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Prozess in Ulm: Kind getötet: Vater glaubte im Wahn, er verdiene dafür eine Belohnung

Prozess in Ulm

Kind getötet: Vater glaubte im Wahn, er verdiene dafür eine Belohnung

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    Der Mann, der seine eigene Tochter getötet hat, könnte weitere schwere Straftaten begehen – davon geht der psychiatrische Gutachter aus.
    Der Mann, der seine eigene Tochter getötet hat, könnte weitere schwere Straftaten begehen – davon geht der psychiatrische Gutachter aus. Foto: Thomas Heckmann

    Seit zwei Tagen war das Kind tot, ihr eigener Vater hatte dem Mädchen auf dem Schulgelände in Wiblingen die Kehle durchgeschnitten. In der Vernehmung beim Haftrichter lachte der Mann immer wieder laut, dann saß er derart regungslos auf seinem Stuhl, als sei die Videoaufnahme eingefroren. Noch zwölf Tage nach der Tat erkannte Psychiater Peter Winckler klare Anzeichen für eine akute Psychose. Dem Gutachter sagte der Vater, er habe kein Kind getötet, sondern ein Tier, und er verdiene eine Belohnung, 16 Millionen Euro. Am Landgericht Ulm verliest Winckler ein Tagesprotokoll, bei dem religiöse Wahnvorstellungen und Größenwahn deutlich werden.

    Seine Tat hat der Mann bereits beim Prozessauftakt eingeräumt, eine Gefängnisstrafe droht ihm wohl nicht. Er gilt als psychisch krank. Das Gericht unter dem Vorsitz von Wolfgang Tresenreiter soll darüber entscheiden, ob der 41 Jahre alte Mann in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik untergebracht werden soll.

    Eigenes Kind in Wiblingen getötet: Vater steht in Ulm vor Gericht

    Mutter und Brüder der Getöteten werden entgegen den Plänen nicht vernommen, die Belastung soll ihnen erspart bleiben. Gerichtsmediziner Sebastian Kunz beschreibt die „sehr tiefgehende Verletzung“ des Kinds. Abdruckmarken an den Händen zeigten, wo das Mädchen gefesselt worden sei – der Vater hatte ihm wohl gesagt, man wolle Indianer spielen. Die Verletzungen deuteten darauf hin, dass sich die Siebenjährige nicht oder kaum gewehrt hat, sagt Kunz.

    In Ulm-Wiblingen soll ein Vater seine eigene Tochter getötet haben. Der mutmaßliche Tatort befindet sich unweit des Schulzentrums.
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    Ein 40-Jähriger soll am Ostermontag eine Siebenjährige mit einem Messer getötet haben. Der Tatort liegt im Hinterhof des Schulzentrums. Erste Blumen wurden abgelegt.

    Psychiater Winckler berichtet aus den Gesprächen, die er in der Psychiatrie mit dem Vater geführt hat. Immer wieder habe der Mann über Zahlen gesprochen, die angeblich etwas beweisen sollten. Etwa, dass die aktuelle Superzahl beim Lotto auch im Aktenzeichen des Unterbringungsbefehls vorkomme. Als er das Kind getötet habe, sei es zum Tier geworden, soll der Mann gesagt haben. Durch die Tat stehe ihm ein Gewinn zu. Winckler schildert, wie ihm der Mann einen Lottoschein zeigte.

    Psychiater sieht religiösen Wahn und verzerrte Wahrnehmung der Realität

    „Er war nicht in der Lage, zwei Sätze logisch aneinanderzureihen“, berichtet der Psychiater vor Gericht. Der Mann sei überzeugt gewesen, richtig und legal gehandelt zu haben. Vor der Tat will der Vater, der aus einer muslimischen Familie stammt, Jesus und Luzifer angerufen haben. Sich selbst verglich er einmal mit Abraham, der seinen Sohn Isaak opfern wollte, und bezeichnete sich als großen Forscher mit besonderen Fähigkeiten. In der Vernehmung, von der im Gerichtssaal wie schon beim Auftakt Videos gezeigt werden, sagte der Mann: „Ich bin nicht strafbar, ich bin frei.“ Die Polizisten forderte er immer wieder dazu auf, sie sollten ihn erschießen.

    Winckler berichtet, dass der Vater bei einem weiteren Treffen im Juni von Zweifeln gesprochen hatte, ob seine Tat richtig gewesen sei. Und dass er immer wieder in Tränen über den Tod seiner Tochter ausgebrochen sei. Er habe seine gute Ehe und sein gutes Leben verloren. Doch bis er begonnen habe, sich emotional mit der Tat auseinanderzusetzen, sei ungewöhnlich viel Zeit vergangen.

    Gutachter sieht akute Psychose: Täter ist wohl psychisch krank

    Dass der Mann trotz Psychopharmaka „in satter Dosierung“ noch immer keine klare Sicht auf die Realität gewonnen habe, bezeichnet der Gutachter als erstaunlich. Nicht alles passe zum klassischen Krankheitsbild. Es sei aber offenkundig, dass der 41-Jährige zum Zeitpunkt der Tat unter einer akuten Psychose gelitten habe. Der intensive Cannabis-Konsum spiele bei der Krankheit eine Rolle, ausschlaggebend sei er wohl nicht. Die Krankheit habe eine schleichende Entwicklung genommen. Begonnen habe sie wohl mit angeblichen „Forschungen“, die der Mann nach eigenen Angaben zur Corona-Pandemie geführt hat, wo er sich offenbar mit Verschwörungstheorien beschäftigte. Die Krankheitsbilder hätten bis heute noch nicht völlig nachgelassen, sagt Winckler. Noch heute sehe der Vater eine verzerrte Wirklichkeit. Die Voraussetzungen für eine Schuldunfähigkeit seien gegeben, die medizinische Prognose sei nicht gut. In psychotischen Phasen seien weitere schwerwiegende Gewaltstraftaten zu befürchten. Eine stationäre Behandlung sei wichtig, eine Bewährung nicht sinnvoll.

    Am Dienstag, 28. November, will das Gericht eine Entscheidung fällen.

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