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Prozess um Samuraischwert-Angriff im Bingo Neu-Ulm: Wollte der Täter in Psychiatrie?

Memmingen/Neu-Ulm

Angriff mit Samuraischwert: Wollte der Angeklagte ins BKH eingewiesen werden?

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    In der Neu-Ulmer Bar Bingo ging der 29-jährige Angeklagte am 6. März dieses Jahres mit einem Samurai-Schwert auf seine drei Opfer los. Er muss sich nun wegen versuchten Mordes verantworten.
    In der Neu-Ulmer Bar Bingo ging der 29-jährige Angeklagte am 6. März dieses Jahres mit einem Samurai-Schwert auf seine drei Opfer los. Er muss sich nun wegen versuchten Mordes verantworten. Foto: Thomas Heckmann (Archivbild)

    Ohne Vorwarnung schlug ein Mann Anfang März dieses Jahres mit einem Samuraischwert auf mehrere Besucher der Neu-Ulmer Bar Bingo ein. Eines der Opfer erlitt lebensbedrohliche Verletzungen, zwei weitere wurden schwer verletzt. Nun steht der Angreifer wegen versuchten Mordes vor Gericht. Der Verdacht: Er wollte mit seiner Tat eine Einweisung in die Psychiatrie erzwingen.

    Am Landgericht Memmingen hat der Prozess gegen den Samuraischwert-Angreifer begonnen. Angeklagt ist ein 29-Jähriger, der durch eine frühgeburtliche Hirnschädigung über eine verminderte Intelligenz verfügt, hieß es vor Gericht. Mit einem sogenannten Katana, einem traditionellen japanischen Schwert, attackierte er am Abend des 6. März Gäste im Bistro Bingo. Ein Polizist, der als einer der Ersten unter den Einsatzkräften am Tatort ankam, beschrieb den Anblick in der Bar als „Schlachtfeld. Alles blutverschmiert, alles voller Blut“.

    Angriff mit dem Samurai-Schwert: Das geschah am 6. März im Bingo in Neu-Ulm

    Was war geschehen? Die Staatsanwaltschaft hat in ihrer Anklage die Geschehnisse des Tatabends rekonstruiert: Der Angeklagte war in seiner Wohnung zu Hause. Dort überlegte er, ob er eine Tat begehen oder sich selbst in die Psychiatrie einweisen solle. Um sich weiter zu enthemmen, so formulierte die Staatsanwältin, sei er in das Bistro im Donaucenter gegangen, wo er „sturztrunkartig“ einige alkoholische Getränke zu sich genommen habe.

    Anschließend habe er das Schwert aus seiner Wohnung geholt. Wieder zurück im Bingo habe er unvermittelt auf den ersten Geschädigten eingeschlagen und auch weiter mit dem Schwert auf ihn eingehoben, als dieser schon am Boden lag. Weitere Männer wollten eingreifen, auch sie wurden schwer verletzt. Letztlich gelang es den Gästen, den Angeklagten zu Boden zu bringen.

    Die Staatsanwältin listet eine Reihe von Verletzungen auf, die der 29-Jährige seinen Opfern zugefügt habe. Bei einem der Geschädigten wurde der Arm fast komplett durchtrennt. Aufgrund des hohen Blutverlustes schwebte das Opfer in Lebensgefahr, aber auch die weiteren Angriffe waren laut Staatsanwaltschaft „geeignet, das Leben der Geschädigten zu gefährden“. Versuchter Mord lautet die Anklage schließlich. Die Staatsanwältin geht auch davon aus, dass von dem Mann eine Gefahr für die Öffentlichkeit ausgehe – aufgrund seines psychischen Zustands sei mit weiteren Taten zu rechnen.

    Angeklagter im Samuraischwert-Prozess bittet Opfer um Verzeihung

    Im Sitzungssaal 135 des Memminger Landgerichts saß nun ein junger Mann. Vollbart, kurze Haare, Brille, schwarzes Hemd, etwas übergewichtig. Würde man ihm auf der Straße begegnen, man würde ihn wohl als „unauffällig“ bezeichnen. Der 29-Jährige stritt seine Tat nicht ab, machte vor Gericht sogar Angaben dazu. An den eigentlichen Angriff könne er sich aber nur bruchstückhaft erinnern.

    Ein 29-Jähriger ist wegen versuchten Mordes angeklagt. Er soll in einer Neu-Ulmer Kneipe wahllos Gäste mit einem Schwert angegriffen haben.
    Ein 29-Jähriger ist wegen versuchten Mordes angeklagt. Er soll in einer Neu-Ulmer Kneipe wahllos Gäste mit einem Schwert angegriffen haben. Foto: Franziska Wolfinger

    Er las eine kurze, gemeinsam mit seinem Anwalt verfasste Erklärung vor: „Ich möchte mich bei allen Opfern entschuldigen“, sagte er mit stockender Stimme. Er habe nach wie vor Probleme, zu realisieren, was er damals getan hat. Anschließend versuchte der Angeklagte, die Ereignisse nach seiner Erinnerung wiederzugeben. In eigene Worte zu fassen, was vorgefallen ist, schien ihm jedoch schwer zu fallen. So antwortete er stattdessen auf die Fragen des Vorsitzenden Richters Bernhard Lang.

    So gab der Angeklagte an, dass er das Schwert nur im Netz bestellt habe, weil er sich bedroht fühlte. Er habe einen Mann angezeigt, der ihn im Netz beleidigt hatte. Erst danach habe er erfahren, dass dadurch auch der von ihm Angezeigte seinen vollständigen Namen und seine Adresse erfahren könne. Das habe bei ihm Ängste, gar eine Paranoia, ausgelöst. Mit dem Schwert wollte er sich im Falle des Falles verteidigen können.

    Die meisten Fragen des Richters beantworte der Angeklagte jedoch nur mit „Ja“, „Nein“ oder „Das weiß ich nicht“, sodass es einiges Nachbohrens bedurfte, um seine Version der Geschehnisse zu erfahren. Vor allem an die eigentliche Tat konnte sich der 29-Jährige kaum erinnern – er sprach stets nur von einem Mann, den er angegriffen hatte. Selbst dabei widersprach er sich. Einmal sagte er, sein Opfer sei ihm an der Tür entgegengekommen, ein anderes Mal, dass es mit dem Rücken zu ihm an der Theke saß.

    Vorwurf, mit der Tat eine Einweisung ins BKH zu provozieren, sei „verrückt“

    Als der Richter ihn mit dem Vorwurf konfrontierte, er habe mit der Tat eine Einweisung in das Bezirkskrankenhaus erreichen wollen, antwortete er: „Das ist ja verrückt.“ Gleichzeitig räumte er ein, dass er sich wegen seiner Angstzustände eine psychiatrische Behandlung gewünscht hatte. Suchanfragen bei Google, kurz vor der Tat eingetippt, belasten den 29-Jährigen in dieser Hinsicht schwer.

    „Bücher in die Psychiatrie mitnehmen“, „Ist in der Psychiatrie ein Laptop erlaubt“, „Selber in die Psychiatrie einweisen – das müssen Sie wissen“, „Wenn Behinderte Straftaten begehen“ oder auch „Werden Behinderte strafrechtlich nicht verfolgt“, habe er am Tatabend im Browser seines Computers gesucht, las der Richter aus den Akten vor. Anschließend fragte er: „Nun könnte man der Auffassung sein, sie haben sich schon vor der Tat ausführlich mit einem Aufenthalt in der Psychiatrie beschäftigt?“ Erst nach langem Zögern antwortete der Angeklagte: „Ja, könnte man.“ Ob es nun die Absicht war oder nicht: Das Amtsgericht Memmingen ließ den Mann nach seiner Tat in das Bezirkskrankenhaus in Günzburg einweisen.

    Zwei Polizisten, die am ersten Prozesstag über ihre Erinnerungen an den Einsatz am 6. März aussagten, beschrieben den Angeklagten übereinstimmend als geistig abwesend. Als sie am Tatort eintrafen, habe der 29-Jährige zunächst gar nicht auf Ansprache reagiert, sein Blick ging starr ins Leere. Später habe er immer wieder gefragt „Was habe ich getan? Was habe ich getan?“, erinnerte sich ein Polizist.

    Teilnehmer am Prozess ist auch ein psychiatrischer Gutachter. Er wird letztlich beurteilen müssen, inwiefern der Angeklagte zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig war und wie viel Kontrolle er über seine Handlungen hatte. Der Prozess wird am 21. November fortgesetzt, ein Urteil soll im Januar fallen.

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