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Pfaffenhofen: Wie umgehen mit politisch Rechten? Der Rektor von Marienfried im Gespräch

Pfaffenhofen

Wie umgehen mit politisch Rechten? Der Rektor von Marienfried im Gespräch

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    Georg Alois Oblinger ist Priester der Diözese Augsburg. Seit fünf Jahren leitet der 56-Jährige die Gebetsstätte Marienfried bei Pfaffenhofen.
    Georg Alois Oblinger ist Priester der Diözese Augsburg. Seit fünf Jahren leitet der 56-Jährige die Gebetsstätte Marienfried bei Pfaffenhofen. Foto: Alexander Kaya

    Herr Oblinger, laut einer neuen Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung haben acht Prozent der Deutschen rechtes Gedankengut. Auch in der katholischen Kirche ist jüngst immer wieder die Rede von einem Rechtsruck. Inwiefern äußert sich das auch in Marienfried?
    REKTOR GEORG ALOIS OBLINGER: Von dieser Studie habe ich auch gehört. Von zwei Prozent vor der Corona-Pandemie auf jetzt acht Prozent hat sich das vervierfacht. Und natürlich gibt es alles, was es in der Gesellschaft gibt, auch in der Kirche. Marienfried, wie andere Wallfahrtsorte und Gebetsstätten auch, zieht sehr stark die Frommen und auch die Konservativen an. Das ist an sich nichts Ungewöhnliches, für diese Menschen möchte ich da sein und die gesunde katholische Frömmigkeit hier pflegen. Allerdings ist seit einiger Zeit zu beobachten, dass rechtsradikale Strömungen an kirchlich-konservativem Gedankengut andocken wollen.

    Da gibt es ja tatsächlich auch einige Überschneidungen.
    OBLINGER: In konservativen Kreisen ist zum Beispiel „Schutz des ungeborenen Lebens“ ein großes Thema, das auch ich für wichtig halte. Aber es ist eben auch ein Anknüpfungspunkt – ob bei Trump oder der AfD. Da heißt es dann, die kümmern sich noch darum, den anderen ist es nicht mehr wichtig. Anknüpfungspunkte sind auch das Familienbild, da schließt sich dann auch die Gender-Thematik an. Es gibt also Berührungspunkte, aber ich darf nicht so blauäugig sein und meinen, wenn eine Partei sich um den Schutz des ungeborenen Lebens kümmern will, dass diese unbesehen zu unterstützen ist.

    Die Gebetsstätte Marienfried bei Pfaffenhofen ist ein Anlaufpunkt für viele konservative Katholiken. Ihr Leiter Georg Oblinger beobachtet mit Sorge den Rechtsruck in der katholischen Kirche.
    Die Gebetsstätte Marienfried bei Pfaffenhofen ist ein Anlaufpunkt für viele konservative Katholiken. Ihr Leiter Georg Oblinger beobachtet mit Sorge den Rechtsruck in der katholischen Kirche. Foto: Alexander Kaya

    Nun kommen aber Menschen, die über diese Themen mit rechtskonservativem Gedankengut in Kontakt kommen oder gar mit ihm liebäugeln, auch nach Marienfried. Was sagen Sie diesen Menschen? Es besteht ja auch die Gefahr, sie weiter in die Arme der Rechten zu treiben, wenn Sie mit ihren Auffassungen selbst im konservativen Katholizismus keinen Anschluss mehr finden.
    OBLINGER: Das hat ja jüngst unser Bischof angesprochen, als er sagte, die AfD sei eine Realität und dass man nicht automatisch alle Menschen in einen Topf werfen und alle verurteilen dürfe. Ich würde im Umgang mit diesen Gläubigen einen Unterschied machen zwischen dem Gottesdienst und dem persönlichen Seelsorgegespräch oder der Beichte. Im Gottesdienst gebe ich das Thema vor. Da soll Politik zwar erstmal keinen Platz haben, aber manche Dinge muss man natürlich ansprechen und ich habe dann durchaus schon manches durchklingen lassen, nachdem ich gemerkt habe, in welche Richtung sich das Gottesdienstpublikum entwickelt. Im persönlichen Gespräch muss man schauen, ob man überhaupt etwas bewegen kann. Manch einer ist so gefestigt in diesem Bild, da bewegt man wenig. Man kann anklingen lassen, dass man anderer Meinung ist. Dann gibt's zwei Möglichkeiten. Entweder man bleibt im Gespräch oder der Gläubige sucht sich einen anderen Seelsorger, von dem er mehr Zustimmung erhält.

