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Basketball: Per Günther von Ratiopharm Ulm: „Profisportler sind privilegiert“

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Per Günther von Ratiopharm Ulm: „Profisportler sind privilegiert“

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    Die Corona-Krise und die Zukunft des deutschen Basketballs bringen auch Per Günther ins Grübeln. Aber der bekannt meinungsstarke Kapitän von Ratiopharm Ulm denkt natürlich über den sportlichen Tellerrand hinaus.
    Die Corona-Krise und die Zukunft des deutschen Basketballs bringen auch Per Günther ins Grübeln. Aber der bekannt meinungsstarke Kapitän von Ratiopharm Ulm denkt natürlich über den sportlichen Tellerrand hinaus. Foto: Horst Hörger

    Wie läuft während der Corona-Krise der Tag eines Profisportlers ab, Herr Günther?

    Per Günther: Ich stehe morgens ganz normal auf, ich erledige ein paar Dinge im Haushalt und spiele mit meinem Sohn Oskar. Dann nutze ich ein Online-Training, das die Freundin des früheren Nationalspielers Jan Jagla anbietet. Dehnungen und Flexibilität auf der Yogamatte, solche Sachen. Unser Athletiktrainer Sebastian Sieghart hat uns Spielern ebenfalls einen individuellen Trainingsplan für zu Hause zusammengestellt. Aber ich muss ganz klar sagen: Das alles ist kein Training in der Form, dass ich morgen wieder unter Wettkampfbedingungen Basketball spielen könnte.

    Von morgen kann ja keine Rede sein. Die Liga hat dieser Tage beschlossen, den Spielbetrieb weiterhin bis mindestens 30. April auszusetzen. Wie beurteilen Sie diese Maßnahme?

    Günther: Ich kenne die Mechanismen im Profisport und kann die Entscheidung deswegen nachvollziehen. Die Verträge mit Spielern und Sponsoren laufen weiter, deswegen versucht man natürlich alles, um die Saison irgendwie zu retten. Für uns Spieler ist das eine komische Situation. Wir hätten lieber Klarheit, aber derzeit gibt es eben keine Klarheit und deswegen verstehe ich wie gesagt diese Entscheidung.

    Alle Ausländer von Ratiopharm Ulm sind inzwischen zu ihren Familien zurückgekehrt. Gibt es unter diesen Umständen noch so etwas wie einen Teamgeist?

    Günther: Den spüre ich immer noch. Wir haben ja vor den Schließungen der Hallen zumindest in kleinen Gruppen weitertrainiert und eine Situation wie die derzeitige hat auch von uns niemand jemals erlebt. So etwas schweißt durchaus zusammen.

    Viele Profifußballer verzichten in der Corona-Krise auf einen Teil ihrer Gehälter, um ihre Vereine zu unterstützen, die Spieler und die Trainer von Ratiopharm Ulm tun das nun ebenfalls. Wie schwer fällt so etwas im Basketball, wo ja deutlich weniger Geld verdient wird und wo die Verträge meist eine recht kurze Laufzeit haben?

    Günther: Basketballspieler ticken da sicher unterschiedlich. Ich bin beispielsweise 32 Jahre alt und ich habe praktisch meine gesamte Profikarriere in Ulm verbracht. Ein 24-jähriger Spieler, der vielleicht schon zwei Kinder hat, dessen Lebens- und Finanzplanung durch die Corona-Krise ins Wanken gerät und der ahnt, dass sein Verein in der nächsten Saison sowieso nicht mehr mit ihm plant, der wird möglicherweise anders denken. Aber ich bin prinzipiell davon überzeugt, dass wir auch im Basketball noch viel von Gehaltsverzicht hören werden. Wir sind schließlich alle daran interessiert, dass es auch künftig eine Bundesliga gibt.

    Wird die dann noch mit 17 oder gar wieder mit 18 Mannschaften spielen? Oder gehen einige Vereine in der Krise zugrunde?

    Günther: Also diesbezüglich bin ich sehr zuversichtlich. Ich denke, dass beispielsweise die italienische und die spanische Liga viel größere Probleme kriegen werden. Die deutsche Bundesliga wird gerade bei ausländischen Profis schon seit vielen Jahren für die finanzielle Sicherheit geschätzt. Hinzu kommt das hervorragende Gesundheitssystem in Deutschland. Das sind Faktoren, die nach dem Corona-Schock vermutlich noch weiter an Bedeutung gewinnen werden.

    Lesen Sie auch: Basketball-Bundesliga setzt den Spielbetrieb weiter aus

    Wir haben bereits über freiwilligen Gehaltsverzicht geredet. Was ist mit unfreiwilligem Verzicht? Anders gefragt: Wird sich der Basketball und der Profisport insgesamt in Deutschland und weltweit auf einem niedrigeren finanziellen Niveau neu sortieren?

    Günther: Das ist meines Erachtens jetzt schon in Stein gemeißelt. Es gibt viele Sponsoren, die müssen jetzt zuerst an ihre Belegschaft denken und ans Überleben ihrer Unternehmen. Ich bin mir sicher, dass wir uns auch weiterhin auf unsere Partner und Sponsoren verlassen können. Aber ich gehe davon aus, dass die Etats in allen Sportarten reduziert werden. Ich selbst bin in meinem Alter ja nicht mehr so hart betroffen, andere Spieler dürfte es deutlich stärker treffen, wenn sie fünf oder sechs Monate lang kein Geld mehr verdienen können. Aber Profisportler sind ja privilegiert. Das gilt für Fußballer sowieso, aber auch für Basketballer. Man denke beispielsweise an Ruderer, die nicht weniger hart trainieren, um an Olympischen Spielen teilnehmen zu dürfen. Die leben größtenteils von der Sporthilfe. Und damit haben wir noch gar nicht über andere Berufsgruppen geredet. Etwa über die Angestellten unserer Geschäftsstelle, die in Kurzarbeit sind. Oder gar über Pflegekräfte oder Polizisten, deren Arbeit in der Krise unverzichtbar ist.

    Sie werden in wenigen Tagen zum zweiten Mal Vater. Machen Sie sich Sorgen, dass Ihre Kinder in einer anderen Welt aufwachsen werden als in der, die wir bisher gekannt haben?

    Günther: Ich mache mir als Vater auf jeden Fall Gedanken und das nicht erst seit der Corona-Krise. Andere Themen treten derzeit ja sehr in den Hintergrund. Ich erinnere nur an den Klimawandel, der die Welt in den kommenden Jahrzehnten extrem verändern und die Menschheit vor gewaltige Herausforderungen stellen wird.

    Eine Frage noch zum Sport: Erhöht die Corona-Krise die Wahrscheinlichkeit, dass Per Günther auch in der nächsten Saison noch für Ratiopharm Ulm in der Basketball-Bundesliga spielt?

    Günther: Nach mehreren Monaten ohne extreme körperliche Belastung werde ich wahrscheinlich so gesund sein wie seit Jahren nicht mehr. Und ich will natürlich meine Karriere nicht mitten in einer wegen der Corona-Krise unterbrochenen und vielleicht irgendwann abgebrochenen Saison beenden. Also klare Antwort: Ja. Mein Plan ist es auf jeden Fall, weiterzuspielen.

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