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Prozess: Mord an Ece kommt vor Gericht: Wie die Messerattacke Illerkirchberg verändert hat

Prozess

Mord an Ece kommt vor Gericht: Wie die Messerattacke Illerkirchberg verändert hat

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    Knapp sechs Monate nach der Messerattacke hat sich am Tatort in Illerkirchberg viel getan. Die Flüchtlingsunterkunft hinter den Bauzäunen wurde abgerissen. An Ece wird aber weiter gedacht.
    Knapp sechs Monate nach der Messerattacke hat sich am Tatort in Illerkirchberg viel getan. Die Flüchtlingsunterkunft hinter den Bauzäunen wurde abgerissen. An Ece wird aber weiter gedacht. Foto: Michael Kroha

    Die Sonne strahlt. Kinder lachen. Es ist der letzte Schultag vor den Pfingstferien. Um die 20 Schülerinnen und Schüler stehen in Illerkirchberg an einer Haltestelle und warten auf den Bus der Linie 23. Den Bus, den vor knapp sechs Monaten auch die 14 Jahre alte Ece und ihre 13-jährige Freundin nehmen wollten, um in die Schule zu fahren. Doch dort kamen sie nicht an. Auf ihrem Schulweg wurden sie vor einer Flüchtlingsunterkunft niedergestochen. Die 13-Jährige überlebt, die 14-Jährige nicht. Seither ist in dem kleinen Örtchen mit knapp 5000 Einwohnern an der baden-württembergisch-bayerischen Grenze fast nichts mehr wie vorher. 

    Am kommenden Freitag startet die juristische Aufarbeitung des Angriffs. Michael B., ein 27-jähriger Asylbewerber aus Eritrea, muss sich wegen Mordes und versuchten

    Messerattacke in Illerkirchberg: Der Schulweg muss der sicherste Ort der Welt sein

    Illerkirchberg, die Region, nahezu die gesamte Bundesrepublik steht danach unter Schock. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Ekin Deligöz kennt die Familie der Getöteten. Der Schulweg müsse der sicherste Ort der Welt sein, sagte die Staatssekretärin des Bundesfamilienministeriums am Tag nach der Messerattacke. "Wenn wir uns darauf nicht mehr verlassen können – wie schlimm ist das denn?" 

    Es folgte eine politische Instrumentalisierung. Der baden-württembergische Innenminister und der türkische Botschafter besuchten den Ort. Die Identitäre Bewegung veranstaltete keine Stunde nach Eces Beerdigung, zu der mehr als 1000 Trauernde gekommen waren, eine Protestaktion vor dem Rathaus gegen die gescheiterte Asylpolitik der Bundesregierung. Auch die AfD und der Dritte Weg trafen sich zu Kundgebungen. Der Bürgermeister sprach sich hingegen gegen Fremdenfeindlichkeit aus. Die Eltern beider Mädchen verurteilten in einem offenen Brief Hetze und Rassismus. Sie wünschen sich stattdessen Frieden für die Familien und den Ort.

    Halloween-Vergewaltigung von 2019 lässt Emotionen in Illerkirchberg wieder hochkochen

    Der kehrte kurzzeitig auch ein, aber die Emotionen kochten gleich wieder hoch. Der Grund war die Vergewaltigung einer 14-Jährigen im Jahr 2019 von mehreren Flüchtlingen – ebenfalls in Illerkirchberg. Einer der dafür verurteilten Straftäter wurde nach seiner Haftstrafe nicht nach Afghanistan abgeschoben, sondern kehrte in den Ort zurück. Und das, obwohl die Behörden ihn nach wie vor als gefährlich einstufen. Als das bekannt wurde, starteten Menschen aus Illerkirchberg eine Petition – gerichtet an Bundesinnenministerin Nancy Feaser (SPD). Gefordert wird die Abschiebung von schwer straffällig gewordenen Asylbewerbern. Etwas mehr als 8000 Unterzeichner hat das Anliegen. Aus Sicht der Initiatorinnen zu wenig. Der Verteidiger des Afghanen spricht hingegen von "Rassismus" und einer "Hetzjagd", beide Fälle hätten nichts miteinander zu tun. 

    Die Wogen glätten kann erst wieder Eces Vater. Und zwar beim Bürgerdialog in der Gemeindehalle, der zur Aufarbeitung des Messerangriffs anberaumt wurde. In einer emotionalen Ansprache äußerte er den Wunsch seiner Familie, dass die Flüchtlingsunterkunft, in der der mutmaßliche Täter lebte, abgerissen und dort "eine schöne grüne Wiese" entstehen soll. Kinder sollen den Ort später einmal nicht mehr wiedererkennen. 

    Nach Mord in Illerkirchberg: Mutter bringt Tochter immer noch jeden Tag zum Bus

    Anfang Mai wurden die Gebäude plattgemacht. Was in Zukunft dort entsteht, ist offen. Bald soll eine Pflanzaktion stattfinden. Die zahlreichen Kerzen, Blumen und Botschaften am Tatort sind bereits verschwunden. Die Markierungen der Spurensicherung wurden ebenfalls entfernt. Dass das Asylbewerberheim nun endlich weg ist, freue viele im Ort, erzählt eine Mutter, die am Freitag vor den Ferien ihre 15 Jahre alte Tochter zur Bushaltestelle bringt. Das mache sie seit der Messerattacke jeden Tag. Sie habe dadurch "ein besseres Gefühl". Ob sich das mit dem Prozess ändern wird? 

    Auf dem Grab von Ece auf dem Friedhof in Oberkirchberg stehen zahlreiche Kerzen und viele frische Blumen.
    Auf dem Grab von Ece auf dem Friedhof in Oberkirchberg stehen zahlreiche Kerzen und viele frische Blumen. Foto: Michael Kroha

    Bei der Verhandlung am Freitag werden die Eltern der Mädchen als Nebenkläger auftreten, Eces Eltern auch mit einem Anwalt. Vorab und auch während des Verfahrens wollen sie sich aber nicht öffentlich äußern. Corinna Nagel, die Verteidigerin des angeklagten Asylbewerbers, hingegen sagt: "Mir ist wichtig, dass ein Prozess geführt wird, der sich mit der Tat befasst und nicht mit der Asylpolitik und nicht mit Parteiprogrammen." Sie wolle ihrem Mandanten einen "fairen Prozess" ermöglichen. Insgesamt fünf Termine sind anberaumt. Mit einem Urteil wird am 4. Juli gerechnet.

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