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Neu-Ulm: Was eine blinde Seniorin und eine junge Studentin gemeinsam erleben

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Was eine blinde Seniorin und eine junge Studentin gemeinsam erleben

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    Gertrud Vaas (Mitte) hat Giada Scapin (rechts) über den von Susanne Ritter (links) geleiteten Senioren-Besuchsdienst der Caritas kennengelernt und gehen seitdem wöchentlich spazieren.
    Gertrud Vaas (Mitte) hat Giada Scapin (rechts) über den von Susanne Ritter (links) geleiteten Senioren-Besuchsdienst der Caritas kennengelernt und gehen seitdem wöchentlich spazieren. Foto: Stefan Kuemmritz

    Wenn man Gertrud Vaas und Giada Scapin so nebeneinander am Tisch sitzen sieht, denkt man unwillkürlich: Wie ungleich sie doch sind. über den Neu-Ulmer Seniorenbesuchsdienst, der von Caritas-Mitarbeiterin Susanne Ritter geleitet wird, kennengelernt und von Anfang an prächtig verstanden. 

    Über den Seniorenbesuchsdienst der Caritas haben sie zusammengefunden

    Jeden Dienstag kommt die junge Studentin zwischen 17 und 18 Uhr, um mit der blinden Frau spazieren zu gehen, im Sommer mal Eis zu essen, einzukaufen und vor allem, um sich angeregt zu unterhalten. „Gertrud zeigt mir dann so viel in der Stadt, was ich noch gar nicht kannte, und sie weiß alle Straßennamen“, berichtet Giada Scapin. „Sie ist die Personifizierung von Google Maps.“ Gertrud Vaas sieht nichts und kennt sich doch bestens aus. 

    Susanne Ritter hat damals das erste Treffen der beiden arrangiert, wie sie das mit anderen schon oft getan hat. Aber das Verhältnis zwischen Vaas und Scapin ist für sie ein besonderes. „Es ist ein absoluter Glücksfall. Die beiden passen bestens zusammen.“ Giada Scapin ist Italienerin und stammt aus Bassano del Grappa. Sie spricht perfekt Deutsch, weil sie die Sprache schon etwas in der Schule und dann beim ersten Studium in Österreich sowie als Au-pair-Mädchen in Neu-Ulm gelernt hat.

    Giada Scapin studiert seit 2023 an der Hochschule Ulm

    Seit Januar 2023 absolviert sie in Ulm an der Internationalen Hochschule ein duales Studium im Marketingmanagement. „Da studiere ich 20 Stunden pro Woche und arbeite 20 Stunden bei Pervormance International“, erzählt sie. „Mein Ziel war immer, für ein internationales Unternehmen zu arbeiten, mich um Import und Export zu kümmern.“ In

    „Ich bin quasi bei meinen Großeltern aufgewachsen“, berichtet Scapin, wie es dazu kam. „Ich habe sie vermisst und wollte etwas mit Senioren machen. Meine Gastfamilie hat mich auf den Seniorenbesuchsdienst hingewiesen. Dann bin ich zu Frau Ritter gekommen und die hat mich an Gertrud vermittelt.“

    Die in Unterweiler geborene Gertrud Vaas ist blind und doch unwahrscheinlich selbstständig, sodass ihr berufstätiger Partner, mit dem sie seit 24 Jahren zusammenlebt, wie auch Giada Scapin in vielen Situationen gar nicht so viel helfen muss. „Ich bin schon sehbehindert auf die Welt gekommen“, erzählt die Seniorin. „Dann wurde es immer schlechter und inzwischen sehe ich gar nichts mehr.“

    Sie hat länger in Wiblingen gewohnt und lebt heute in Neu-Ulm. Bei der Nikolauspflege in Stuttgart hat sie ihren Schulabschluss gemacht und dann verschiedene Berufsausbildungen, unter anderem als Telefonistin. Sie arbeitete bei Kässbohrer, bei der Post und der Telekom. „Drei Jahre lang musste ich berufsmäßig nach Augsburg. Da bin ich morgens abgeholt und abends heimgebracht worden. Als dieser Dienst eingestellt wurde, habe ich mit Arbeiten aufgehört. Da war ich 57.“ Aber zur Ruhe gesetzt hat sich Gertrud Vaas keineswegs.

    Gertrud Vaas ist sehbehindert auf die Welt gekommen

    Seit neun Jahren leitet sie ehrenamtlich die Alb-Donau-Riss-Gruppe des Blinden- und Sehbehindertenverbands Württemberg. „Wir machen da ein Topprogramm“, sagt sie. „Wir machen Drachenbootfahrten auf der Donau, es gibt Infofahrten und jetzt bieten wir erstmals einen Selbstverteidigungskurs an.“ Beim „Blickpunkt Auge“ ist sie dabei und ist der mobile Teil eines Zwei-Personen-Beratungsbüros in Wiblingen. Unter anderem für Vorträge ist sie ständig im Umkreis von etwa 50 Kilometern unterwegs.

    Bei den Bahnfahrten hilft Zugpersonal dabei, dass sie am richtigen Bahnsteig in den richtigen Zug steigt, und am Zielort wird sie in Empfang genommen. „Natürlich muss ich mich vorher anmelden.“ Vaas, die zweimal pro Woche auch ins Fitnessstudio geht, hat an der Uni an einem Projekt zum autonomen Fahren teilgenommen, hat schon lange die Blindenschrift gelernt und kann dank technischer Hilfen Mails schreiben und per Smartphone auf jede Weise kommunizieren.

    Die Caritas Neu-Ulm sucht weitere Helferinnen und Helfer

    Und obwohl die 67-Jährige recht selbstständig ist, freut sie sich über den Besuch und die durchaus benötigten Hilfen von Giada Scapin. Dass die beiden zusammengekommen sind, haben sie dem Seniorenbesuchsdienst zu verdanken. „Wir haben schon viele Ehrenamtliche vermittelt und wir fragen dann auch immer mal nach, wie es läuft“, sagt Susanne Ritter. „Da geht sehr viel auf der Vertrauensebene. Der Kontakt der Besuchshelfer mit uns läuft völlig freiwillig ab. Aber wir suchen noch weitere Helfer.“ 

    Ritter organisiert zweimal im Jahr Dankeschönessen für die Helfer und Fortbildungen für diese, außerdem bietet sie Vorträge und Stunden zum gegenseitigen Austausch an. „Wir hatten schon öfter Studenten, die sich um Senioren kümmern, und haben nur gute Erfahrungen gemacht“, sagt sie. Das trifft auch auf Gertrud Vaas und Giada Scapin zu. Beide sind sehr offen und die Seniorin sagt selbstbewusst: „Ich bin ein ganz normaler Mensch, bis auf meine Augen.“ 

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