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Interview: Projektmanager von Ratiopharm Ulm zum E-Sports: "Das ist für mich eine Sportart"

Interview

Projektmanager von Ratiopharm Ulm zum E-Sports: "Das ist für mich eine Sportart"

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    Ein Foto der "League of Legends"-WM in Frankreich. Auch in Neu-Ulm wird es ein Turnier geben.
    Ein Foto der "League of Legends"-WM in Frankreich. Auch in Neu-Ulm wird es ein Turnier geben. Foto: Benedikt Wenck/dpa

    Seit etwas über einem Jahr gibt es das E-Sports-Team von Ratiopharm Ulm, das Wettkampf-mäßig in der Basketball-Simulation NBA2K antritt. Am Wochenende steht in der Neu-Ulmer Ratiopharm-Arena der "Winter-Cup" an, ein "League of Legends"-Turnier, zu dem 2500 Zuschauer erwartet werden. Zeit, nach der Lage des E-Sports in der Region zu schauen. Darius Zähringer kümmert sich bei Ratiopharm Ulm als Projektmanager um den E-Sports. Er kennt die Vorurteile, die über die Szene herrschen.

    Herr Zähringer, als Projektmanager im E-Sports sind Sie doch bestimmt ständig am Zocken. Wann haben Sie das letzte Mal gespielt
    Darius Zähringer:Gestern Abend (lacht). Es ist eine Freizeitbeschäftigung und eine Möglichkeit, mit alten Freunden in Kontakt zu bleiben.

    Das Spielen gehört nicht nur für Sie zum Alltag, besonders auch für Jüngere. Warum möchte Ratiopharm Ulm mit seinem E-Sports-Team Teil dieses Alltags sein?
    Zähringer: Als Klub ist es einfach ein sehr interessantes Thema. Auf der einen Seite ist es eine Zielgruppenfrage und es geht darum, die Jungen zu erreichen, die schwer anzusprechen sind. Das gilt für Zeitungen und andere klassische Medien wie dem Fernsehen, weshalb auch Prosieben oder Sport1 eigene E-Sports-Sparten gegründet haben. Auf der anderen Seite sieht man auch gewisse Überschneidungen beim Sport und dem E-Sports: Die Begeisterung, Arenen und Stadien zu füllen. Außerdem wollen wir auch immer Vorreiter sein. Pioniergeist, das gehört zu unserer Identität.

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    Und weil Sie den jungen Menschen ein Begriff sein wollen.
    Zähringer: Ja. Das ist auch ein Thema. Letztlich ist es ja ein Ziel, diese Menschen zu Fans von Ratiopharm Ulm zu machen und sie als Brückenschlag zum Basketball zu bringen. Und wichtig: Sie nicht einfach nur an den E-Sports zu verlieren.

    Das Ulmer E-Sports-Team gibt es jetzt seit etwas über einem Jahr. Wo steht die Sparte gerade?
    Zähringer: Ich würde sagen, dass er sich bei uns intern etabliert hat und wir uns wiederum in der NBA2K-Szene etabliert haben (NBA2K ist die Basketballsimulation, in der die Ulmer antreten, Anm. d. Red.). Wir sehen uns als eines der starken Teams im deutschsprachigen Raum und im erweiterten Kreis in Europa. Andere E-Sports Bereiche sind für uns noch absolutes Neuland.

    Ihre Spieler spielen ehrenamtlich, bekommen von ihnen aber die Ausrüstung gestellt. Im E-Sports gibt es auch schon Profis. Verdient Ratiopharm Ulm Geld mit dem virtuellen Sport wie es andere Klubs schon im großen Stil tun?
    Zähringer: Wir sind aktuell nicht groß kommerzialisiert. Da sind wir noch am Lernen.

    Kürzlich gab es eine Live-Übertragung des Spiels „League of Legends“ im Ulmer Xinedome und dem Neu-Ulmer Dietrich-Theater. Beide Veranstaltungen waren ausverkauft. Am Samstag gibt es ein Turnier in der Ratiopharm-Arena. Die Veranstalter gehen von 2500 Zuschauern aus.
    Zähringer: Um zu verstehen, wie populär das ist, muss man sehen: So eine Veranstaltung dauert fünf Stunden mit allem drum und dran. In den Kinos verbrachten Leute ihren ganzen Sonntagnachmittag und das waren Leute, die dazu bereit sind, Geld für etwas auszugeben, das sie zuhause gratis sehen können. Das ist schon eine Besonderheit.

