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Fußball: Verlorene Zeit? Wenn Nachwuchsfußballer wegen Corona nicht spielen dürfen

Fußball

Verlorene Zeit? Wenn Nachwuchsfußballer wegen Corona nicht spielen dürfen

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    Sich einen Ball zu schnappen und irgendwo alleine an seiner Technik zu feilen ist derzeit die einzige Möglichkeit für Nachwuchsfußballer, am Ball zu trainieren.
    Sich einen Ball zu schnappen und irgendwo alleine an seiner Technik zu feilen ist derzeit die einzige Möglichkeit für Nachwuchsfußballer, am Ball zu trainieren. Foto: Julian Stratenschulte, dpa (Symbolfoto)

    Der SSV Ulm 1846 Fußball möchte eine Topadresse für junge Spieler sein, die den Traum haben, selbst Profi zu werden. Wie soll das aber klappen, wenn die Corona-Pandemie Training und Spiele unmöglich machen? Wenn Nachwuchsfußballer gezwungen sind, den Großteil ihrer Zeit in der Wohnung zu verbringen? Das kann Marcel Serban erzählen.

    Marcel Serban spielt für die U16 des SSV Ulm.
    Marcel Serban spielt für die U16 des SSV Ulm. Foto: SSV Ulm 1846 Fußball

    Der SSV Ulm hat trotz der Dellen in seiner Geschichte oft gezeigt, dass er für Fußballer ein Karrieresprungbrett sein kann. Für Trainer wie Ralf Rangnick und Marcus Sorg galt das, oder für Spieler wie Mario Gomez und Loris Karius. Heute spielt der Klub in der vierten Liga, langfristig soll mindestens Liga drei die Heimat der Spatzen werden. Als Unterstützung setzen die Verantwortlichen auf die Jugend und orientieren sich beim geplanten Nachwuchsleistungszentrum etwa beim Zweitliga-Nachbarn Heidenheim. Eine junger Nachwuchsfußballer ist Marcel Serhan.

    Der 15-Jährige spielt in der U16 des SSV, die – wenn der Spielbetrieb liefe – in der Verbandsstaffel antritt. Seit der U8 gehört er zu den Ulmern, eine Zeit wie gerade hat er noch nie erlebt – was für den Großteil der Weltbevölkerung gelten dürfte. Seit fast einem Jahr ruht der Amateurfußball, unterbrochen nur von einer mehrwöchigen Phase im Sommer, als viele hofften, das Schlimmste wäre überstanden und dass es weitergehen könne auf dem Fußballfeld. Es kam anders. „Mittlerweile habe ich mich schon ein bisschen daran gewöhnt, aber die kurze Zeit im Sommer fehlt mir schon“, erzählt Serban. Der Ulmer vermisst den Fußball und den Spaß, den er macht.

    Zwischen Homeschooling und Athletik-Übungen: Nachwuchsfußballer erzählt

    Für ihn sieht ein normaler Tag unter der Woche so aus: Von acht bis 13 oder manchmal 15 Uhr hat der Schüler des Anna-Essinger-Gymnasiums Homeschooling, danach geht es an die Hausaufgaben und dann folgt der sportliche Teil des Tages. Marcel Serban und seine Teamkollegen haben von ihrem Trainerteam Übungen an die Hand bekommen. Über eine Plattform können sich die Nachwuchskicker diese herunterladen. Allerdings geht es in den Einheiten in der Regel um die Athletik und die Ausdauer. Am Ball zu trainieren ist schwierig, wenn man nicht gerade einen Garten hat oder wie Serban einen Bolzplatz um die Ecke. Samstags schnappt er sich einen Fußball, geht alleine auf den Platz und arbeitet eine halbe Stunde lang an seiner Technik.

    Das war ein Höhepunkt in der sportlichen Karriere des SSV Ulm:

    Er sagt, die Übungen seien anspruchsvoll und würden ihm auf jeden Fall helfen, fit zu bleiben und dann direkt durchstarten zu können, wenn es irgendwann mal wieder weitergeht. Sein nächstes Ziel im Fußball ist der Sprung in die Ulmer U17, die in der Oberliga spielt. Und natürlich hätte er auch nichts dagegen, in wenigen Jahren für die U19 in der Bundesliga anzutreten. Serban hat ehrgeizige Ziele und sieht die aktuelle Zeit weniger als Problem, sondern vielmehr als Chance, mit Engagement an seinen Schwachpunkten zu arbeiten und das vielleicht ein kleines bisschen besser zu machen als andere.

    Auch dieser Sieg über Frankfurt bleibt vielen Fans in Erinnerung:

    „Ich glaube, wenn ich dranbleibe, und an meiner Leistung arbeite, habe ich vielleicht einen Vorteil gegenüber anderen und kann meine Ziele so erreichen.“ Von einem verlorenen Jahr möchte er deshalb nicht sprechen: „Das würde ich so nicht sagen. Die Hinrunde der vergangenen Saison lief ja ganz normal – entwickeln konnte ich mich also trotzdem. Und ich habe meine Ernährung und Athletik stark verbessert.“

    Gibt es einen Nachwuchsmangel im Fußball?

    Ulms Nachwuchsfußballer kriegen also das Rüstzeug, um sich alleine fit zu halten, die Wettkampfpraxis und taktische Schulungen bleiben so aber auf der Strecke. „Natürlich fehlt ihnen das Training“, erklärt Dieter Märkle, Leiter der SSV-Nachwuchsabteilung. „Die verloren gegangene Zeit ist nur schwer aufzuholen.“ Zwar versuchten er und seine Kollegen alles, um die jungen Fußballer zu unterstützen, „auf Dauer ist das aber nicht machbar“.

    Dieter Märkle ist Leiter der SSV-Nachwuchsabteilung.
    Dieter Märkle ist Leiter der SSV-Nachwuchsabteilung. Foto: SSV Ulm 1846

    Dazu kommt das Problem, dass das Sichten neuer Talente derzeit nicht möglich ist. Das ist schlecht für die Vereine, weil so neue Kicker fehlen und es ist schlecht für die Spieler selbst, die sich nicht präsentieren können, um von anderen, womöglich höherklassigeren, Klubs verpflichtet zu werden.

    Und auch um den Nachwuchs gibt es Bedenken. Vereine verlieren Mitglieder und die Zahl der Neuanmeldungen schrumpft. Dieter Märkle schränkt aber ein: „Ich glaube nicht, dass das eine riesige Gefahr wird.“ Es sei zwar generell möglich, dass der SSV „den ein oder anderen Spieler“ verliere, dramatisch sei die Lage aber nicht. Auch das fehlende Scouting sei zwar schwierig, erklärt der Nachwuchsleiter. Zurzeit sei es aber wichtiger, den eigenen Spielern gerecht zu werden. Spielern wie Marcel Serban eben.

    Viermal pro Woche hätte er in normalen Zeiten Training, dazu die Spiele an den Wochenenden. Da geht das Sportliche flöten und das Zwischenmenschliche, der Kontakt zu den Mitspielern und Trainern. Auch das ist gerade nur digital möglich. Wie lange, das steht noch in den Sternen.

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