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Ulm: 30 Jahre nach dem Mord an Rafael Blumenstock: Die Ulmer Polizei gibt nicht auf

Ulm

30 Jahre nach dem Mord an Rafael Blumenstock: Die Ulmer Polizei gibt nicht auf

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    Die Erinnerungstafel für den vor 30 Jahren ermordeten Rafael Blumenstock am Rande des Münsterplatzes: Dort findet am heutigen Mittwoch eine Gedenkveranstaltung statt.
    Die Erinnerungstafel für den vor 30 Jahren ermordeten Rafael Blumenstock am Rande des Münsterplatzes: Dort findet am heutigen Mittwoch eine Gedenkveranstaltung statt. Foto: Alexander Kaya

    Eigentlich dürfte es so etwas gar nicht geben: Da passiert ein bestialischer Mord im Herzen der Stadt, direkt auf dem Münsterplatz, und auch nach drei Jahrzehnten ist der Fall ungeklärt. Das findet allerdings auch Nicolaus Held, Leiter der Kriminalinspektion 1 (K1), im Volksmund gemeinhin Mordkommission genannt: „Das ist ein Fall, den man klären muss.“ (Hinweis: Dieser Text ist zum 30. Jahrestag des Mords am 4. November 2020 erschienen.)

    Der Tod von Rafael Blumenstock jährt sich am 4. November 2022 zum 32. Mal. Immer wieder gab es Gedenkfeiern - und nach jeder dieser Veranstaltungen gingen stets neue Hinweise bei der Kripo ein. Ohnehin melden sich immer noch regelmäßig Menschen, die etwas zur Aufklärung des Falles beitragen wollen.

    Zum Mordfall Blumenstock gehen immer noch Hinweise ein

    Nein, viele seien es nicht, sagt Held: „Vielleicht ein bis zwei pro Jahr.“ Doch das ist dann stets ein Anlass, um die alten Akten hervorzuholen und wieder durchzuschauen. Ohnehin wird das mittlerweile regelmäßig alle fünf Jahre getan, um solche „Cold Cases“, also „kalte Fälle“, mit einem neuen Ermittlungsansatz möglicherweise doch noch lösen zu können.

    Oder eben durch neue kriminaltechnische Methoden, so wie am Anfang dieses Jahrtausends. Als die Möglichkeiten zur DNA-Analyse aufkamen, versuchte die Kripo auch im Fall Blumenstock ihr Glück. Bei der Spurensicherung war vor 30 Jahren Schmutz unter einem Fingernagel des Opfers sichergestellt worden. Jahre später wurden diese Spuren auf verwertbares DNA-Material hin untersucht. Es fanden sich tatsächlich Erbgutspuren eines anderen Menschen, möglicherweise vom Täter. Im Laufe der Jahre hat die Polizei daraufhin nach den Worten von Held sukzessive mehr als 200 Personen untersucht, „doch das hat nicht zum Ziel geführt“.

    Blumenstocks Mörder leben wohl noch

    Dennoch glaubt der K1-Leiter, es könnte immer noch möglich sein, den oder die Täter zu schnappen, denn er gehe davon aus, dass sie nach all der Zeit immer noch am Leben seien. Vermutlich waren der oder die Mörder damals tatsächlich nicht so alt. Zeitweilig wurde sogar eine Gruppe von Jugendlichen verdächtigt.

    Vor 30 Jahren, am 4. November 1990, wurde auf dem Münsterplatz der Student Rafael Blumenstock ermordet. Das Entsetzen über die Bluttat mitten in der Stadt war damals groß.
    Vor 30 Jahren, am 4. November 1990, wurde auf dem Münsterplatz der Student Rafael Blumenstock ermordet. Das Entsetzen über die Bluttat mitten in der Stadt war damals groß. Foto: Horst Hörger (Archiv)

    Am 4. November 1990 hatte ein Mitarbeiter der Ulmer Stadtreinigung den fürchterlich zugerichteten Körper von Rafael Blumenstock zwischen Blumenkübeln und einem geparkten Auto gegenüber dem ehemaligen Haushaltswaren-Kaufhaus Abt gefunden. Der Körper war mit 21 Stich- und Schnittverletzungen übersäht. Das Gesicht war von Faustschlägen und Fußtritten entstellt, die Nasenspitze abgeschnitten.

    Die ganze Region fragte sich: Wer tut so etwas? Das Verbrechen erschütterte die Menschen. Noch dazu war es im Herzen von Ulm geschehen, auf dem Münsterplatz, über den – wie sich bei den Ermittlungen herausstellte – auch nachts nicht wenige Menschen gingen.

    Raphael Blumenstock war ein freundlicher Mann

    Rafael Blumenstock war in der Erinnerung vieler Menschen ein freundlicher Zeitgenosse. Der 28 Jahre alte Musikstudent galt ein wenig als Paradiesvogel, weil er sich auch in Frauenkleidern durch das Ulmer Nachtleben bewegte. Er machte auf seinen Touren an vielen Orten Station, sprach Leute an und bat sie auch mal spontan um ihre Telefonnummer.

    Bürger zogen in einem Trauermarsch durch die Innenstadt.
    Bürger zogen in einem Trauermarsch durch die Innenstadt. Foto: Horst Hörger (Archiv)

    Doch warum er in dieser Nacht auf so furchtbare Weise sterben musste, ist bis heute ungeklärt – auch das ein Grund, warum der Fall immer noch so viele Menschen bewegt. Die Ermittlungen der Polizei verliefen im Sande.

    Zehn Jahre nach der Tat keimte kurz ein wenig Hoffnung auf, weil sich plötzlich Hinweise auf eine Gruppe Jugendlicher ergeben hatten, die 1990 zwischen 14 und 16 Jahre alt waren. Allein: Es kam nichts dabei raus. Immer noch halten verschiedene Gruppierungen – die Autonomen vom Kollektiv 26, der Verein Young and Queer Ulm, Jusos, Grünen-Jugend, Die Linke und „Mein Ich gegen Rassismus“ – die Erinnerung an Rafael Blumenstock und an das, was ihm angetan wurde, hoch. Bei einer Gedenkveranstaltung forderten sie 2020 unter anderem ein neues Mahnmal, da das alte kaum sichtbar sei. Zudem solle der Mord als Verdachtsfall rechter Gewalt eingestuft werden. Ihre Vermutung: „Rafael Blumenstock wurde getötet, weil er anders war.“

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