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Prozess in Neu-Ulm: Mann nach Steinwurf gegen Grüne verurteilt: „Größter Fehler meines Lebens“

Prozess in Neu-Ulm

Mann nach Steinwurf gegen Grüne verurteilt: „Größter Fehler meines Lebens“

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    Der 46-Jährige wurde am Amtsgericht Neu-Ulm zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.
    Der 46-Jährige wurde am Amtsgericht Neu-Ulm zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa

    Verletzt wurde damals zum Glück niemand, die Tat hatte dennoch bundesweit für Entsetzen gesorgt: Ein heute 46-Jähriger warf im September 2023 auf einer Wahlkampfveranstaltung in Neu-Ulm einen 428,7 Gramm schweren Betonstein nach dem bayerischen Grünen-Spitzenduo Katharina Schulze und Ludwig Hartmann. Er wurde direkt danach festgenommen. Am Dienstag musste sich der Mann aus Ulm vor dem Amtsgericht Neu-Ulm verantworten.

    Die Sicherheitsvorkehrungen beim Prozess waren hoch. Justizbeamte überprüften bei der Einlasskontrolle auch Kugelschreiber. Das lag zum einen daran, weil der Angeklagte der sogenannten Reichsbürger- und Querdenkerszene zugeordnet wird. „Reichsbürger“ erkennen die Bundesrepublik Deutschland und ihre Behörden nicht an. Zum anderen lag es daran, weil Schulze, Fraktionschefin im Landtag in München, selbst als Zeugin geladen war.

    Steinwurf in Neu-Ulm war „krassester Moment“ für Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze

    Sie habe in der Nacht danach nicht gut schlafen können, sagte die 39-Jährige vor Gericht. „Wo geht diese Welt hin?“, fragte sich die Grünen-Fraktionsvorsitzende. Es war für sie der „krasseste Moment“, seit sie Politik mache. Auf nachfolgenden Wahlkampfveranstaltungen hatte sie „ein mulmiges Gefühl“. Ehrenamtliche Parteiunterstützter hätten ihr von „Angst“ berichtet, deswegen aufgehört aber habe niemand.

    Die Polizei sichert das Gerichtsgebäude in Neu-Ulm ab. Der Angeklagte wird der Reichsbürger- und Querdenker-Szene zugeordnet.
    Die Polizei sichert das Gerichtsgebäude in Neu-Ulm ab. Der Angeklagte wird der Reichsbürger- und Querdenker-Szene zugeordnet. Foto: Michael Kroha

    „Tut mir leid“, sagte der Angeklagte persönlich zu ihr. Über eine vom Anwalt verlesene Erklärung hatte er die Tatvorwürfe eingeräumt, bestritt aber, die Absicht gehabt zu haben, jemanden mit dem Steinwurf zu verletzen. Er bereue die Tat, sie sei der „größte Fehler seines Lebens“ gewesen und er wolle so etwas nie wieder tun. Zeugen, darunter Polizisten, Ordner, die Gebärdendolmetscherin, die mit auf der Bühne stand, sowie ein interessierter Bürger, berichteten allesamt von einer durch Trillerpfeifen und Gegröle „aufgeheizten und aggressiven Stimmung“ vor Ort. Vergleichbares hätten sie so bislang nicht erlebt.

    Zweifel am Tathergang kamen in der Hauptverhandlung keine auf. Die Wahlkampfveranstaltung und auch die Tat waren gefilmt worden. Zum Motiv blieben Fragen offen. Einem Polizisten habe unmittelbar nach der Tat gesagt, er habe das Event beenden wollen – das sei ihm auch gelungen.

    Staatsanwaltschaft stuft Steinwurf von Neu-Ulm als „demokratiegefährdend“ ein

    Wegen der politischen Dimension des Verfahrens hatte die Generalstaatsanwaltschaft in München den Fall übernommen. Dort ist die bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus angesiedelt. Die Staatsanwältin stufte die Tat des Angeklagten, der nach eigenen Angaben am Tattag zwischen sieben und neun Bier getrunken hatte, als „demokratiegefährdend“ ein, die „generalpräventiv“ zu ahnden ist. Sie forderte eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monate auf Bewährung. Der Verteidiger plädierte für eine Bewährungsstrafe von nicht mehr als einem Jahr.

    Im Gerichtsgebäude in Neu-Ulm gelten erhöhte Sicherheitsvorkehrungen.
    Im Gerichtsgebäude in Neu-Ulm gelten erhöhte Sicherheitsvorkehrungen. Foto: Michael Kroha

    Richterin Gabriele Buck wertete die Tat ebenfalls als „demokratiegefährdende Straftat“. Trotz seiner erheblichen Alkoholisierung war der Angeklagte, der in Teilzeit im Lager eines Getränkemarkts arbeitet und im Sommer in einem Kiosk mit Pommes- und Würstchen-Verkauf etwas zum Bürgergeld dazuverdient, „völlig klar in seiner Tat“. „Nur dem Zufall ist es zu verdanken, dass nicht mehr passiert ist“, sagte Buck. Hätte er kein Geständnis abgelegt, hätte er ins Gefängnis einrücken müssen.

    Verurteilt wurde der Mann zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten auf Bewährung. Innerhalb von drei Jahren darf er sich nichts zuschulden kommen lassen. Zudem hat er 1000 Euro auf Raten an eine gemeinnützige Organisation zu zahlen und 200 Sozialstunden binnen eines Jahres abzuleisten. Auf Rechtsmittel wurde verzichtet, das Urteil ist rechtskräftig.

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    1 Kommentar
    Klara Rasper

    Leider gibt der Artikel keine Auskunft ueber das Motiv des Mannes. Eine harte Strafe ist zwar ok, duerfte aber kaum reichen, um aehnliches kuenftig zu verhindern.

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