Seit 15 Jahren bereichert die Rollsportabteilung als jüngste und kleinste Sparte das Angebot des TSV Holzheim. Fraglos eine Exotensportart, aber auch ein Phänomen. Spätestens im Fahrschulalter nämlich ist für die Aktiven gemeinhin Schluss. Nachwuchs-Sorgen indes kennt man nicht beim TSV Holzheim, was wohl auch am Gesicht der Abteilung liegt: Ute Bischof ist Gründerin, Leiterin, Trainerin und – unterstützt von Tochter Sabrina – quasi die Frau für alles in der überaus lebendigen Gruppe.
Dabei stand der Dorfverein anfangs nur für eine Notlösung. Sportlich ausgebildet wurde Bischof als Jugendliche beim SSV Ulm 1846. Sie feierte dort erste Erfolge auch auf süddeutscher Ebene und mit der Übungsleiter-Lizenz in der Tasche übernahm die gelernte Energieanlagen-Elektronikerin schon bald das Anfängertraining. Bis eben Jahre später der Großverein die Abteilung aufgelöst hat. „Unsere Anlage hätte saniert werden müssen, das wollte man nicht“, erinnert sich die gebürtige Ulmerin, inzwischen 60 Jahre alt.
Rollsport-Abteilung beim SSV Ulm 1846 wurde aufgelöst
Seit 1988 lebt sie mit Ehemann Erwin, einem ehemals aktiven Fußballer und Holzheimer Urgestein, bestens integriert mit der gesamten Familie in der 2000-Seelen-Gemeinde. Sohn Thorsten, 34, war früher ein erfolgreicher Kampfsportler und leitet jetzt den örtlichen Schützenverein. Seine Schwester Sabrina dagegen stand seinerzeit mit der Mutter in Ulm vor dem sportlichen Aus. Aufgeben freilich war für die pragmatisch-resolute Rollsport-Enthusiastin keine Option. Ihr Einsatz wurde belohnt. Die Alternative fand sich im wahrsten Sinne des Wortes naheliegend: Beim TSV Holzheim zeigte die Führung ein Herz für die heimatlose Randsport-Gruppe. „Macht einfach mal, haben sie mir gesagt“, beschreibt Ute Bischof die Reaktion auf ihre Anfrage, ihren Plan B sozusagen.
Und so haben sie es gemacht, allen neuen Problemen zum Trotz. Die Holzheimer Sporthallen haben nämlich nicht die Mindestmaße für den Wettkampfbetrieb. Deshalb trainieren die Kinder und Jugendlichen einmal pro Woche auch in Pfaffenhofen. „Der Begeisterung tut das keinen Abbruch“, freut sich die Abteilungschefin. Viele ihrer Schützlinge seien das Fahren ohnehin gewohnt, insbesondere die aus dem Allgäu oder dem Augsburger Raum. Das Rollsport-Angebot in der Region ist nämlich überschaubar, der nächste Klub findet sich in Nattheim bei Heidenheim.
Angebot in der Region ist überschaubar
Weite Strecken sind überdies zu den verschiedenen Wettbewerben zurückzulegen. Der Lohn für intensiven Übungsaufwand und viele Kilometer: Ab und zu ein Titel und immer wieder respektable Platzierungen. Aber nicht nur: „Unsere Mädchen und Jungs profitieren sehr vom Rollkunstlauf“, sagt Ute Bischof. Ob Pflicht- oder Kürübungen, der Sport fördere Gleichgewichtssinn und Geschicklichkeit, erfordere Koordination und Konzentration, nicht zuletzt auch Gefühl und Verständnis für Musik. Und stärke zudem das Selbstbewusstsein: „Sie lernen, sich ohne Scheu zu präsentieren.“
Was auch die Eltern zu schätzen wissen. Denn ganz billig ist dieser Sport nicht. Mit rund 400 Euro schlägt ein Paar Rollschuhe zu Buche. Dabei sei der Verschleiß durch Pirouetten und Sprünge der geringere Faktor: „Die Kinder wachsen einfach sehr schnell aus ihnen heraus.“ Aber auch dafür hat der Verein Bischof zufolge eine Lösung parat: „Gegen eine moderate Gebühr bieten wir Leihschuhe an.“
Interesse am Rollsport beim TSV Holzheim ist groß
Das Interesse am Rollsport sei jedenfalls wieder groß. „Corona hat Lücken gerissen“, bedauert die Abteilungschefin: „Aber wir haben jetzt wieder viele Neulinge gewonnen.“ Vorwiegend Mädchen zwar, „doch auch einige Jungs machen mit“. Ohne große Werbemaßnahmen übrigens, vielmehr gesteuert durch Mundpropaganda. Und motiviert nicht zuletzt durch das jährliche Rollschuh-Musical, Anfang April wieder in der Pfaffenhofener Sporthalle.
Bis dann eben mit dem Ende der Jugendzeit selbst die erfolgreichsten Talente eher notgedrungen ihr Sportgerät ausziehen, meist endgültig. „Uns fehlt eine Meisterklasse. Schule, Studium, Ausbildung oder Beruf fordern ihren Tribut“, erklärt Sabrina Bischof, 33.
Nur sie hat für den TSV Holzheim auch noch im Aktiven-Alter bemerkenswerte Erfolge erlaufen, unter anderem zehn Titel bei den Bayerischen Meisterschaften. „Aber der Trainingsaufwand dafür ist enorm“, weiß die Verwaltungsangestellte im Ulmer Landratsamt: „Das tut sich heute kaum noch jemand an.“ Für die Abteilung freilich sei der altersbedingte Schwund kein Problem: „Daran können wir nichts ändern, aber damit sind wir auch groß geworden.“
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden