Es gibt wenig Schmerzhafteres, als einen geliebten Menschen zu verlieren. Gerade für junge Erwachsene kommt so ein Verlust oft unerwartet. Und doch gibt es für diese Altersgruppe kaum Trauerangebote. Chiara Sterzl und Lena Baur wollen das mit ihrer Initiative „Schwer Okay“ ändern.
Die Idee, jungen Erwachsenen einen Raum zum Trauern zu geben, klingt eigentlich nicht ungewöhnlich, doch bislang gab es für Menschen in diesem Alter kaum Angebote. Während es für Kinder und Senioren eine Menge Trauergruppen oder andere Möglichkeiten zum Gespräch, Austausch und zur Verarbeitung gibt, findet die Zielgruppe junger Erwachsener wenig Beachtung. Das fiel auch der 28-jährigen Lena Daur auf, als sie ihre Masterarbeit über die Themen Tod und Trauer schrieb. Durch Freunde kam sie immer wieder in Berührung mit Menschen, die Verluste im engsten Familienkreis erleiden mussten. Die mit all den Konsequenzen allein gelassen wurden. „An die Trauerbetreuung für junge Erwachsenen trauen sich wenig Leute ran“, sagt Sterzl, die selbst erst 25 Jahre alt ist. Gemeinsam entwickelten Daur und Sterzl während des Studiums an der Universität Bozen ein neues Konzept: „Schwer Okay“ – aktive Trauerverarbeitung für Menschen im Alter von 16 bis 30 Jahren.
Nudelkochen zur Trauerverarbeitung
Das Angebot geht über ein einfaches Vieraugengespräch hinaus. Die Betroffenen sollen sich untereinander austauschen und ihre Erfahrungen teilen. „Die Hauptarbeit, die wir leisten, ist den Raum und die Zeit hierfür zu geben“, sagt Sterzl. Dann wird beispielsweise zum gemeinsamen Pastaabend eingeladen, wo zwar getrauert, aber auch immer wieder gelacht wird. Die Nudeln sind dabei nicht nur zum Essen gedacht, sondern auch ein Mittel, um abstrakte Gefühle zu verbalisieren. Trauer könne sich anfühlen wie ein fester Kloß aus Teig, Wut wie Chili in der Soße. So können die Teilnehmenden viel einfacher schwere Gefühle ausdrücken. Die Veranstaltungen finden in Kleingruppen von drei bis fünf Leuten statt. Das sei wichtig, um eine intime, vertraute Atmosphäre zu schaffen. Dabei gilt: Alles kann, nichts muss. Wie weit sich die Betroffenen äußern, bleibt ihnen selbst überlassen. „Das Wichtigste für uns ist, dass wir jemandem helfen können, das Gefühlschaos im Kopf zu ordnen. Wenn ich weiß, dass da jemand beseelt heimgeht, dann ist das das beste Feedback, was wir bekommen können“, sagt Sterzl.
„Schwer Okay“ jetzt auch in Neu-Ulm
Mit ihrem Projekt stießen die beiden auf große positive Resonanz. Für ihr Engagement wurden sie von Bundeskanzler Scholz persönlich geehrt und erhielten zuletzt den „Bayerischen Innovationspreis Ehrenamt“. Seit diesem Sommer bietet „Schwer Okay“ auch Kurse in Ulm und Neu-Ulm an. Als gebürtige Blaubeurerin war es Daur wichtig, das Angebot auf ihre Heimatregion auszuweiten. Nach einer „Pflanzen Tauschparty“ und einem „Homemade Pasta Abend“ folgt das nächste Treffen am 24. November. Bei der „Erinnerungsschneiderei“ schaffen die Teilnehmenden etwas Neues aus einem Textil, das an den Verstorbenen erinnert. Aus einem Hemd wird hier ein Schlüsselanhänger oder ein Kissen. Und weil für so ein Projekt Feingefühl und Vorwissen notwendig sind, haben beide über zwei Jahre eine Ausbildung zur Trauerbegleiterin gemacht. „Wir sind eine kreative Trauerbegleitung für junge Erwachsene. Uns war es wichtig, nicht irgendwelche Themen aufzureißen, ohne diese wieder schließen zu können.“
Aber nicht nur die Idee hinter „Schwer Okay“ ist besonders: Die Teilnahme an den Veranstaltungen ist komplett kostenfrei. In Zukunft wollen Sterzl und Daur das Angebot noch weiter ausbauen. Es soll mehr Treffen an noch mehr Orten geben. Hierfür suchen sie Menschen mit handwerklichem Talent oder Personen, die ihnen Räumlichkeiten zur Verfügung stellen. „Als Kinder wurden wir immer mit eingeschlossen in den Trauerprozess“, erinnert sich Sterzl. „Jetzt möchten wir mehr Trauernden ermöglichen, dieselbe Erfahrung zu machen.“ Sterzl und Daur sind zu erreichen unter: hallo@schwer-okay.com.
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