Startseite
Icon Pfeil nach unten
Neu-Ulm
Icon Pfeil nach unten
Lokalsport
Icon Pfeil nach unten

Basketball-Pokal: Ratiopharm Ulm verliert Pokalschlacht gegen Bayern München

Basketball-Pokal

Ratiopharm Ulm verliert Pokalschlacht gegen Bayern München

    • |
    Ob Patrick Heckmann diesen Vladimir Lucic mag? Man weiß es nicht. Immerhin umarmt er ihn und es ist davon auszugehen, dass der Ulmer Basketballprofi dem Kapitän von Bayern München mit professionellem Respekt begegnet.
    Ob Patrick Heckmann diesen Vladimir Lucic mag? Man weiß es nicht. Immerhin umarmt er ihn und es ist davon auszugehen, dass der Ulmer Basketballprofi dem Kapitän von Bayern München mit professionellem Respekt begegnet. Foto: Tobias Hase/dpa

    Man wird außerhalb von München kaum jemanden in Basketball-Deutschland finden, der diesen Vladimir Lucic mag. Diesen stets mürrisch wirkenden Serben, der auch nach leichten Berührungen so gerne fällt. Man muss ihn ja auch nicht gleich mögen. Aber jeder, der sich mit dieser Sportart beschäftigt, wird den Kapitän des FC Bayern München in hohem Maße respektieren. Weil es eben oft Vladimir Lucic ist, der in den ganz engen Spielen den Unterschied ausmacht. So auch in der epischen Halbfinal-Schlacht um den deutschen Pokal, in der sich die bravourös kämpfende Mannschaft von Ratiopharm Ulm den Bayern erst nach zwei Verlängerungen mit 102:104 geschlagen gab.

    Lucic hatten es die Bayern schon in erster Linie zu verdanken, dass sie sich in die erste Zusatzschicht retten konnten. Die letzten Aktionen in der regulären Spielzeit gingen fast ausnahmslos auf sein Konto: Dreier, Freiwurf, Block gegen Troy Caupain, Spielstand 84:84 und weitere fünf Minuten. Erneut sahen die Ulmer wie der Sieger aus, doch diesmal gab es eine dieser bereits erwähnten Schiedsrichter-Entscheidungen pro Lucic. Angebliches oder tatsächliches Foul von Cameron Clark beim Dreier, also drei Freiwürfe und natürlich waren die alle sicher drin. Spielstand somit 91:91 und weiter ging es.

    Erst in der zweiten Verlängerung ging Ratiopharm Ulm dann anscheinend tatsächlich die Puste aus. Genau 26 Sekunden vor dem Ende hieß es 104:96 für den hohen Favoriten, die Schlacht schien geschlagen, der Sieger ermittelt. Aber die Ulmer fanden tatsächlich noch einmal einen Weg zurück in dieses Spiel: Zwei Freiwürfe von Aric Holman, ein Dreier des schlaksigen Amerikaners hinterher, ein Treffer von Andreas Obst von der Linie: Spielstand also nur noch 104:102 für die Bayern und somit ein „one possession game“. So nennen Basketballer ein Spiel, das mit einem Angriff gedreht werden kann und genau diese Chance schenkte Bayern-Center Leon Radosevic den Ulmern sechs Sekunden vor Schluss mit zwei Freiwurf-Nieten. John Petrucelli probierte es noch von draußen, der Ball prallte vom Ring ab und das Drama war tatsächlich beendet.

    Mehrere Ausfälle bei Ratiopharm Ulm

    Es ist für die Ulmer ein schwacher Trost, aber sie haben sich an diesem Nachmittag die Hochachtung der kompletten Fachwelt verdient und sie können mit ganz breiter Brust in die Play-off-Spiele gegen Oldenburg gehen – auch wenn es personell trotz des großen Kaders allmählich eng wird. Per Günther fehlte wegen seiner Ellbogen-Verletzung auch im Pokal und Thomas Klepeisz saß ebenfalls nur auf der Bank, den rechten Arm in einer Schlinge. Sein Sportdirektor Thorsten Leibenath hält es für „wenig wahrscheinlich“, dass Klepeisz in dieser Saison noch einmal zurückkommt. Zumindest im Pokal fehlten also gleich zwei Spieler für die Position des Pointguards. Den Großteil der Arbeit im Spielaufbau erledigte Troy Caupain, ein bisschen Unterstützung bekam er vom Drittligaspieler Marius Stoll und von Andreas Obst.

