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Neu-Ulm: Vorwurf der Zensur: Neu-Ulm verbietet Russlandvortrag im Edwin-Scharff-Haus

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Vorwurf der Zensur: Neu-Ulm verbietet Russlandvortrag im Edwin-Scharff-Haus

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    In der Online-Programmvorschau des Edwin-Scharff-Hauses heißt es unmissverständlich: Der Diavortrag über Russland ist abgesagt.
    In der Online-Programmvorschau des Edwin-Scharff-Hauses heißt es unmissverständlich: Der Diavortrag über Russland ist abgesagt. Foto: Alexander Kaya

    Russland steht auf der internationalen Beliebtheitsskala seit dem Überfall auf die Ukraine ganz unten auf der Beliebtheitsskala. Aber muss deswegen ein Reisevortrag über das Land untersagt werden? Das ist jetzt in Neu-Ulm passiert. Der Blausteiner Abenteurer Carsten Schmidt wollte am kommenden Freitag im Edwin-Scharff-Haus über seine Russlandreisen berichten. Doch das habe ihm die Oberbürgermeisterin Katrin Albsteiger verboten – wegen "Sicherheitsbedenken". Das sagt die Stadt dazu.

    Carsten Schmidt versichert in einer Mitteilung an die Redaktion, bei seinem Auftritt sollte es nicht um Politik gehen, sondern einfach nur um Land und Leute. Sechs Monate habe er in Russland zugebracht, sei 50.000 Kilometer gereist. "Kernthema sind Landschaften, Kulturen, Menschen und Natur", versichert er. Es gehe ihm nicht um Tagespolitik, zumal er den Vortrag bereits vor dem Ukrainekrieg ausgearbeitet habe. Vor dem Hintergrund dieses Konflikts seien doch gerade jetzt Hintergrundinformationen von Interesse, welche die Denkweise in Russland bestimmen und die der Referent lange Jahre vor dem Krieg gesammelt habe.

    Referent des Russland-Vortrags will "Hintergrundinformationen" liefern

    Schmidt wörtlich: "Gebot der Situation sollte sein, auf eine Verständigung hinzuarbeiten, eine Lösung für einen dauerhaften – nachhaltigen – Frieden zu finden. Dies kann aber nur mit Hintergrundwissen zu den Gegnern gelingen." Doch das sei nun durch die Oberbürgermeisterin unterbunden worden. "Es ist nicht akzeptabel, einen solchen Vortrag zu verbieten, weil sich eine Politikerin den Applaus einer mutmaßlichen Mehrheit erhofft oder zumindest glaubt, Ärger mit einer aggressiven Minderheit zu vermeiden", so Schmidt.

    Die Absage schildert der verhinderte Referent so: Die Oberbürgermeisterin habe das Edwin-Scharff-Haus angewiesen, den Vortrag abzusagen. Als Begründung habe es zunächst geheißen, eine nicht näher benannte Frau habe sich bei Katrin Albsteiger beschwert, dass in Neu-Ulm ein Vortrag stattfinde, „bei dem nicht ausgeschlossen werden kann, dass auch Positives über Russland vorkäme, und seien es auch nur schöne Bilder“. Auf Nachfrage habe Sebastian Kaida, persönlicher Referent der Oberbürgermeisterin, zunächst gesagt, dass eine Störung durch „eine Demonstration gegen Russland“ zum Vortragstermin nicht ausgeschlossen werden könne. Im Gespräch habe Kaida vor allem Fragen zum Inhalt des Vortrags gestellt, was wiederum bei Schmidt den Verdacht nährte, es gehe Albsteiger um die Meinungshoheit, "mithin Zensur".

    Einen Tag nach dem Gespräch habe Sebastian Kaida "Sicherheitsbedenken" als Begründung für die Absage genannt, dies jedoch nicht präzisiert. Schmidt sieht in diesem Vorgang einen klaren Vertragsbruch. Er meint: "Es ist nicht akzeptabel, wenn Politiker vorgeben wollen, was Bürger sehen und hören dürfen. Selbst das Verbot eines nicht opportunen politischen Vortrags würde mehreren Grundrechten widersprechen."

    Die Oberbürgermeisterin hat am Montagabend reagiert und auf Anfrage Stellung bezogen. In einer schriftlich verbreiteten Erklärung heißt es wörtlich: "Grund für die Neubewertung der Durchführung des Russlandvortrags war nicht nur eine Beschwerde, sondern auch die angespannte Gesamtsituation im Zuge des Ukrainekonflikts. Alle Veranstaltungen in städtischen Räumlichkeiten, die im Kontext zu Russland und der Ukraine stehen, wurden daher dahingehend überprüft, ob ein entsprechendes Konfliktpotential auftreten könnte. In Neu-Ulm gibt es eine große ukrainische Gemeinde und viele russischstämmige Bewohnerinnen und Bewohner. Die Situation ist aufgrund des Krieges sehr angespannt. Uns als Stadt ist sehr daran gelegen, die verschiedenen Einwanderungsgruppen zu integrieren, damit ein friedliches Zusammenleben funktioniert."

    Albsteiger zu verbotenem Vortrag in Neu-Ulm: Es ging nicht um Zensur

    Deshalb sei Carsten Schmidt kontaktiert worden, um etwas über den Inhalt des Vortrags zu erfahren. Dabei sei es jedoch in keiner Weise um „Zensur“ durch die Stadt gegangen, sondern "um die angemessene Beratung eines sensiblen Themas mit einem hohen Konfliktpotenzial. Leider zeigte Herr Schmidt hierbei wenig Verständnis für die sensible Thematik und ebenso keine Kooperationsbereitschaft in den offenen Fragen eine einvernehmliche Lösung zu erzielen, was vonseiten der Stadt Neu-Ulm sehr bedauert wird".

    Wie es heißt, lasse die sicherheitspolitische Lage in Neu-Ulm befürchten, dass es zu Spannungen im Vorfeld beziehungsweise während des Vortrags komme. "Aufgrund des Formats kann die Stadt einen neutralen Meinungsaustausch nicht gewährleisten." Albsteiger versichert, es sei nicht das Ansinnen der Stadt Neu-Ulm gewesen, den Vortrag zu zensieren. Es habe verschiedene Versuche gegeben, den Referenten zu einer Änderung des Programms zu bewegen.

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