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Ohne Arme geboren: Wie Hornist Felix Klieser alle Widerstände überwand

Interview

Hornist Felix Klieser: Dafür braucht es keine Arme und Hände

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    Felix Klieser ist Profihornist – und ohne Arme geboren. Am 3. März gibt er ein Konzert in Ulm.
    Felix Klieser ist Profihornist – und ohne Arme geboren. Am 3. März gibt er ein Konzert in Ulm. Foto: MJ Kim

    Herr Klieser, sprechen wir den Elefanten im Raum doch einfach gleich mal an. Sie sind ohne Arme geboren und spielen Horn. Wie geht das?
    KLIESER: (lacht) Dazu muss man erstmal sagen: Horn spielt man zu 95 Prozent mit dem Mund. Da haben weder Finger noch Hände noch Füße etwas damit zu tun. Zum Spielen pustet man Luft durch die Lippen, die man dabei zusammenpresst, um eine Schwingung zu erzeugen. Und wenn wir Blechbläser – also auch Trompeter oder Posaunisten – die Tonhöhe verändern wollen, dann macht man das mit der Lippenspannung. Der Großteil der Arbeit findet da tatsächlich mit Mund, Oberkörper und Luftführung statt.

    Wenn ich mir jetzt aber einen Hornspieler vorstelle, dann habe ich das Bild eines Musikers im Kopf, der links die Finger an den Ventilen und rechts die Hand im Schallbecher hat um die Intonation zu steuern. Irgendwas müssen Sie ja trotzdem anders machen. Geht das mit einem normalen Instrument oder haben Sie eine Spezialanfertigung?
    KLIESER: Ich spiele auf einem ganz normalen Instrument. Das Horn hat nur drei Ventile. Die zu bedienen ist eigentlich keine große Herausforderung. Ich mache das mit dem linken Fuß. Ein Horn ist ja kein Klavier oder keine Geige – also keines von diesen Instrumenten, bei denen Fingerfertigkeit wirklich das oberste Gebot ist.

    Wann und wie haben Sie denn das Horn als Instrument für sich entdeckt?
    KLIESER: Ich war damals vier Jahre alt, als ich Horn spielen wollte. Und das war schon eine kleine Überraschung. Keiner in meiner Familie und mich herum hatte irgendetwas mit Musik zu tun. Niemand hat ein Instrument gespielt. Ich war nie im Konzert und habe auch nie einen Hornisten getroffen. Mir ist es bis heute ein Rätsel, woher der Wunsch kam, Horn zu spielen. Und als ich damit zu meinen Eltern gegangen bin, haben die mich groß angeguckt und gefragt, was ich damit meine.

    Konnten ihre Eltern Sie damals an einer gewöhnlichen Musikschule anmelden? Sie spielen das Instrument ja doch ein bisschen anders als andere. Konnte Ihnen das ein normaler Musiklehrer überhaupt beibringen?
    KLIESER: Ja klar. Wie ich eben schon sagte: Zum Hornspielen brauche ich zu 95 Prozent meine Lippen. Das bedeutet, man setzt sich erstmal hin, man pustet rein, man versucht, irgendwie einen Ton rauszukriegen. Und wenn das endlich geschafft ist, versucht man einen zweiten Ton rauszukriegen. Dann geht es darum, diese beiden Töne miteinander zu kombinieren. Das sollte jeder Lehrer seinen Schülern beibringen können. Aber es gibt an Schulen oft das leidige Argument „dafür haben wir keine Ausbildung“. Und das ist dann doch eine etwas schwache Ausrede. Jede Lehrkraft muss die Fähigkeit besitzen, sich individuell auf Menschen einzustellen. Das habe auch ich gelernt, als ich angefangen habe, selbst zu unterrichten. Schüler und Studenten sind ganz unterschiedlich und haben ganz verschiedene Probleme. Was Lehrkräfte auszeichnet, ist die Personen und ihre Fähigkeiten individuell zu verstehen und dann auch individuell zu fördern.

    Solange es ein Hobby war, unterstützte Ihr Umfeld Ihr Horn spielen. Änderte sich das, als Sie den Wunsch geäußert haben, das beruflich zu machen? Gab es da dann plötzlich mehr Ablehnung oder Skepsis?
    KLIESER: Ich würde es Widerstände nennen. Aber das ist natürlich in vielen Lebensbereichen so. Je weiter man sich nach oben arbeitet, desto dünner wird die Luft. Und ich bin ja tatsächlich schon mit 13 Jahren als Jungstudent an die Musikhochschule gekommen. Da ging es natürlich los, dass Leute gesagt haben: „Mensch, der nimmt jetzt jemanden den Platz weg, der eine realistische Chance auf dem Markt hat.“ Aber wenn man dann doch erfolgreich ist, dann wendet sich alles um 180 Grad. Dann finden das plötzlich alle ganz prima und man ist ein klasse Vorbild.