    Einen anderen Seelsorger? Also gibt es auch unter den Geistlichen den Drift nach rechts?
    OBLINGER: Auch da gab es ja einige Fälle. Gerade durch Corona kam vieles an die Oberfläche, das vorher nur unterschwellig da war. In den Zeitungen gab es immer wieder Beispiele von Priestern, die ins Verschwörermilieu abgedriftet sind und die dann in der Regel von oberer Stelle auch sanktioniert worden sind. 

    Auch Sie sind einst von einem Bischof ermahnt worden – zumindest hatte der sich eingemischt, als Sie vor einigen Jahren eine Kolumne in der als rechts gewandt geltenden Wochenzeitung „Junge Freiheit“ veröffentlicht haben. Sehen Sie sich als geläutert?
    OBLINGER: Man sieht im Rückblick Dinge immer anders, als wenn man drinsteckt. Die Junge Freiheit ist eine Wochenzeitung, die unterschiedliches konservatives Milieu abbildet. Mit manchem kann ich mich durchaus anfreunden, mit anderem gar nicht. Geschrieben habe ich da nur über religiöse und kulturelle Themen, schwerpunktmäßig über französische Literatur. Aber der damalige Bischof Konrad Zdarsa hat es nicht für günstig erachtet, für so eine Zeitung zu schreiben. Ich habe das dann so angenommen und habe auch darüber nachgedacht: Der Bischof hatte Recht und hat mich da womöglich auch vor manchen gefährlichen Wegen bewahrt. Wobei ich anmerken möchte: Für nationalistische Themen war ich nie ansprechbar. Ich bin nahe der französischen Grenze aufgewachsen. Von daher ist mir die deutsch-französische Freundschaft und ein vereintes Europa ein Herzensanliegen, für das ich mich seit vielen Jahrzehnten engagiere. 

    Wo ziehen Sie heute die rote Linie nach rechts?
    OBLINGER: Wenn es um Meinungen geht, kann man unterschiedliche Meinungen vertreten. Wenn es um Fakten geht, also alternative Fakten, dann ist das abzulehnen. Das ist das eine. Das andere ist für mich der Ton: Hassrede und menschenverachtende Rede gehen gar nicht. 

    Hat die Kirche denn auch die Verantwortung, sich aktiv an der gesellschaftlich-politischen Debatte zu beteiligen?
    OBLINGER: Schauen Sie, unser Papst Franziskus hat in seiner bisher zehnjährigen Amtszeit drei Enzykliken, also päpstliche Lehrschreiben verfasst. Im ersten ging es um den Glauben, im zweiten um Schöpfung und Klimawandel und im dritten um die Geschwisterlichkeit der Menschen religionsübergreifend. Unser Papst ist sehr wohl für konservative Meinungen, wie den Schutz des ungeborenen Lebens und findet da auch deutliche Worte. Aber ich muss auch ernst nehmen, was er sonst für Programmpunkte vorgibt. Und es ist Aufgabe der Priester, die Impulse, die vom Papst gesetzt werden, aufzugreifen. Auch wenn ich merke, dass manch einer nicht mitzieht. Kirche hat eine eigene Botschaft und es ist wichtig, dass wir Profil zeigen in der Gesellschaft.

    Kann das im Idealfall eine Alternative zur Alternative für Deutschland sein, wenn Sie als Kirche diese konservativen, aber durchaus noch von der christlichen Lehre und Nächstenliebe gedeckten Themen anbieten?
    OBLINGER: Christlicher Lebensstil ist immer – seit 2000 Jahren – eine Alternative. Sie haben jetzt auch das Stichwort „Nächstenliebe“ genannt. Gottesliebe und Nächstenliebe, so hat Jesus die zehn Gebote neutestamentlich zusammengefasst. Wenn ich ausgehe vom Wort konservativ, also bewahrend, meint das auch, das Leben bewahrend, die Schöpfung bewahrend und verantwortungsbewusst mit dem Klima umzugehen. Das hängt für mich alles zusammen. 

    Wie blicken Sie auf die Zukunft der Gebetsstätte Marienfried? Was gilt es da zu bewahren?
    OBLINGER: Sie sagen zurecht, Marienfried habe immer den Ruf gehabt, konservativ zu sein. Marienfried hatte aber auch immer den Ruf, besonders papsttreu zu sein. Ich wünsche mir, dass wir das bleiben und mit Papst Franziskus den Weg in die Zukunft gehen, so wie er ihn uns weist.

    Zur Person

    Georg Alois Oblinger ist Priester der Diözese Augsburg. Seit fünf Jahren leitet der 56-Jährige die Gebetsstätte Marienfried bei Pfaffenhofen.

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