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Oberelchingen: Zwischenrufe und Nazivergleich stören Hofreiter-Auftritt in Elchingen

Oberelchingen

Zwischenrufe und Nazivergleich stören Hofreiter-Auftritt in Elchingen

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    Rund 120 Menschen waren zum Auftritt von Anton Hofreiter ins Konstantin-Vidal-Haus in Elchingen gekommen.
    Rund 120 Menschen waren zum Auftritt von Anton Hofreiter ins Konstantin-Vidal-Haus in Elchingen gekommen. Foto: Peter Koppel

    Es ist kurz nach 19.30 Uhr. Der Redner in Wanderschuhen, zerschlissenen Jeans und Sakko ist schon einige Male unterbrochen und verlacht worden. Da steht ein Mann in der letzten Reihe auf ruft: "Ich bin auch nicht dafür, was der Herr Hofreiter sagt, aber ihr müsst euch an die Regeln halten." Beifall brandet auf, und zumindest für ein paar Augenblicke wird es ruhiger im Oberelchinger Konstantin-Vidal-Haus. Rund 120 Menschen sind am Montagabend gekommen, um dem Grünenpolitiker Anton Hofreiter zuzuhören oder um ihm ins Wort zu fallen. Der Bundestagsabgeordnete beantwortet mit schwankender Geduld Fragen, Vorhaltungen und Beleidigungen.

    Der 53-Jährige ist der erste prominente Grüne, der im Wahlkampf im Landkreis auftritt. Am Sonntag, 17. September, wollen sich die beiden bayerischen Fraktionsspitzen Katharina Schulze und Ludwig Hartmann auf dem Neu-Ulmer Petrusplatz Fragen stellen. Dass Hofreiter polarisiert, ist nicht neu. Doch sein Werben für militärische Unterstützung der Ukraine hat ihm zum Feindbild vieler gemacht, die sich für ein Ende dieser Hilfen einsetzen. Viele Fragen, denen sich Hofreiter am Montagabend stellen muss, drehen sich um das Kämpfen und sind mit Kritik verknüpft.

    Viele Zwischenrufe bei Auftritt von Toni Hofreiter in Elchingen

    Es sei verrückt, die Ukraine zu unterstützen, sagt ein Mann. Beide Seiten begingen Kriegsverbrechen, und Hofreiter selbst habe sich früher immer für Frieden und Abrüstung eingesetzt. Der kontert: "Wenn die Ukraine aufhört zu kämpfen, hört die Ukraine auf zu existieren." Keine Unterstützung zu leisten, sei unterlassene Hilfeleistung. Das halte er für moralisch falsch "und auch in unserem Sinne nicht für klug". Nur Wladimir Putin könne den Krieg beenden, für ihn müsse das Weiterkämpfen schlechter sein als das Aufhören. Als Anton Hofreiter diese erste Frage beantwortet, hat Moderator Alpay Artun bereits einen Mann des Saales verwiesen. Der zeigt sein Plakat mit der Aufschrift "Landsknecht Toni Hofreiter Kriegstreiber" noch einmal in die Runde und geht. Ein anderer, der immer wieder hineinruft, muss die Veranstaltung wenige Minuten später verlassen.

    Begonnen hat der Abend mit Ausführungen zur Klimakrise. Der promovierte Biologe Hofreiter erklärt Gründe für Erderwärmung, Dürren und Starkregen mit Bildern aus Garten und Küche. "Weil wir kein Fenster aufmachen können in der Atmosphäre, wird es wärmer auf unserem Planeten", sagt er. Zwischenrufe ignoriert Hofreiter genauso wie das laute Gelächter auf seine Aussagen zu steigender Effizienz und sinkenden Kosten bei Solarstrom. Dann spricht er über die Demokratie. Sie sei gefährdet wie wohl noch nie seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Teile des Publikums johlen. Hofreiters Worte zur Ukraine und ihrer jüngeren Geschichte sowie seine scharfe Kritik an der russischen Kriegsführung sind teilweise kaum zu verstehen. "Können wir vielleicht mal zuhören?", ruft eine Frau gegen den Lärm an. Ihr Wunsch verhallt.

    Grüne

    spricht über Klimaschutz und Ukraine-Krieg

    Hofreiter, der früh nach Kriegsbeginn in die Ukraine gereist war, hebt das angegriffene Land als das einzige hervor, das alle Atomwaffen freiwillig abgegeben habe – gegen Sicherheitsgarantien der USA, Großbritanniens und Russland. Werde die Ukraine nun nicht unterstützt, dann könne Abrüstung nie wieder funktionieren, weil das Versprechen unglaubwürdig geworden sei. Putin werde seinen Eroberungsfeldzug ausweiten, auf die Republik Moldau und weitere Staaten. "Und deshalb ist es so entscheidend, dass wir die Ukraine unterstützen", ruft der Grüne. "Mörder, Mörder", schreien ihm Teile des Publikums entgegen.

    Bevor die Fragerunde beginnt, fordert Moderator Artun Respekt und gute Kinderstube ein. Fast alle Wortmeldungen sind voller Kritik. Es geht um den Umstieg auf Strom als Energiequelle beim Heizen, um durch Sanktionen verursachte Probleme in Deutschland, um Kosten durch die Klimaneutralität, um Tierschutz und um Transsexuelle, die Kindern vorlesen. Hofreiter antwortet ausführlich, widerspricht oft und keilt manchmal zurück.

    Am 8. Oktober ist Landtagswahl in Bayern

    Eine Besucherin behauptet, die EU schreibe vor, dass Menschen Insekten essen müssen. "Sie sind eine erwachsene Frau. Sie können lesen, Sie können schreiben. Und dann erzählen Sie hier so einen Unsinn", teilt Hofreiter aus. Hier zeige sich, wie Propaganda funktioniere und wie sich Fake News in den Gedanken von Menschen festsetzen. "Glauben Sie wirklich, dass es in Europa eine Vorschrift gibt, dass Ihnen Insekten ins Essen gemischt werden?", fragt er und sagt mehrmals: "Passen Sie auf Ihr Gehirn auf!"

    Dann spricht Querdenker Daniel Langhans, der selbst erfolglos für den Bundestag kandidiert und bei Kundgebungen mehrmals Eklats verursacht hat. Die Menschen in Deutschland fühlten sich wie in einer Diktatur, behauptet er und fragt Hofreiter: "Setzen Sie sich nach Südamerika ab, wenn die Grünen das Land wirtschaftlich an die Wand gefahren haben, wie es über die Rattenlinie in einem anderen totalitären System geschehen ist?" NS-Verbrecher verließen Deutschland auf diese Weise. "Sie beschämen und beleidigen Menschen, die in einer echten Diktatur leben", antwortet Hofreiter auf den Nazivergleich.

    Julia Probst und Leila Bagci kandidieren im Stimmkreis Neu-Ulm

    Alpay Artun stellt die örtlichen Kandidatinnen Julia Probst (Landtag) und Leila Bagci (Bezirkstag) vor, die Fragen werden nüchterner und die Zwischenrufe weniger. Dann beantwortet Hofreiter ein letztes Mal drei Fragen – und beendet den Abend mit einem Appell: "Wählen Sie gerne die Grünen, aber wählen Sie vor allem demokratisch." Die AfD sei zutiefst verfassungsfeindlich, das habe auch dieser Abend gezeigt. "Lüge, Lüge", ruft jemand aus dem Publikum in den lautstarken Applaus hinein. 

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