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Prozessauftakt zum Machetenangriff Ulm: War die Frau die Drahzieherin des Überfalls?

Ulm

Die Frau als Drahtzieherin? So lief der Prozessauftakt zum Machetenangriff

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    Am 14. Februar 2022 kommt es in der Ulmer Oststadt zu einem Überfall und einer blutigen Auseinandersetzung mit einer Machete. Jetzt wird der Vorfall vor Gericht verhandelt.
    Am 14. Februar 2022 kommt es in der Ulmer Oststadt zu einem Überfall und einer blutigen Auseinandersetzung mit einer Machete. Jetzt wird der Vorfall vor Gericht verhandelt. Foto: Alexander Kaya

    Es war der 14. Februar 2022, als ein damals 24 Jahre alter Mann auf offener Straße mit einer Machete in der Hand hinter einer Gruppe herstürmte. So haben Anwohnerinnen und Anwohnern geschildert, was am frühen Abend jenes Tages in der Ulmer Oststadt geschah. Seit Montag stehen eine Frau und drei Männer vor dem Landgericht Ulm. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen besonders schweren Raub, Körperverletzung und weitere Delikte vor. Das Motiv sollen Geld und Drogen gewesen sein. Doch womöglich steckt jemand anderes hinter der aufsehenerregenden Tat, bei der drei Männer verletzt wurden.

    Die vier Angeklagten wollen sich noch nicht sehr lang und nicht sehr eng gekannt haben. Warum haben sie sich auf ein so gefährliches Vorhaben eingelassen? Zumal sie angeblich keine Gegenleistung dafür bekommen sollten oder allenfalls eine, die nicht vorher festgelegt wurde. Der Schöffe, der diese Frage stellt, erhält darauf keine Antworten. An neun Prozesstage will das Gericht Klarheit über die Schuld der Angeklagten bekommen.

    Ulm - Gericht - Landgericht - Prozess Machetenangriff in der Ulmer Oststadt
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    Mitte Februar 2022 kommt aus in der Ulmer Oststadt nach einem Überfall zu einer blutigen Auseinandersetzung mit einer Machete. Es ging wohl um Drogen. Jetzt ist der Prozess gestartet.

    Jenes Opfer des Überfalls, das die Gruppe mit der Machete verfolgt hat, ist im Juli zu fünf Jahren und acht Monaten Haft verurteilt worden. Danach soll der Mann in einer Entzugsklinik untergebracht werden. Das Urteil ist rechtskräftig. Beim Prozessauftakt spricht der 24-jährige Mann offen über seine Sucht. Ein paar Bier, Speed und Marihuana waren vor der Haft "mein normaler Alltag". Er spricht über seine Geschäfte als Dealer. Und er spricht über P., einen anderen Ulmer Drogenhändler. Einer, mit dem der 24-Jährige so über Kreuz lag, dass beide sich einmal zu einem Duell verabredeten. P. kam nicht. Hat er stattdessen die Gruppe geschickt, um seinem Gegner eine Abreibung zu verpassen? Der zuckt mit den Achseln, könne schon sein: "Dealer gegen Dealer." Eine Person soll zu ihm gesagt haben: "Das kommt davon, wenn man sich mit P. anlegt." In der Wohnung hatte der 24-Jährige Schlagstöcke und Messer deponiert. Ein Bild auf Facebook zeigt ihn mit nacktem Oberkörper, wirrem Haar und mit einer Machete in der Hand – wohl mit jener, mit der durch die Oststadt rannte. Oder waren die Schulden ausschlaggebend, die der Mitbewohner des 24-Jährigen bei P. gehabt haben soll? Die Nase dieses Mannes wurde beim Überfall durch einen Fausthieb gebrochen. Auch er tritt als Zeuge vor Gericht auf. "Ich zuck' bei jedem Klingeln zusammen, noch heute", sagt er.

    Machetenangriff in der Ulmer Oststadt: Vier Angeklagte vor Gericht

    Mit dem Klingeln ging es los. Gegen 17.30 Uhr am Valentinstag stand die Gruppe zunächst vor der falschen Haustür. Schließlich läuteten sie an der richtigen Wohnungstür, der 24-Jährige öffnete. Der Schwerste aus der Gruppe stieß den Mann nach hinten, so erzählt er es selbst: "Dann hab ich mir den gleich genommen und ihn zu Boden gerungen", sagt der heute 40-jährige Neu-Ulmer. Die anderen drei betraten ein Wohnzimmer und packten offenbar Drogen in eine Tasche, die wohl teilweise in Einmachgläsern in einem Tresor gelagert waren. Dann eilten sie aus der Wohnung, die im vierten Stock liegt. Kurz vor Ende der Treppe gab ein Gerangel. Vor dem Haus spürte der Mann aus

    Er war der Fahrer, erzählt der 40-Jährige. Sein Opel Corsa war unweit des Tatorts abgestellt, der Schlüssel soll im Fahrzeug geblieben sein. Auf dem Rückweg soll die Frau am Steuer gesessen sein, die womöglich die Drahtzieherin des Überfalls war: eine 33 Jahre alte Elchingerin. Der 40-Jährige und sie lernten sich Ende 2020 kennen, sie wurden gute Bekannte. Dann habe sie ihn gefragt, ob er ihr helfen könne, jemand schulde ihr Geld. "Er hat sich da in etwas reinziehen lassen aus falsch verstandener Solidarität, vielleicht auch aus Naivität", sagt sein Anwalt Georg Mayer. Der Angeklagte selbst gesteht, ihm sei klar gewesen, dass es um Drogen ging. Er sollte das Opfer in Schach halten, mit seinem Gewicht. Damals habe er 125 Kilogramm gewogen.

    Beim Überfall sollten wohl Drogen oder Schulden eingetrieben werden

    Die Frau schweigt vor Gericht. So wie der vierte Angeklagte, ein heute 37-jähriger Sendener. Die Elchingerin hatte engen Kontakt zu P., sie wohnte wohl bei ihm oder war seine Partnerin. Staatsanwältin Nadine Schmelzer wirft ihr vor, den Überfall angezettelt zu haben, weil das Opfer 2500 Euro Schulden aus Drogengeschäften gehabt habe. Der heute 40-jährige Neu-Ulmer sagt, er habe ihr ohne Gegenleistung geholfen.

    Der jüngste Angeklagte, ein Vöhringer, war bei dem Überfall 20 Jahre alt. Er soll einem Mitbewohner des geplanten Opfers mit der Faust ins Gesicht geschlagen und auch mit einem Besenstiel aus Aluminium ausgeteilt haben. Beides bestreitet er. Das Alter dieses Mannes ist der Grund, weshalb die Jugendkammer unter dem Vorsitzenden Richter Michael Lang entscheidet.

    Anders als der Fahrer spricht der 21-Jährige von einer Gegenleistung, die ihm die Frau für seine Hilfe versprochen habe. Und was? "Das war mir eigentlich egal. Hauptsache, dass ich etwas bekomme." Nach dem Überfall saß er als Erster im Auto. Kurz danach sollen die Frau und der vierte Angeklagte gekommen sein – mit der Machete, die er dem Opfer ihres Überfalls entrissen habe. Nach der Tat hat die Gruppe nach Aussage der zwei Männer keinen Kontakt untereinander gehabt.

    So wie die beiden Bewohner – sie hätten sich seit der Tat weder gesehen noch gesprochen. Oder haben sie doch über das Erlebte geredet? Vor allem die Verteidiger Uwe Böhm, Daniel Mahler und Stephan Müller bohren nach und finden Widersprüche zu früheren Aussagen bei der Polizei.

    Der Prozess wird fortgesetzt, Mitte November soll das Urteil fallen. Bis dahin sind 24 weitere Zeugen geladen.

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