Es ist schon sehr ungewöhnlich, dass bei der Präsentation des Co-Trainers eines Viertligisten gleich das polizeiliche und tadellose Führungszeugnis des Neuen an die anwesenden Pressevertreter verteilt wird. Beim Regionalligisten SSV Ulm 1846 Fußball war das am Montagmittag aber gut durchdacht. Mit Maximilian Knauer stellten die Spatzen den neuen Assistenten von Chefcoach Thomas Wörle vor. Eine durchaus brisante Personalie.

Knauer musste seinen Traum von der Profikarriere früh begraben. Eine schwere Knieverletzung hinderte ihn daran, den Sprung nach oben zu schaffen. Nach seiner aktiven Zeit, unter anderem beim TSV 1860 München, FC Ismaning, TSV Buchbach und VfR Garching, arbeitete er einige Jahre als Jugendtrainer beim FC Bayern München – mittlerweile auch mit A-Lizenz, der höchsten Stufe der Trainerausbildung. Im Sommer 2020 wurde er aber im Zuge eines Rassismus-Skandals im Nachwuchsleistungszentrums des Bundesligisten entlassen. Auch der Nachwuchskoordinator und zwei weitere Mitarbeiter mussten damals gehen. In einer Chat-Gruppe, zu der auch Knauer gehörte, sollen rassistische Äußerungen getätigt, entsprechende Bilder geteilt und mit Smileys versehen worden sein. Im April 2021 wurde Knauer schließlich als neuer U17-Trainer beim 1. FC Nürnberg vorgestellt. Die Verpflichtung sorgte im Umfeld für riesiges Aufsehen, Sportvorstand Dieter Hecking machte sie zwei Wochen nach der Bekanntgabe wieder rückgängig.

Mehrfach war Co-Trainer Knauer zu Gesprächen in Ulm

Beim SSV Ulm 1846 Fußball beteuert man, sich intensiv mit Knauers Vita beschäftigt zu haben. Mehrfach war der 32-Jährige zu gemeinsamen Gesprächen in Ulm, in deren Verlauf auch die Vergangenheit gemeinsam aufgearbeitet worden sei. Vereinsvorstand Thomas Oelmayer sagt: „Jeder hat eine zweite Chance verdient. Wer Max kennenlernt, stellt unschwer fest, dass rassistische Gedanken ihm grundfremd sind. Das kommt auch darin zum Ausdruck, dass er 2016 und 2017 beim FC Bayern München Trainingseinheiten für Flüchtlinge organisiert hat.“ Man habe sich bei der Entscheidung, den 32-Jährigen als Co-Trainer zu verpflichten, viel Zeit gelassen, in allen Vereinsgremien darüber diskutiert. „Jetzt handeln wir aus Überzeugung heraus“, meint Oelmayer.

Dass die Personalie im Umfeld bei Sponsoren und Fans durchaus auch kritisch gesehen werden könnte, ist den Verantwortlichen der Spatzen bewusst. Oelmayer sagt: „Es kann zu Debatten führen, ja. Aber wir stehen dazu und finden es richtig.“

Knauer entschuldigt sich für "naiven Fehler" während der Zeit beim FC Bayern

Knauer selbst schien bei der Vorstellungsrunde im Donaustadion froh darüber, die Möglichkeit zum persönlichen Neustart zu bekommen. Der 32-Jährige wirkte zutiefst reumütig und sagte: „Ich hatte bislang leider nicht die Chance, mich selbst zu den Vorfällen zu äußern. Es tut mir wahnsinnig leid, dass ich auf entsprechende Nachrichten damals falsch reagiert habe. Es war keine bewusste Handlung, sondern ein naiver Fehler. Ich entschuldige mich bei allen, die ich damit verletzt habe.“ Zu keiner Zeit sei er fremdenfeindlich, vielmehr habe er unter anderem auch Fußballcamps für benachteiligte Kinder auf Bali organisiere.

„Die Werte des Vereins trage ich zu 100 Prozent mit“, sagte Knauer. Um diesen Worten noch mehr Ausdruck zu verleihen, unterschrieb der Co-Trainer das Leitbild der Spatzen gegen Gewalt, Diskriminierung und Extremismus. Darin heißt es unter anderem: „Keine andere Sportart ist weltweit so völkerverbindend wie der Fußball.“ Die 13 Jugendmannschaft des SSV seien das beste Beispiel für erfolgreiche Integration von Migranten in Ulm und Umgebung.

Knauer erhält beim SSV Ulm einen Vertrag bis 30. Juni 2023

An seinem ersten Arbeitstag hatte Knauer also erst einmal reichlich damit zu tun, Werbung in eigener Sache zu betreiben. Mit seiner Verpflichtung ist das Trainerteam der Spatzen nun komplett, Knauer erhält einen Vertrag bis zum 30. Juni 2023. Sport-Geschäftsführer Markus Thiele ist überzeugt von den sportlichen Qualitäten des Neuen: „Max ist ein absoluter Fachmann. Beim FC Bayern hat er gezeigt, dass er mit jungen Spielern arbeiten und diese entwickeln kann.“ Er passe perfekt an die Seite von Chefcoach Wörle und vertrete dieselbe Fußball-Philosophie.

Diskutieren Sie mit
0 Kommentare
Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden