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Pepperparties und der Spaß am Sex: Esther Freund aus Neu-Ulm verkauft Dildos und Co

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Mehr als Dildos und Sex-Spielzeug: Ihre Leidenschaft sind "PepperParties"

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    Esther Freund aus dem Neu-Ulmer Stadtteil Reutti leitet mit 291 Beraterinnen das größte "PepperParties"-Team in Deutschland.
    Esther Freund aus dem Neu-Ulmer Stadtteil Reutti leitet mit 291 Beraterinnen das größte "PepperParties"-Team in Deutschland. Foto: Alexander Kaya

    Bei einer Tupperparty geht es um Vesperdosen, bei Prowin um Putzmittel. Seit knapp elf Jahren richtet Esther Freund sogenannte "PepperParties" aus. Das Prozedere ist eigentlich gleich – nur verkauft sie Vibratoren, Gleitgel, Reizwäsche und viele andere Sex-Utensilien. Die 65-Jährige lebt im Neu-Ulmer Stadtteil Reutti. Ihre heiße Ware mit Namen wie "Dark Queen", "Love Double" oder auch "Black Beauty" bringt sie in beinahe ganz Süddeutschland unters überwiegend weibliche Volk. Dabei, erzählt sie, gehe es oft gar nicht immer um das Produkt.

    Esther Freund ist verheiratet und hat zwei Katzen. Die gebürtige Ulmerin ist gelernte Bauzeichnerin. Geld hat sie damit aber nicht wirklich verdient. 13 Jahre lang ging es für sie quer durch die Gastronomie: vom Theken-Job im einstigen Nachtlokal Kolibri in Ulm über eine Anstellung an einer Raststätte bis hin zur Pizza-Lieferantin. Sie hat schon Wäsche gebügelt und saß im Supermarkt an der Kasse. "Fragen Sie lieber, was ich noch nicht gemacht habe", sagt Freund.

    Über ihre letzte Wirkungsstätte wurde sie auf das Unternehmen "PepperParties" und dessen Geschäftsidee aufmerksam. Freund verkaufte damals noch Versicherungen. Von ihren Kollegen wurde sie im April 2011 darum gebeten, "einen netten Abend" zu organisieren mit der Vorgabe: "Eine Tupperparty wollen wir nicht." Alternativen gab es zwar: Schmuck-, Schmink-, Schal- und/oder Putzparty. Aber das war ihr alles zu langweilig. Am Ende wurde es eine Dildo-Party.

    "PepperParty" mit Betrunkenen endete für die Verkäuferin aus Reutti im Chaos

    Als die Vertreterin von "PepperParties" kam und Freund die Runde miterleben durfte, war sie begeistert und dachte sich: "Geile Sache, das kann ich doch auch." Was ihr imponierte: die im Vergleich zum trockenen Versicherungsgeschäft "ganz andere, lustige, legere und lockere Art". Erst machte sie den Erotik-Direktvertrieb nebenher, doch dann war der Kalender "ruckizucki" voll. An ihren ersten Verkaufstermin kann sie sich noch erinnern. "Ich war ziemlich nervös." Die Party "mit lauter Betrunkenen" endete "ziemlich chaotisch": Die Produkte flogen durch die Gegend, der Umsatz war gleich null.

    Doch es wurde besser. Die Interessentinnen und Interessenten seien querbeet verteilt. Das Format der "PepperParties" passe zwar in die Zielgruppe der Junggesellinnenabschiede. "Aber da ist die Kauffreude nicht so groß", sagt Freund. Dass Männer mal mit von der Partie sind, sei selten. "Männer sehen den Vibrator als Konkurrenz und glauben, dass das, was sie in der Hose haben, ausreicht." Dabei sei diese Denkweise genau das Problem. "Der Penis an sich ist eine Fehlkonstruktion." Der sei von der Anatomie her gar nicht dafür geschaffen, das zu erzeugen, was die Frau braucht, um sie zu befriedigen. Daher empfindet Freund es als "unheimlich schön", wenn auch Paare für sich entscheiden, Spielzeuge beim Geschlechtsverkehr zuzulassen. Doch oft würde es allein schon helfen, wenn darüber offen gesprochen werde. Viele Männer müssten zudem erst einmal verstehen: "Der Sex aus dem Pornofilm ist kein realer Sex."

    Bei PepperParties werden verschiedenste Sexspielzeuge gezeigt.
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    Esther Freund aus dem Neu-Ulmer Stadtteil Reutti veranstaltet seit elf Jahren schon sogenannte "PepperParties". Dort werden unter anderem diese beliebten Sex-Utensilien verkauft.

    Zwischen acht und 160 Euro kosten die Erotik-Artikel. Das Angebot reicht vom Desinfektionsmittel und dem Gleitgel über die Reizwäsche und einem "Verzögerungsspray" bis hin zum Vibrator. Am beliebtesten seien sogenannte Liebeskugeln, die dabei helfen, die Muskulatur im Beckenboden zu trainieren. Zur Verkaufsstrategie sagt Freund: "Es geht nicht um Produkte, wir verkaufen Gefühle und Emotionen." Welche Stufen ein Vibrator hat oder welches Material verbaut wurde, sei weniger wichtig. Worauf es eher ankomme: Fühlt sie schon den Orgasmus, wenn sie das Gerät in der Hand hält? Doch die 65-Jährige weiß auch: "Man muss mit Fingerspitzengefühl rangehen." Wer vorne steht, müsse einschätzen können, mit wem er es zu tun. Da kann auch ein "Mauerblümchen" dabei sein, die "alles in der Schublade hat". Meist seien die Kundinnen erst schüchtern, irgendwann aber ist der "Knackpunkt weg und man entspannt sich".

    Esther Freund schult knapp 300 Frauen beim Verkauf von Sex-Spielzeug

    Mit ihrem Wissen und ihren Erfahrungen ist Freund nun nicht mehr nur selbst vor Ort in den Wohnzimmern im Umkreis von 100 Kilometern rund um Ulm im Einsatz. Sie leitet inzwischen im Moment auch das nach eigenen Angaben größte "PepperParties"-Team in der Bundesrepublik. 291 Beraterinnen werden von ihr geschult und würden quasi auch für sie arbeiten. Freund ist an deren Erfolg mit einer Provision beteiligt. Je mehr Umsatz ihre Beraterinnen bei einem Termin machen, desto besser für sie. Um die 3000 Euro Umsatz mache Freund aktuell im Monat. Doch die Corona-Pandemie hat auch ihre Branche schwer getroffen. Zwar hätten Partys auch online stattgefunden. Das habe zwar auch funktioniert, sei aber keineswegs zu vergleichen.

    Unternehmensweit sei sie derzeit die Älteste. Bis sie 70 ist, will Esther Freund auf jeden Fall noch weitermachen – sofern die körperliche Fitness es zulässt. Negative Erfahrungen mit ihrem Job habe sie bislang nicht gemacht. Auch nicht, dass Menschen aus ihrem Umfeld schlecht über sie reden würden. "Ich gehe ganz offen mit dem Thema und meiner Tätigkeit um. Wir machen ja nichts Anrüchiges." Ganz im Gegenteil, meint sie: "Wir klären Menschen auf, glücklicheren Sex mit dem Partner zu haben und sich selber besser kennenzulernen."

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