Der Blick durch das Tor lässt das Ausmaß der Rodung schon erahnen. Es dürften an die 100 Baumstämme sein, die gestapelt in der Hofeinfahrt der früheren Rittinghaus-Villa im Sendener Stadtteil Wullenstetten liegen. Mithilfe einer Drohne wird der Kahlschlag noch einmal deutlicher. Kein einziger Baum steht mehr auf dem Areal am Berggarten. Dass dort schon vor Monaten angefangen wurde, Tabula rasa zu machen, sorgt für Unmut. Drohen dem Eigentümer Konsequenzen? Und was hat er dort vor?
Passanten wundern sich schon länger über die Vorgänge dort. „Hier wurde einiges ,verändert‘“, schrieb ein Leser unserer Redaktion. Jüngst waren die Rodungen auch Thema in einer Sendener Facebook-Gruppe. Als „furchtbar“ werden die Abholzungen dort beschrieben. „Warum wird so etwas zugelassen?“, lautet eine Frage. Von „Umweltkriminalität“ ist die Rede.
Bauträger-Firma von Inhofer hat das Areal der ehemaligen Rittinghaus-Villa in Wullenstetten gekauft
Das Gelände ist 2024 von der August Inhofer Bauträger GmbH & CO KG erworben worden, wie Geschäftsführer Peter Schorr auf Nachfrage unserer Redaktion mitteilt. „Langfristig soll dort einmal angemessene Wohnbebauung entstehen, Planungen hierzu finden noch keine statt.“ Die Fällungen seien im vergangenen November erfolgt. „Die Anlage von Ausgleichsflächen und Pflanzungen erfolgen in Abstimmung mit den Behörden“, so Schorr.

Im Sendener Rathaus war zu den Rodungen nichts bekannt, berichtet Bürgermeisterin Claudia Schäfer-Rudolf (CSU). Sie verweist hierzu an die untere Naturschutzbehörde im Landratsamt. In Sachen Bauvorhaben ist Schäfer-Rudolf ebenfalls noch nichts bekannt. Es habe bislang keine Bauvoranfrage oder andere Abstimmungen mit dem Eigentümer gegeben. Das etwa 40.000 Quadratmeter große Grundstück werde aber „nicht ohne Stadt zu entwickeln sein“. Ein Bebauungsplan sei notwendig. Zudem werde die Erschließung wohl nicht ganz einfach sein: Bislang stand dort nur ein Haus, entsprechend sei auch das umliegende Kanalnetz darauf ausgerichtet.
Landratsamt Neu-Ulm: Neuer Eigentümer muss Gutachten erstellen
Der Fachbereich Naturschutz und Landschaftsplanung im Neu-Ulmer Landratsamt teilt mit, dass der Fall bekannt ist und geprüft werde. Dem Eigentümer sei auferlegt worden, eine „Eingriffs-/Ausgleichsbilanzierung und ein Artenschutzgutachten“ zu erstellen. Es müsse dargestellt werden, welche Eingriffe vorgenommen wurden, welche Arten durch die Rodung betroffen sind und durch welche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen diese kompensiert werden. Ein abschließendes Gutachten dazu liege der Behörde noch nicht vor.

Verstöße gegen artenschutzrechtliche Vorgaben oder das Beseitigungsverbot von Gehölzen können als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Bei bestimmten schwerwiegenden Zuwiderhandlungen gegen artenschutzrechtliche Vorschriften könne auch ein Straftatbestand vorliegen, so die Behördenvertreter.
Welche Vorgaben gelten für Rodungen auf Privatgrund?
Der Fachbereich Naturschutz und Landschaftsplanung im Neu-Ulmer Landratsamt informiert: Grundsätzlich können Bäume in Hausgärten ganzjährig beseitigt werden. In der freien Natur ist dies grundsätzlich nur in der Zeit vom 1. Oktober bis Ende Februar zulässig. Hecken, lebende Zäune, Gebüsche und andere Gehölze dürfen jedoch auch in Hausgärten in der Zeit vom 1. März bis 30. September nicht abgeschnitten, auf Stock gesetzt oder beseitigt werden; zulässig sind schonende Form- und Pflegeschnitte zur Beseitigung des Zuwachses der Pflanzen oder zur Gesunderhaltung von Bäumen. In der freien Natur besteht ein ganzjähriges Beseitigungsverbot von Feldgebüschen, Gehölzgruppen, Ufergehölzen und Hecken (ausgenommen Form- und Pflegeschnitte).
Bei sämtlichen Fällungen oder Gehölzrückschnittmaßnahmen sind die artenschutzrechtlichen Verbote zu beachten. Wild lebende Tiere der geschützten Arten dürfen nicht beeinträchtigt und ihre Fortpflanzungs- oder Ruhestätten nicht beschädigt werden. Das betrifft unter anderem alle Vogelarten, Fledermäuse, Amphibien, etc. Das bedeutet, ein Baum darf nicht gefällt werden, solange ein Vogel darin brütet. Wenn sich in einem Baum zum Beispiel Höhlen befinden, die von Fledermäusen, Höhlenbrütern oder anderen geschützten Arten bewohnt werden, muss dieser Lebensraum erhalten bleiben. (AZ)
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden