Das Blut vor der Bingo-Kneipe am Donaucenter in Neu-Ulm ist auch Stunden nach der brutalen Tat noch deutlich sichtbar. Die Spur zieht sich über mehrere Meter vom Lokal in Richtung Donau. Durch die weit offen stehende Eingangstür zur "Kleinen Kneipe" sind vor den Barhockern weitere Blutlachen unzweifelhaft zu erkennen. Am späten Mittwochabend soll hier ein 28-Jähriger wahllos und ohne ersichtlichen Grund mit einem Samuraischwert um sich geschlagen haben. Insgesamt drei Menschen wurden dabei verletzt, einer davon schwer, ein anderer schwebt in Lebensgefahr.
Unter Anwohnern des Donaucenters kursiert am Donnerstagmorgen ein Video, das ein Mann gegen 23.30 Uhr aufgenommen hat. Es zeigt einen Großeinsatz der Polizei mit zehn Streifenwagen. "Da ist was los", kommentiert der Mann. Auch ein Krankenwagen fährt den Tatort an. Eine Bewohnerin des Hochhauses mit insgesamt 16 Stockenwerken berichtet, dass sie von ihrem Fenster aus mindestens sechs Polizeiautos gesehen habe, die aus Richtung Ulm über die Herdbrücke nach Neu-Ulm gefahren sind. Erst dachte sie, die fahren weiter. "Aber scheiße, das ging grad so weiter."
Donaucenter-Bewohnerin: "Den haben sie noch reanimiert"
Vom Balkon aus habe sie beobachtet, wie die Polizei den gesamten Bereich auf der Brücke absperrte. 15 Polizeiautos zählte sie, dazu ein Krankenwagen sowie zwei Notarzt-Fahrzeuge. Ein Mann soll auf einer Trage abtransportiert worden sein. "Den haben sie noch reanimiert", sagt die Frau. Etwa eine halbe Stunde sei der Krankenwagen noch dagestanden, bis er nach Ulm weggerast ist. Was genau passiert ist, wisse sie nicht.
Die gegenüberliegende Döner-Bude hatte zur Tatzeit schon geschlossen. Der Mitarbeiter schaut sich am Donnerstagvormittag ungläubig die Arbeit der Spurensicherung an. Spezialisten der Polizei sind mit einem 3D-Scanner im Einsatz. Der Bereich vor der Kneipe ist abgesperrt. Beschäftigte der nahen Apotheke berichten, dass sie am Morgen Blut von ihrer Eingangstür entfernen mussten.
28-Jähriger soll vor der Tat Gast im Bingo gewesen sein
Zu diesem Zeitpunkt ist noch unklar, was sich genau zugetragen hat. Die Polizei bestätigte zunächst nur, dass es einen Einsatz gab. Erst am Nachmittag teilen die Ermittler mit, was sie bislang herausfinden konnten: Ein 28-Jähriger soll ab circa 22 Uhr selbst Gast in der Bingo-Kneipe gewesen sein und Alkohol getrunken haben. Etwa eine Stunde später soll er das Lokal verlassen und sich in einer nahegelegenen Wohnung mit einem Samuraischwert bewaffnet haben. Auf dem Weg zurück ins Bistro habe zunächst einen Passanten bedroht, der aber sei geflüchtet und informierte die Polizei.
Im Bingo angekommen, soll der 28-Jährige dann gegen 23.20 Uhr "wahllos und ohne ersichtlichen Grund" zwei Gäste im Alter von 55 und 81 Jahren attackiert haben. Der 81-Jährige wurde schwer, der 55-Jährige lebensgefährlich verletzt. Ein weiterer, 56 Jahre alter Gast habe dann den Mann überwältigt und zu Boden gebracht. Wenige Minuten später seien Einsatzkräfte der Neu-Ulmer Polizei eingetroffen und hätten den 28-Jährigen widerstandslos festnehmen können. Der 56-Jährige erlitt wohl lediglich eine Schnittverletzung, die ambulant versorgt wurde.
Angriff in Neu-Ulmer Kneipe: Mutmaßlicher Täter soll etwas mehr als ein Promill gehabt haben
Robert Graf, Leiter der Kriminalpolizei Neu-Ulm, spricht von einem "tragischen Gewaltdelikt". Das Motiv gilt noch als unklar. Es gebe bislang keine Erkenntnisse, warum genau an diesem Tag mit diesen Geschädigten. Laut Zeugen soll es zuvor keine Streitigkeiten gegeben haben, die Rückschlüsse auf die Tat geben könnten. Knapp mehr als ein Promille soll der mutmaßliche Täter intus gehabt haben. Ob Medikamente oder andere berauschende Mittel eine Rolle spielten, ist offen. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft wurde der 28-Jährige einer Haftrichterin vorgeführt. Die erließ Haftbefehl, der Mann wurde anschließend in ein Bezirkskrankenhaus gebracht. Es wird derzeit davon ausgegangen, dass er sich in einem psychischen Ausnahmezustand befand.
Der Betreiber der Kneipe war nicht vor Ort, als es passierte. Er sei von der Polizei informiert worden und habe den Beamten in der Nacht einen Schlüssel vorbeigebracht. Zur Tat hätten die Polizisten ihm nichts gesagt. Zum mutmaßlichen Täter sagt er: "Den Gast kennt keiner." Auch die Bedienung, die am Abend und eigentlich regelmäßig dort hinter der Theke steht, kenne ihn nicht. Zwei Bier hätten sie ihm am Abend ausgeschenkt. Zwar gilt das Bingo seit Jahrzehnten als ein Treffpunkt für ein eher trinkfreudiges Publikum. Der Betreiber aber wehrt sich gegen ein solches Image und fürchtet nun auch aufgrund des Vorfalls um den Ruf des Lokals. Das blieb am Donnerstag zunächst geschlossen. Wie lange, ist unklar. Das hänge auch davon ab, wie das Personal den Vorfall wegsteckt. Augenzeugen der Tat wurden von einem Kriseninterventionsteam und der Polizei betreut.