    Ihr Buch trägt den Titel „Stell dir vor, es geht nicht, und einer tut es doch“. Dieses „es geht nicht“ haben Sie ja oft gehört. Woher gab Ihnen die Motivation, sich durchzubeißen und diese Widerstände zu überwinden?
    KLIESER: Ich bin davon überzeugt, dass jeder viel erreichen kann, wenn er eine Leidenschaft hat und diese Leidenschaft wirklich von einem selbst kommt und nicht von außen durch Eltern oder Lehrern aufgestülpt wird. Bei mir war das damals so, dass ich mit neun Jahren von meinem Hornlehrer eine CD mit Mozarts Hornkonzerten geschenkt bekommen habe. Da war ich noch in der Musikschule und habe fast immer allein vor mich hin gespielt. Dann habe ich auf dieser CD gehört, dass man Horn auch als Solist gemeinsam mit einem Orchester spielen kann und mir war klar: Das will ich auch. Das war mein Antrieb, meine Motivation. Da ging es nicht ums Geld verdienen, um Karriere oder um Erfolg, sondern das ganz einfache Ziel, einmal im Leben als Solist mit einem Orchester auf der Bühne zu stehen. Und ich glaube, wenn man so eine große Leidenschaft hat, dann ist man bereit, auch mal den ein oder anderen Extrameter zu gehen. Egal ob das im Sport, in der Musik oder in der Wirtschaft ist, je weiter man kommt, desto anstrengender wird es, desto mehr Widerstände gibt es, desto mehr muss man beißen und kämpfen. Da heißt es dann dranbleiben, sich Dinge zuzumuten, sich selbst auch ein bisschen zu vertrauen und vor allem mit sich selbst nett und freundlich umzugehen.

    Ist das die Lektion, die Sie dem Leser in ihrem Buch mitgeben? Leidenschaft haben und dranbleiben?
    KLIESER: Mein Ziel war es, den Menschen Mut zu machen. Mein Buch wurde schon oft als Autobiografie bezeichnet, was es gar nicht ist. Es geht darin nicht in erster Linie um mich, sondern um die Person, die das Buch liest. Den Lesern Mut und Hoffnung zu machen war das Ziel. Und zu zeigen, dass es gar nicht immer darum geht, besondere Fähigkeiten oder Talente zu haben, sondern dass wir verantwortlich dafür sind, was wir aus unserem Leben machen und was nicht. Das, was wir selbst beeinflussen können, ist oft wesentlich größer als das, was wir für unser Leben mitbekommen haben.

    In Ihrem Buch schreiben Sie auch, dass sie manchmal das Gefühl haben, das Publikum sei oft schon begeistert, wenn sie einfach nur Noten umblättern – eine äußerst banale Tätigkeit. Stört Sie das noch, dass Sie gelegentlich auch dafür Applaus bekommen?
    KLIESER: Ich glaube, die Schwäche unseres menschlichen Gehirns besteht darin, dass wir Situationen oder Zusammenhänge sehr subjektiv einschätzen. Dass wir, Dinge, die wir sehen, höher bewerten. Stellen Sie sich mal vor, der Klimawandel wäre ein kleines Monster, das von Tag zu Tag etwas größer wird. Und dieses Monster läuft herum, verbrennt Häuser, verbrennt Wälder und tötet Menschen. Die Priorität wäre auf einmal eine komplett andere. Und genau das ist unsere Schwäche: Was wir sehen, wird wichtig. Und was man bei mir sieht, sind eben die fehlenden Arme. Deswegen denken die Leute, das sei meine oberste Schwierigkeit. Was sie verwirrt ist, dass das Muster „was ich sehen kann, muss schlimm sein“ nicht aufgeht. Aber ich kann aus meiner Perspektive sagen: Ein Blatt umzublättern ist für mich wahrscheinlich exakt genauso kompliziert wie es für Sie ist.

    Sie hatten vorhin erwähnt, dass Mozarts Hornkonzerte bei Ihnen den Wunsch ausgelöst haben, Hornsolist zu werden. Am 3. März spielen Sie beim „Carnaval du Cor“ in der Ulmer Pauluskirche. Steht Mozart da zufällig auf dem Programm?
    KLIESER: Tatsächlich haben wir zumindest einen Teil eines von Mozarts vier Hornkonzerten im Programm, nämlich den 3. Satz, das Rondo, aus dem Hornkonzert KV 495, arrangiert von Matthias Pflaum mit einem kleinen Hornorchester zur Begleitung.

    Termin

    Felix Klieser tritt im Rahmen des Hornfestivals „Carnaval du Cor“ am Rosenmontag, 3. März, in der Ulmer Pauluskirche auf. Der Eintritt ist frei, neben Klieser spielen dort rund 90 weitere Profi- und Laienhornisten. Ab 18 Uhr stellt er im Gespräch mit Literaturwissenschaftlerin Kathrin Liebhäuser sein Buch vor, um 19 Uhr beginnt das Konzert.

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