Ein „Rettungserwerb“ der Bauruine am Neu-Ulmer Petrusplatz durch die Sparkasse Ulm droht zu scheitern. Wie der Sparkassen-Pressesprecher Boris Fazzini auf Nachfrage sagt, seien die Konditionen strittig. Dabei gilt der Rettungserwerb für Immobilien, die selbst in der Zwangsversteigerung keinen Abnehmer finden, in Fachkreisen als so etwas wie ein letzter Ausweg. Doch auch dieser scheint in Sachen Renftle-Ruine versperrt. Die Bauruine könnte so durch nun drohende zähe juristische Streitereien dem Neu-Ulmer Stadtbild noch lange erhalten bleiben.
Alles schien nach der Steinle-Pleite halbwegs glattzugehen: Im Dezember vergangenen Jahres meldete, wie berichtet, Insolvenzverwalter Martin Hörmann, dass das Verkaufsverfahren abgeschlossen sei und die Sparkasse Ulm das Bauprojekt „P3“ in Neu-Ulm übernehme. Doch die Parteien konnten sich nicht einigen. Offiziell gibt Insolvenzverwalter Hörmann keine Stellungnahme ab, da es sich um ein nicht öffentliches Verfahren handle. Inoffiziell ist von Beteiligten zu erfahren, dass um die Anzahlungen von sieben Wohnungskäufern gestritten wird. Diese hatten „beträchtliche Summen“ auf ein Konto der im Herbst in Schwierigkeiten geratenen Firma Steinle Wohnbau überwiesen, um sich Wohnungen im Zehn-Millionen-Euro-Projekt zu sichern. Zwischen 299.000 und 1,1 Millionen Euro sollten die zehn Wohneinheiten im Herzen Neu-Ulms kosten. „Bezugstermin: Sommer 2017“ verkündete eine Anzeige von Tentschert-Immobilien, der die Steinle-Projekte vermarktete.
Die nackten Stahlträger auf dem Petrusplatz rosten weiter
Uneinig seien sich die verhinderten Wohnungskäufer und die Sparkasse Ulm nun, wie die Anzahlungen zu bewerten sind. Wenn bewertet wird, was mit dem Geld bereits gebaut wurde, könnte es sein, dass die Anzahlung futsch ist, wenn der Rohbau abgerissen wird. Oder die Anzahlung wird als Teil des Grundstückswerts berechnet. Dafür müsste aber feststehen, wie viel genau das Land in Neu-Ulms Mitte wert ist. Wie die Sparkasse auf Anfrage bestätigt, werde das nun ermittelt.
Unterdessen rosten die nackten Stahlträger auf dem Petrusplatz weiter vor sich hin, der Rohbau bröckelt ohne Unterlass und erinnert auch im Neu-Ulmer Jubiläumsjahr eher an einen Truppenübungsplatz denn eine prosperierende Innenstadt. Wie lange noch? Diese Frage vermag weder der Sparkassensprecher noch der Insolvenzverwalter zu beantworten. Guter Rat ist teuer. Die jetzige Situation ist ja bereits Ergebnis eines gescheiterten Zwangsversteigerungsverfahrens.
Grundsätzlich hat die Sparkasse Ulm nun drei Möglichkeiten
Die Sparkasse Ulm kam als Gläubiger der im Herbst in Schwierigkeiten geratenen Firma Steinle Wohnbau zum Zug, um zumindest den bereits entstandenen Schaden in Grenzen zu halten. Wie hoch die Verluste für die Sparkasse sind, will Sparkassen-Pressesprecher Fazzini nicht sagen. Doch sie könnten nach Expertenmeinung durchaus im hohen sechsstelligen Bereich liegen. Der Kaufpreis für den Rettungserwerb liegt laut einer Veröffentlichung des Beratungsunternehmens Loancos in der Regel bei sieben Zehntel des Objektwertes. Denn eine Zwangsversteigerung gilt als gescheitert, wenn das Meistgebot 70 Prozent des Verkehrswertes nicht erreicht. Daneben seien verschiedene andere Kosten zu bedenken, die mit einem Rettungserwerb auf den Käufer zukommen, wie zum Beispiel die Grunderwerbssteuer sowie Gerichtsgebühren. Und die Ablösung von anderen Gläubigern, wie etwa den verhinderten Wohnungskäufern.
Grundsätzlich hat die Sparkasse Ulm nun drei Möglichkeiten, wie sie mit dem mutmaßlichen Millionengrab umgeht: weiterbauen oder das Gebäude teilweise oder komplett abreißen. Sparkassen-Sprecher Fazzini will sich aufgrund des laufenden Verfahrens nicht dazu äußern, was die wahrscheinlichste Variante ist. Doch die Zeichen stehen auf Komplettabriss. Experten halten es, wie berichtet, allein aus Gewährleistungsgründen für unwahrscheinlich, dass eine Baufirma dort weiterbaut, wo das Unternehmen Mayer-Madel im Juni vergangenen Jahres das Handtuch warf. Wie Hörmann unserer Zeitung bereits Ende vergangenen Jahres sagte, habe es Probleme mit dem alten Fundament gegeben, was die Kosten in die Höhe schießen ließ.
Die Chronik des Scheiterns
März 2015 Nach 92 Jahren ist für das Neu-Ulmer Geschäft Betten Renftle am Petrusplatz Schluss. Das Gebäude soll weg – Bauunternehmer Günter Steinle kündigt an, das Gebäude dem Erdboden gleichmachen und dort einen Neubau hochziehen zu wollen, der sich architektonisch in die Nachbarschaft einpasst. Dann passiert Monate nichts.
Juli 2016 Am Gebäude wird gearbeitet. Ein Plakat wirbt für zehn „hochwertige Wohneinheiten“, einen Laden im Erdgeschoss und Büros.
August 2017 Steinle bestätigt auf Nachfrage, dass er auf eine Kernsanierung umgeschwenkt sei. Auf der Internetseite des Ulmer Immobilienmaklers Tentschert sind die Angebote zu finden: Eine Penthouse-Wohnung mit 186 Quadratmetern kostet 1,1 Millionen Euro, eine Zwei-Zimmer-Wohnung mit 69 Quadratmetern ist für 324 000 Euro zu haben.
Juni 2018 Steinle Wohnbau droht die Zahlungsunfähigkeit. Die als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) geführte Firma, vertreten durch Geschäftsführer Günter Steinle, stellt einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Zwei Projekte werden sofort gestoppt: der Umbau des ehemaligen Bettenhauses Renftle am Neu-Ulmer Petrusplatz und das Projekt Saalbau in Pfuhl.
Dezember 2018 Der Insolvenzverwalter findet keinen Investor. Die Sparkasse Ulm als größter Gläubiger soll nun mit einem Rettungserwerb einspringen. Eine Vertragsunterschrift ist aber noch nicht erfolgt.
Januar 2019 Bauunternehmer Steinle stirbt nach langer Krankheit im Alter von 77 Jahren.