Im Prozess um die brutale Attacke auf einen Lehrer an der Sägefeldschule in Ulm-Wiblingen hat der 23-jährige Angeklagte seine Unschuld beteuert. Sein Verteidiger, Rechtsanwalt Dominik Hammerstein, gab zu Beginn der Hauptverhandlung am Ulmer Landgericht eine Erklärung ab. Demnach sei sein Mandant an der Tat in keiner Weise beteiligt gewesen, er sei lediglich der „Sündenbock“. Der Zuhörerbereich war mit mehr als 20 Personen zum Auftakt am Mittwoch gut gefüllt.
Oberstaatsanwalt Michael Bischofberger legte in seiner Anklageschrift dem 23-jährigen türkischen Staatsbürger zur Last, auf seinen früheren Lehrer am 26. Februar dieses Jahres, kurz nach 16 Uhr, mit einem Baseballschläger oder einem ähnlichen Holzgegenstand eingeschlagen zu haben. Ihm werden versuchter Totschlag und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen.
Anklage im Fall Sägefeldschule: 23-Jähriger soll aus Rache gehandelt haben
Der 23-Jährige soll den Tod des Opfers billigend in Kauf genommen haben. Er habe versucht, einen Menschen zu töten, ohne Mörder zu sein, so Bischofberger. Gehandelt haben soll der 23-Jährige aus dem Motiv der Rache, weil der Lehrer sexuell übergriffig gegenüber Schülerinnen und Schüler gewesen sein soll. In dem Verfahren am Landgericht tritt das Opfer als Nebenkläger auf, am ersten Verhandlungstag blieb sein Platz aber leer. Der 34-Jährige erlitt laut Bischofberger unter anderem eine Hirnblutung, die akut lebensgefährlich war. Er leidet noch heute an den Folgen der Tat.
Nach Ansicht von Verteidiger Hammerstein sitzt sein Mandant zu Unrecht auf der Anklagebank. Die von den Ermittlungsbehörden vorgelegten Indizien sind seiner Ansicht nach nicht existent. DNA-Spuren an in der Nähe des Tatorts sichergestellten Zigaretten bezeichnet er als „bedeutungslos“, die Funkdaten zu vage. Zudem sei nicht in Richtung anderer möglicher Tatverdächtigen ermittelt worden. Schließlich gebe es aufgrund der mutmaßlich schon seit Jahren anhaltenden sexuellen Übergriffe genügend Menschen, die ein Motiv hätten. Sein Mandant habe außer 2021, als der Lehrer schon einmal wegen solcher Übergriffe in Verdacht geraten war, nie schlecht über den Lehrer geredet. Er sei von der Lehrkraft auch nie schlecht behandelt worden, so der Anwalt.
Die Entgegnungen der Verteidigung reichten aber offenbar nicht aus, um den Angeklagten, der seit seiner Festnahme drei Wochen Wochen nach der Tat in Untersuchungshaft sitzt, aus der Haft zu entlassen. Laut Oberstaatsanwalt Bischofberger sei der Haftbefehl vom Oberlandesgericht Stuttgart bestätigt worden.
Anwohner der Sägefeldschule beobachtete die Tat: „Es ging alles sehr schnell“
Nach der Einlassung der Verteidigers sagten verschiedene Zeugen aus. Ein Anwohner berichtete, er habe für seinen erkrankten Vater einen Rettungswagen gerufen. Als er ans Fenster ging, um nach ihm zu schauen, habe er gesehen, wie zwei Männer auf der Wendeplatte vor der Schule sich gegenüberstehend seitlich zwei Schritte in seine Richtung machten. „Es ging alles sehr schnell“, sagte der Zeuge. Ein Mann mit schwarzer Kapuze habe dann mit einem Baseballschläger seitlich ausgeholt und auf die Schläfe des anderen geschlagen. Der sei daraufhin sofort bewusstlos zu Boden gegangen. Der Anwohner habe das Fenster geöffnet und „Hör auf“ sowie „Lass das“ gerufen. Unmittelbar danach sei er nach draußen. Der Täter sei da aber schon verschwunden gewesen.
Eine Lehrerkollegin des Opfers sagte aus, dass sie durch eine Glaswand an der Schule gesehen habe, wie ein Mann mit Kapuze zwei Mal mit einem Baseballschläger auf etwas am Boden Liegendes „sehr stark“ und „sehr wütend“ eingeschlagen hätte. Auf wen oder was, habe sie nicht sehen können. Vom Richter darauf angesprochen, dass die Lehrkraft sexuell übergriffig gewesen sein soll, sagt sie: „Ich war geschockt, als ich das gehört habe.“ Sie habe davon nichts gewusst, es habe keine Anzeichen gegeben. Zum besagten Lehrer habe sie seither keinen Kontakt mehr.
Ein Mann mit Kapuze soll Stunden vor der Tat an der Sägefeldschule in Wiblingen an verdächtig vor Garagen gewartet haben
Ein Polizist der Streife, die als erste vor Ort eintraf, berichtete, dass er mehrere Zigarettenstummel einsammelte, die vor Garagen in etwa 45 Meter Entfernung vom Tatort lagen. Dort soll laut Zeugen ein Mann schon Stunden vor der Tat gewartet haben, der sich wohl in Teilen verdächtig verhielt. Er habe ebenfalls eine Kapuze getragen. Sein Gesicht erkennen oder zweifelsfrei bestätigen, dass es sich bei jenem Mann, um den Mann handelte, der später zuschlug, konnte jedoch keiner der Zeugen. Laut einer Betreuungslehrerin soll auch ein Achtjähriger die Tat gesehen haben. Er sei zu ihr gekommen und habe gesagt: „Der schlägt den Mann.“ Sie selbst habe nichts gesehen, nur ein dumpfes Geräusch gehört.
Die Stimmung im Gerichtssaal war stellenweise von „Animositäten“ geprägt. Rechtsanwalt Hammerstein und Oberstaatsanwalt Bischofberger bekamen sich in die Haare, weil sie sich gegenseitig zu Unrecht bei ihren Wortmeldungen unterbrochen fühlten. Bischofberger dazu: „Wir sind nicht in einem Hollywood-Film.“ Bis zum Urteil gilt die Unschuldsvermutung. Sechs weitere Verhandlungstermine bis Mitte Dezember sind angesetzt, am Montag geht es weiter.
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