Die Rufe kamen nur vereinzelt und fast gleichzeitig erklang die Halbzeit-Sirene in der Ratiopharm-Arena. Aber die Rufe waren deutlich zu vernehmen. „MVP, MVP...“ ertönte es aus dem Fanblock. Gerade hatte Zoran Dragic im Spiel der Basketball-Bundesliga zwischen Ratiopharm Ulm und dem Tabellenletzten Mitteldeutschen BC (MBC) mit einem Dreier auf 50:33 für seine Mannschaft gestellt und weil er dabei von Andrew Warren gefoult wurde, gab es noch einen Freiwurf obendrauf. Natürlich traf Dragic auch den. Insgesamt waren es für ihn beim ungefährdeten Ulmer 96:80-Sieg gegen die Mannschaft aus Sachsen-Anhalt 22 Punkte, drei Rebounds und vier direkte Korbvorlagen. Hat Ratiopharm Ulm mit dem 30-jährigen Slowenen nach John Bryant und Raymar Morgan tatsächlich wieder einen Spieler, der ein Anwärter auf den bedeutendsten Individualtitel im deutschen Basketball ist – den des wertvollsten und damit besten Spielers, des MVP eben?
Der Kapitän von Ratiopharm Ulm durchbricht eine Schallmauer
Wahlberechtigt sind Fachjournalisten sowie die Cheftrainer und Kapitäne der Bundesliga-Mannschaften. Also beispielsweise Per Günther, der selbst gegen den MBC die 4000-Punkte-Marke knackte. Der Ulmer Spielführer sagte: „Zoran ist einer der besten Spieler der Liga und auf alle Fälle eine Option.“ Günthers einzige Einschränkung: Ein MVP sollte bei einer Spitzenmannschaft spielen. Ein paar Tabellenplätze muss Ratiopharm Ulm also auch Zoran Dragic zuliebe noch gut machen. Björn Harmsen hat den Slowenen ebenfalls auf dem Zettel. Der Trainer des MBC geriet beim Thema Zoran Dragic regelrecht ins Schwärmen: „Ein großartiger Spieler. Es freut mich sehr, dass er in der Liga ist. Dass er gegen den Tabellenletzten so eine Leistung zeigt, das sagt alles über seinen Charakter und seine Einstellung.“
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Harmsen selbst war schon im zweiten Viertel nach einem Rempler gegen einen Schiedsrichter disqualifiziert worden und musste die Halle verlassen. In der Pressekonferenz tauchte er trotzdem auf und erklärte die Situation: „Das war so natürlich nicht beabsichtigt. Ich wollte ein technisches Foul, um den Ulmer Schnellangriff zu stoppen.“ Dann verwies Harmsen noch auf einen Notarzteinsatz in der Halle – eine Zuschauerin war erfolgreich reanimiert worden: „Das hat alles für mich relativiert und mich wieder auf den Boden geholt.“ Eine Bemerkung, die sicher auch viel über den Charakter des MBC-Trainers sagt.
Die Einstellung der gesamten Ulmer Mannschaft war ebenfalls bemerkenswert. Drei Tage nach dem Eurocup-Spiel in Israel und einer anschließenden Nacht ohne Schlaf lieferte sie eine spielerisch und kämpferisch rundum überzeugende Leistung ab. Trainer Jaka Lakovic bestätigte: „Es war schwer, diese Energie aufzubringen.“