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    Für Neu-Ulmer Verhältnisse sind solche Events neu. Ist die Region erst am Anfang der Begeisterung?
    Zähringer: Für den E-Sports insgesamt würde ich sagen: ein klares Ja. Ganz einfach, weil jede nachfolgende Generation von E-Sports-Fans größer ist als die Generation davor. Ob das heißt, dass wir die Arena in zwei Jahren so voll machen wie mit Basketball weiß ich nicht. Undenkbar ist es nicht.

    Wie sieht es in der Region mit dem E-Sports aus?
    Zähringer: Da ist vieles noch im Aufbau. Hier gibt es etwa die „Sparrows“, eine Hochschulgruppe der Uni Ulm. Wenn man etwas weiter schaut, gibt es „eSport Rhein Neckar“, der VfB Stuttgart hat eine E-Sports-Abteilung und München sowieso. Ich glaube aber, dass der E-Sports in Deutschland noch eine größere Rolle vor sich hat. Andere Länder sind da schon viel weiter.

    Hier kämpft der E-Sports ja noch um seine Anerkennung von staatlicher Seite. Es dreht sich viel um die Frage, ob er als Sport anerkannt wird. Ziel ist die Gemeinnützigkeit, die den E-Sports Förderung zukommen lassen würde. Hemmt diese Diskussion die Szene in Deutschland?
    Zähringer: Ich würde es trennen. Es gibt dabei zwei Dimensionen: Die eine ist das Thema Anerkennung als Sport, die andere ist das Thema Gemeinnützigkeit. Es wird gerne behauptet, dass beide aneinander hängen. Das stimmt nicht. Man kann auch als Hobbyfunker gemeinnützig sein, dabei geht es auch nicht um Sport. Das Thema Gemeinnützigkeit ist definitiv ein Hemmschuh für Vereine, E-Sports anzubieten.

    Viele Sportvereine haben aber auch Bedenken, die jungen Leute so vom Sportplatz zu holen.
    Zähringer: Klar, wir wollen ja auch nicht, dass die Leute weniger Sport machen. Aber das Thema Gaming und Jugendkultur zu integrieren ist meiner Meinung nach sehr sinnvoll und würde den Vereinen definitiv helfen, weil es die jungen Leute bei den Dingen abholt, die ihnen wichtig sind. So könnten die Vereine diese Menschen dann an etwas führen, das wichtig ist: Sport und Teamgeist.

    Zum Thema: Yannic Bederke startet als E-Sportler für den FCA in die neue Saison

    Das heißt für das Thema Gemeinnützigkeit?
    Zähringer: Dass es sehr sinnvoll wäre, diese dem E-Sports zuzugestehen.

    Wäre es auch für Ratiopharm Ulm wichtig, dass der E-Sports als gemeinnützig anerkannt wird?
    Zähringer: Für uns ist es nicht entscheidend, weil wir uns im Profibereich bewegen. Es würde uns aber mehr Chancen geben, den E-Sports auch im Verein mit einzubringen.

    Die Bundesregierung hat in den Koalitionsvertrag geschrieben, den E-Sports zu fördern, die Entscheidung zur Gemeinnützigkeit aber an den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) weitergegeben, der die Förderung nur herausrückt, wenn er den E-Sports als Sport anerkennt. Was er nicht tut.
    Zähringer: Und genau darum geht es in der Diskussion: um Anerkennung. Wenn ich beispielsweise sage: Ich kann abends nicht mitkommen zum Feiern, weil ich einen Wettkampf habe, zum Beispiel im Tanzen. Dann bin ich vor blöden Sprüchen wohl erst mal sicher. Wenn ich sage, ich habe einen E-Sports-Wettkampf, würde ich wahrscheinlich ausgelacht werden. Das ist das Thema gesellschaftliche Anerkennung.

    Und nur einer der Gründe, aus denen sich der DOSB sträubt.
    Zähringer: Die Argumentationen des DOSB lassen schon Lücken. Tischkicker gilt beispielsweise als Sport. Da zu behaupten, dass die Drehbewegung beim Kicker viel sportdefinierender ist als die Hand-Augen-Koordination eines E-Sportlers, das ist schon fragwürdig.

    Womit tut sich der DOSB so schwer?
    Zähringer: Ich glaube, dass er eine Grundhaltung vertritt, die erst mal auch nachvollziehbar ist: Er will den E-Sports nicht als Sport einstufen, während sich immer mehr Menschen vom Sport abwenden wegen Computern, Smartphones und Co. Ich glaube aber, dass damit auch verkannt wird, dass bloßes Ignorieren und Abwiegeln solcher kulturellen Veränderungen noch nie geholfen hat. So ignoriert man auch die Chancen, die dahinterstehen. Meiner Meinung nach hat der DOSB hier Angst, eine gesellschaftliche Veränderung zu unterstützen, die ihm ja auch nachvollziehbarer Weise nicht passt.

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    Das Thema „Killerspiele“ ist ein anderer Punkt in der Argumentation des DOSB, während er Kampfsportarten wie das Boxen seit Jahren anerkennt. Beim Schießen halten Sportler keine virtuelle Waffe in der Hand, sondern eine reale. Wie passt das zusammen?
    Zähringer: Gar nicht. Ich verstehe die emotionalen Ressentiments gegen die sogenannten Killerspiele. Da verurteile ich auch niemanden. Gerade für Menschen, die keine Berührungspunkte mit Videospielen haben ist es wahrscheinlich erst mal anstößig, dass da junge Menschen virtuell mit einem Maschinengewehr durch die Gegend ballern. Trotzdem hat das mit konsistenter Argumentation des DOSB nichts mehr zu tun. Besonders dann, wenn man an Kampfsport und Schützenvereine denkt. Das Thema wurde ja auch in vielen Studien schon untersucht und ich kenne keine, die einen Zusammenhang zwischen Gewalt und Videospielen sieht.

    Trotzdem kommt das Thema in der Diskussion immer wieder auf.
    Zähringer: Wie geht es denn zusammen, zu sagen: Das ist ein Killerspiel und kann kein Sport sein, während man als Sport bezeichnet, im Sprung jemandem mit voller Wucht gegen den Kopf zu treten? Die Argumentation des DOSB lautet, dass ein K.O.-Schlag im Boxen nichts mit Gewalt zu tun hat, sondern einen sportlichen Wettkampf darstellt. Gleichzeitig kritisiert er aber virtuelle Gewalt in virtuellen Welten. Ich habe selbst Kampfsport gemacht und finde Kampfkunst eine ganz tolle Sache, aber diese Argument ist sehr fragwürdig.

    Ist Ihrer Meinung nach E-Sports ein Sport?
    Zähringer: Ja. Ich würde zu keinem Zeitpunkt behaupten, dass E-Sports vergleichbar ist mit einem Marathon. Aber E-Sports ist für mich verankert in der Kategorie „Denk- und Präzisionssport“. Die Hand-Augen-Koordination eines E-Sportlers ist jenseits jeglicher Vorstellungen. Das ist eine unfassbare motorische Leistung, gekoppelt an eine hohe Denkleistung wegen der großen Komplexität, die die meisten Videospiele mitbringen. Das ist für mich eine Sportart.

    Das ist der "Winter Cup" in der Neu-Ulmer Ratiopharm-Arena

    Das Videospiel „League of Legends“ (LOL) gehört zu denjenigen, deren Turniere am besten besucht werden und dessen Spieler teils Star-Status genießen. Am Samstag, 30. November, ist eines dieser Turniere zu Gast in der Neu-Ulmer Ratiopharm-Arena: der „Winter Cup“, das Finale der „Premier Tour“. Sie ist das größte Turnier für Teams aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Dabei ist zum Beispiel das Team von Schalke 04. Auf das Gewinnerteam im Fünf-gegen-Fünf warten 20.000 Euro Preisgeld. Tickets gibt es online unter www.eventbrite.de. Einlass ist um 10 Uhr, die Veranstaltung beginnt um 12 Uhr und endet um 20 Uhr.

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