    Das erste Pokalturnier wurde abgesagt

    Umso bemerkenswerter ist die Moral der Ulmer, die nach einem 36:49-Rückstand zur Halbzeit tatsächlich zurückkamen. Die Einschätzung von Thorsten Leibenath, dass so etwas schon noch aufzuholen ist, dürften zur großen Pause nicht viele Beobachter geteilt haben. Aber Ulm hat eben zumindest in dieser Saison noch einen Andreas Obst, der im Audi-Dome sechs Dreier traf und vor allem hat Ulm einen Troy Caupain, der sich einmal mehr in absoluter MVP-Verfassung präsentierte: 24 Punkte, elf Rebounds und damit bester Spieler seiner Mannschaft auch in dieser Statistik, dazu fünf direkte Korbvorlagen. Das Ende des Spiels erlebte Caupain nach seinem fünften Foul nur noch von der Bank aus – ebenso wie sein Mannschaftskamerad Dylan Osetkowski und ebenso wie bei den Bayern Wade Baldwin, Jalen Reynolds, Jajuan Johnson und Zan Sisko. Sie alle sind ersetzbar – Troy Caupain ist es nicht.

    Es war auch nach zwei Verlängerungen noch nicht ganz vorbei. Das Pokaldrama zwischen Ratiopharm Ulm und Bayern München hatte tatsächlich einen weiteren Akt. Der spielte sich am grünen Tisch ab und er ging am Samstag erst kurz vor Mitternacht zu Ende – ebenfalls mit einem für die Ulmer unbefriedigenden Ergebnis.

    Was war passiert? Kurz vor dem Ende der zweiten Verlängerung kassierte der Bayern-Spieler Wade Baldwin das fünfte Foul, damit hätte er eigentlich sofort vom Feld gemusst. Das Kampfgericht merkte zunächst nichts, Baldwin blieb deswegen noch etwas länger als eine Sekunde drauf und ging erst dann. Die Ulmer legten Protest gegen die Wertung der Partie ein, der wurde Stunden später nach langen Beratungen der Liga zurückgewiesen. Der Ulmer Geschäftsführer Thomas Stoll kommentierte dieses Urteil so: „Die Entscheidung war zu erwarten. Allerdings sind wir keine Breitensportveranstaltung. Das ist eine Pokalendrunde und da erwartet man von allen Spielbeteiligten eine andere Leistung. Die Entscheidung ändert nichts daran, dass wir uns benachteiligt fühlen.“

    Diese Benachteiligung lässt sich an Zahlen oder Fakten schwer festmachen. Baldwin hatte in den fraglichen anderthalb Sekunden keine Aktion mehr, im Prinzip war er Zuschauer bei zwei Freiwürfen, von denen Andreas Obst einen traf, sowie beim anschließenden Foul von Aric Holman an Leon Radosevic beim Rebound. Dann fiel allen Beteiligten auch schon auf, dass dieser Baldwin eigentlich schon auf der Bank hätte sitzen müssen. Trotzdem bietet so etwas natürlich überreichlich Stoff für Diskussionen und die wurden erwartungsgemäß die halbe Nacht lang in den sozialen Netzwerken erbittert geführt.

    Was vielleicht möglich gewesen wäre: zumindest die letzten paar Sekunden des Spiels noch einmal auszutragen: Uhr zurückstellen, Baldwin auf der Bank, Obst wirft noch einmal seine Freiwürfe und so weiter. Was gar nicht vorstellbar war: eine komplette Neuansetzung der Partie. Damit hätte die Liga selbst das zweite Pokalturnier geschrottet, nachdem der erste Versuch einer Austragung vor etwa einem Monat an Corona gescheitert war.

    Der Ulmer Protest wurde schließlich komplett zurückgewiesen, die Regeln des Weltverbands Fiba sehen das wohl so vor. Damit muss man auf der einen Seite leben können angesichts der Geringfügigkeit des Regelverstoßes und der fast absoluten Gewissheit, dass das Spiel andernfalls nicht anders ausgegangen wäre. Auf der anderen Seite: Es war nun einmal nicht korrekt, und dass so etwas gar nicht geahndet wird, das hinterlässt auch ein irgendwie ungutes Gefühl.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden