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Neu-Ulm: QAnon und Querdenker feiern Party auf städtischem Areal in Neu-Ulm

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QAnon und Querdenker feiern Party auf städtischem Areal in Neu-Ulm

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    Auf städtischem Grund, im "Winterzauber" auf dem früheren Barfüßer-Gelände fand am Sonntag eine zweifelhafte Veranstaltung statt. Eingeladen hatte ein Vertreter der QAnon-Bewegung.
    Auf städtischem Grund, im "Winterzauber" auf dem früheren Barfüßer-Gelände fand am Sonntag eine zweifelhafte Veranstaltung statt. Eingeladen hatte ein Vertreter der QAnon-Bewegung. Foto: Michael Kroha

    Die Parolen, die geschrien wurden, ähneln sich. Anwesende Menschen wurden bereits bei "Corona-Spaziergängen" in Ulm gesichtet. Auf dem früheren Barfüßer-Gelände am Neu-

    Bilder und Videos der Party, die in einschlägigen Telegram-Kanälen zu finden sind, zeugen auf den ersten Blick von einem fröhlichen Event. Draußen wurde gegrillt. Mehrere DJs legten auf. Es wurde viel getanzt, getrunken und gefeiert. Hunderte Menschen kamen.

    Querdenker-Party im "Winterzauber": Gastronom Freudenberg ahnte nichts

    "Es war eine friedliche Veranstaltung", sagt Michael Freudenberg. Der Ulmer Gastronom hat das Areal seit geraumer Zeit von der Stadt Neu-Ulm gepachtet. Bislang war die Nutzung des ehemaligen Offizierscasinos unter anderem aufgrund fehlenden Brandschutzes ausgeschlossen. Nach einem Gutachten ist das in diesem Winter erstmals möglich. Ein ihm bekannter DJ habe die Location reserviert unter dem Stichwort "Herzmenschen". Gedacht hat sich der Gastronom dabei nichts. Doch so nennt jener Friedemann Mack seine Gefolgschaft.

    "Er (der DJ, Anmerk. d. Red.) hat zu mir gesagt, dass er eine Party bei mir feiern möchte – auch mit Liveacts. Von einer Querdenker-Bewegung wusste ich nichts", sagt Freudenberg. Die angekündigten Musiker hätten ins Konzept gepasst. Der Gastronom meint damit auch DJ Björn Banane mit seinen "Après-Ski-Hits". Einer dieser Hits, der auch im "Winterzauber" gespielt wurde, nennt sich "Rote Linie". Gegrölt wird hier über die Corona-Politik – von "vereinten Eliten", einer "zensierten Wahrheit" und "vergifteten Spritzen". Wie eine Internet-Suche zeigt: Der Schlagersänger trat bundesweit immer wieder bei Querdenker-Veranstaltungen auf.

    Stadt Ulm will Stellungnahme zur fragwürdigen Party herausgeben

    Freudenberg sagt, er kenne sich in jenen Kreisen nicht aus. Die Personen dahinter sagten ihm nichts. Das Publikum vom Sonntag beschreibt er als "ältere Leute über 50". Es sei keine Demo gewesen, niemand habe Plakate dabei gehabt. Als er davon erfuhr, wer hinter dem Event steckt, sei er erschrocken. Hätte er das davor gewusst, hätte er es nicht genehmigt. "Ich bin auch kein Querdenker", sagt Freudenberg. "Ich belächle die Szene eher." Sollte die Gruppierung erneut anfragen, will er absagen.

    Von der Stadt Neu-Ulm war am Dienstag keine Stellungnahme zu bekommen. Am Mittwoch soll eine folgen. Der für Neu-Ulm zuständige Bayerische Verfassungsschutz sowie deren Kollegen in Baden-Württemberg machen zu einzelnen Personen oder lokalen Veranstaltungen wegen des "allgemeinen Persönlichkeitsrechts" keine Angaben. Für eine "mögliche Gefährdungsbewertung" wird an die Polizei verwiesen. Dort sei die Party nicht bekannt gewesen. Zwischenfälle oder Ruhestörungen seien nicht gemeldet worden, so ein Polizeisprecher.

    Bericht des Spiegel: Friedemann Mack ist reichweitenstarker Verbreiter der QAnon-Ideologie

    Weniger zurückhaltend beschreibt der Spiegel in einem Artikel vom September die Szene rund um Friedemann Mack, der über seinen Telegram-Kanal mit über 120.000 Followern zur Party in Neu-Ulm geladen hatte. Zitiert wird eine Datenanalyse der Investigativ-Plattformen Lighthouse Reports und Bellingcat, die wichtige Verbreiter der QAnon-Ideologie in elf europäischen Ländern identifiziert hat. Einer von ihnen soll Mack sein. Sein Telegram-Kanal zähle zu den "besonders reichweitenstarken" und weise, verglichen mit den anderen untersuchten Q-Influencern in Europa, eine hohe Aktivität auf.

    Was steckt hinter der QAnon-Ideologie?

    Die Anhänger der QAnon-Ideologie wittern hinter allem, was auf der Welt passiert, eine Clique, die die Fäden in der Hand hält - der "Tiefe Staat" ("Deep State").

    Dieser wolle eine "Neue Weltordnung" durchsetzen, eine Art globale Regierung zur Unterjochung der Menschheit.

    Ausgelöst wurde die Bewegung von einem ominösen "Q", der im Netz kryptische Botschaften hinterlässt.

    Die Anhänger glauben etwa, dass die sogenannten Eliten Kinder misshandelten, um ihnen ein Lebenselixier abzuzapfen.

    Die in den USA entstandene Bewegung gilt als gefährlicher Kult, selbst das FBI warnt vor ihr.

    Beim Sturm auf das US-Kapitol 2021 waren QAnon-Aktivisten mit Fahnen der Bewegung zu sehen. Bilder eines selbst ernannten Schamanen mit Fellmütze und Büffelhörnern gingen um die Welt.

    Donald Trump wird in dieser Parallelwelt als Erlöser verehrt, bis heute macht er sich die Verschwörungsideologie zunutze. (krom)

    Nach Spiegel-Informationen soll der baden-württembergische Verfassungsschutz ihn beobachten. Die Sicherheitsbehörde bestätigt das auf Nachfrage unserer Redaktion nicht. Trotz seines Auftretens als vermeintlicher "Durchschnittsbürger" solle er sich aber sowohl bei QAnon als auch bei den kruden Ideen von "Reichsbürgern" bedienen, heißt es im Bericht des Nachrichtenmagazins. Es sei eine Art "Baukasten-Extremismus", der sich auch an neue Zielgruppen richtet. Mack wird als "Staatsfeind neuen Typs" bezeichnet, der zudem im Internet

    Und welche Rolle spielt Ulm dabei? Nach Angaben einer Stadtsprecherin ziehen noch immer freitags regelmäßig bis zu 300 sogenannte Spaziergänger mit wechselnden Routen durch die Straßen. Die Versammlungen seien inzwischen angemeldet. Wenige Male kam es auch samstags zu Kundgebungen, bei denen es nicht nur um Corona ging. Der Verfassungsschutz warne seit geraumer Zeit davor, dass maßgebliche Akteure der Szene versuchen würden, auch weitere Themenfelder zu erschließen.

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