und es wurde für sie schwieriger, den Alltag zu bewältigen. "Ich habe es nicht mal auf die Reihe bekommen den Hartz-IV-Antrag auszufüllen", erzählt sie. Sie bemerkte, dass sie Hilfe braucht, und erzählte ihren Eltern von ihrer Sucht. "Meine Eltern wussten das natürlich vorher schon", sagt Lisa. Immer wenn diese versucht hätten, sie darauf anzusprechen, habe sie sie abgeblockt.

    Lisa machte eine Therapie, doch die Motivation, von der Sucht wegzukommen, war nicht sehr groß. "Es war wahrscheinlich noch nicht genug passiert", sagt die 29-Jährige. Danach ging es für sie in ein Heim für Betreutes Wohnen in Reutlingen. "Ich glaube, das war die schlechteste Entscheidung, die ich je hätte treffen können", erzählte Lisa. Dort lebte sie in einer Wohngemeinschaft mit anderen ehemaligen Konsumenten. Manche machten eine Substitutions-Therapie, bei der Abhängige Ersatzstoffe für ihre Suchtmittel erhalten. Zusätzlich befand sich das Haus in der Nähe der dortigen Drogenszene. "Da war jetzt niemand besonders stabil", erzählt Lisa.

    Kurz nach der Therapie wird Lisa rückfällig und fängt an zu dealen

    Nur kurze Zeit nach ihrer Ankunft wurde sie rückfällig. Lisa fälschte Urintests und vermied Treffen mit ihrem Sozialarbeiter, damit ihr Drogenkonsum nicht auffiel. Sie begann, zusammen mit einem Mitbewohner zu dealen. Er hatte Kontakte zu Händlern in den Niederlanden, sie kannte die Kundschaftin der Region. Ihr Konsum ließ sich nicht für immer verheimlichen. Sie wurde vom Sozialarbeiter erwischt und machte einen Entgiftung, um die Wohnung nicht verlassen zu müssen.

    Nach ihrem Aufenthalt im betreuten Wohnen zog Lisa mit 26 nach Ulm und fand einen Job. Da sie hier niemanden kannte, dachten sie, dass sie nicht mehr rückfällig werden würde. "Das Erste was ich gemacht habe, als ich hier war: Ich bin in die Glacis-Galerie zu dem Kiosk und hab mir eine neue Bong (ein Rauchgerät, Anmerkung der Redaktion) gekauft", sagt Lisa. Über einen Bekannten fand sie einen Dealer und ein Kollege hatte Kontakte in die Ulmer Drogenszene.

    Lisa wird auf der Rückfahrt aus den Niederlanden mit sieben Kilo Cannabis erwischt

    Im Januar 2019 wurde sie auf der Rückfahrt aus den Niederlanden von der Polizei erwischt. "Es waren sieben Kilo Gras in meinem Kofferraum", erzählt sie. Die Beamten hatten Lisa und ihren Bekannten schon vorher im Auge. Ihre Telefone waren abgehört und ihr Auto war mit einem Peilsender versehen worden. Wegen Einfuhr und Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmittel wurde sie vom Amtsgericht Hechingen zu zwei Jahren und vier Monaten Gefängnis verurteilt. Nach zehn Monaten Haft konnte sie, anstatt weiter im Gefängnis bleiben zu müssen, eine Therapie beginnen. Diese beendete Lisa im Juli 2020 und ging bis Juli 2021 zur Nachsorge zur Drogenberatungsstelle Drob Inn.

    Die Rückkehr zu einem drogenfreien Leben wurde durch die Corona-Pandemie erschwert. Eine der wichtigsten Maßnahmen um Rückfälle zu vermeiden, sei es, sich ein Umfeld fernab von Suchtmitteln aufzubauen, erklärt Sandra Heinzelmann, die Leiterin der Drogenberatungsstelle Drob Inn, die auch Lisa betreute. Wegen der Ausgangsbeschränkungen hieß es oft zu Hause bleiben. "Das ist wie Haftverlängerung", sagt Lisa. Seit ihrer Festnahme hat sie keine Drogen mehr genommen. Trotzdem ist die Sucht noch nicht vollständig besiegt. Immer wenn sich Probleme auftun, die nicht sofort gelöst werden können, spürt sie ein Verlangen nach Drogen.

    Drogenkonsum belastet auch die Angehörigen von Süchtigen

    Inzwischen wohnt Lisas Sohn bei ihr. "Ich hab wahnsinnig Angst, dass er auch süchtig wird", sagt sie, obwohl der Junge noch zur Grundschule geht. Er kennt ihre Vergangenheit zum Teil. Er weiß, dass sie Drogen genommen hat und dass sie im Gefängnis war. Wenn er etwas älter ist, möchte sie ihm die ganze Geschichte erzählen.

    Ob und wie die Eltern verhindern hätten können, dass sich Lisas Sucht so entwickelt, kann sie selbst nicht sagen. Ihre Mutter habe sie immer unterstützt, erzählt sie, habe sie zur Therapie gebracht und ihr in Haft jede Woche einen Brief geschrieben. "Ich will mir gar nicht vorstellen, wie furchtbar es für sie war", sagt sie. Wie ihre Mutter gelitten hat, wurde ihr erst später bewusst. "Wenn du in der Situation bist, siehst du nicht, wie du die Menschen um dich 'rum verletzt", sagt Lisa.

    "Das ist der Unterschied zwischen Konsument und Angehörigem", sagt Sandra Heinzelmann. Die Angehörigen müssten alles mit klarem Kopf aushalten. "Und selber kann man sich immer wieder abschießen." Deshalb ist Drob Inn auch eine Anlaufstelle für Eltern von Kindern mit Drogenproblemen. In dem Gruppenangebot "Schritt für Schritt" können sich diese austauschen. Zusätzlich bietet die Drogenberatungsstelle ab Anfang Februar monatlich einen Infoabend für Eltern an. Weitere Informationen zu den Angeboten gibt es auf der Website der Diakonie Neu-Ulm oder telefonisch unter der Nummer 0731/880305-20.

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