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Fankultur: Was machen diese Menschen in der Zeit ohne Sport?

Fankultur

Was machen diese Menschen in der Zeit ohne Sport?

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    Die Bayern spielen gegen Real Madrid und eine Menschentraube fiebert vor der Leinwand mit – undenkbar in Zeiten der Corona-Krise.
    Die Bayern spielen gegen Real Madrid und eine Menschentraube fiebert vor der Leinwand mit – undenkbar in Zeiten der Corona-Krise. Foto: Horst Hörger

    Man wird ja noch träumen dürfen: Auf dem Stuhl bei Günther Jauch, und der stellt die Millionenfrage. Es geht um Fußball und hier um den FC Bayern München. Und man hat noch Gerhard aus Weißenhorn als Telefonjoker. Der würde wissen, dass im Pokalfinale 1984 gegen Mönchengladbach Michael Rummenigge den entscheidenden Elfer für die Bayern verwandelt hat. Aus reiner Gefälligkeit und ein bisschen aus Angeberei würde er Jauch zudem verraten, dass bei den Bayern zur zweiten Halbzeit Reinhold Mathy für Wolfgang Kraus eingewechselt wurde. Die Corona-Zeiten sind besonders harte Zeiten für Menschen wie Gerhard. Am 11. März hat sich der noch vermutlich aus purer Verzweiflung das Geisterspiel in der Champions-League zwischen Paris Saint-Germain und Dortmund angeschaut. Geisterspiel! Dortmund! Die Borussen werden vom Anhang der Bayern aufgrund ihrer Trikotfarbe gern auch als Biene Maja bezeichnet. Man muss halt Bayern-Fan sein, um die ganze Wucht dieser Pointe zu spüren. Spät am Abend ging diese Nachricht von Gerhard aus Weißenhorn beim Schreiber dieser Zeilen ein: „Sport ohne Zuschauer kannst doch in die Tonne kloppen.“ Aber immerhin. Man konnte damals als Bayern-Fan wenigstens noch im stillen Kämmerlein unter Schmerzen ein Dortmunder Geisterspiel gucken. Inzwischen geht nicht einmal mehr das und sie haben ein Problem – Menschen wie Gerhard aus Weißenhorn, deren Lebensrhythmus bisher nach dem Anpfiff des Kreisliga-Kicks, dem Beginn der Sportschau und den Abfahrtszeiten zu den Spielen des Lieblingsvereins in der Bundesliga getaktet war.

    Entzugserscheinungen beim Chef von Red-White Dynamite

    Roland Held leidet beispielsweise unter starken Entzugserscheinungen. Der Vorsitzende des Bayern-Fanclubs Red-White Dynamite aus dem Roggenburger Ortsteil Schießen gesteht: „Ich lese jede Fachzeitschrift, die ich in die Finger kriege.“ Manchmal kramt Held auch in seiner großen DVD-Sammlung und schaut sich dann ein Spiel seines FC Bayern München noch einmal an. Vorzugsweise die alten Sachen aus den Zeiten von Franz Beckenbauer, Gerd Müller und danach Lothar Matthäus. Später war Held ja meistens selbst vor Ort. Wenn schon als Zuschauer nichts geht, dann bleibt zudem als Ausweg die eigene sportliche Ertüchtigung. „Ich war seit langer Zeit nicht mehr so fit“, sagt der passionierte Läufer Held. Mit seinen Vorstandskollegen hat er zudem viel an organisatorischer Arbeit zu erledigen: Abbestellung von Bussen, Stornierung von Reisen, Vorbereitung des Heidewitzka-Fests im kommenden Jahr.

    Auch die fußballerische Liebe von Gerhard „Cino“ Sinove ist in München daheim, auch der stellvertretende Vorsitzende der Löwenfreunde Weißenhorn muss seit Wochen ohne seinen TSV 1860 München auskommen. Wie er das schafft? „Im Garten habe ich dieses Jahr schon alles erledigt. So früh wie noch nie. Jetzt kann ich nur noch warten und hoffen, dass es irgendwann weiter geht.“ Konserven sind für ihn keine Lösung: „Das Live-Erlebnis Fußball ist nicht zu ersetzen.“

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    Wer eher auf Basketball steht, der hat diverse Möglichkeiten, sich in der Zeit der Enthaltsamkeit zu beschäftigen: Die Telekom bietet bei Magenta-Sport Wiederholungen aus der Bundesliga und der Euroleague an, E-Sports dürfte eher nicht jederfans Sache sein. Marcus Heckenberger plant ohnehin in erster Linie für die Zeit nach Corona. Wenn in der Arena irgendwann endlich wieder das Licht angeht und die Spieler von Ratiopharm Ulm aufs Feld laufen – dann sieht der Chef des Fanclubs Fanattack sich und die anderen Anhänger gefordert, eine tolle Choreografie beizusteuern und ein Stück weit die alte Fankultur neu zu erfinden. Für Heckenberger ist die Pause nämlich auch eine Chance. Vieles hatte sich in den vergangenen Jahren eingeschliffen, die Anfeuerung war teilweise zur Routine geworden. Derzeit vermissen sie sich gegenseitig sehr, die Spieler und die Fans von Ratiopharm Ulm. Nach der Pause werden sie vermutlich wieder genau wissen, was sie aneinander haben.

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