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Neu-Ulm: Im Anflug: Ein barrierefreies WC für das Café im Edwin-Scharff-Museum

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Im Anflug: Ein barrierefreies WC für das Café im Edwin-Scharff-Museum

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    Fünf Quadratmeter, die die Stadt in Debatten verstrickt und in Verlegenheit gebracht hatten: Nun erhält das Edwin-Scharff-Museum am Petrusplatz eine Toilette.
    Fünf Quadratmeter, die die Stadt in Debatten verstrickt und in Verlegenheit gebracht hatten: Nun erhält das Edwin-Scharff-Museum am Petrusplatz eine Toilette. Foto: Alexander Kaya

    Hoch oben, über den schneebezuckerten Dächern am Petrusplatz, da schwebt an diesem frischen, jungen Wintermorgen – eine Toilette. Oder besser gesagt: ein tonnenschwerer Kasten, in stattlicher Baucontainergröße. Es ist ein Raummodul, ein kleiner Anbau für ein WC, der an den Ketten eines Krans hängt. Das Modul fliegt im sachten Tempo über das Dach und in den Innenhof des Museums – hier wird es an das Edwin-Scharff-Museum angedockt, an das Museumscafé. Lang hat es gedauert, bis die Toilette fliegen lernte und im Museumshof landen durfte.

    Planungsversäumnisse, Kostensteigerungen, harte Debatten, Kopfschütteln – aber nun ist es angekommen, das neue WC im Museumscafé, für Menschen mit Behinderung. Durchgängig nutzbar, leicht zugänglich, barrierefrei.

    Das Edwin-Scharff-Museum freut sich über die barrierefreie Toilette

    Alle, die den Weg für den Anbau geebnet haben, gegen alle bürokratischen Hürden, wirken an diesem Dienstagmorgen erleichtert. Die Toilette schwebt sanft und kontrolliert vom Himmel. Birgit Höppl, stellvertretende Leiterin des Museums, erklärt: „Da schließt sich endlich eine Lücke. Es ist eine überfällige Komplettierung des Anspruchs unseres Museums, für alle Menschen zugänglich zu sein.“ Dass die Bauarbeiten erst jetzt stattfinden, mitten im Lockdown, ist für Höppl sogar ein kleiner Trost: So musste das Museum nicht bei laufendem Betrieb, mit Publikumsverkehr, die Wände zum Innenhof durchbrechen und die Toilette anbauen.

    Der Mietvertrag für die Pächter ließ eigentlich keine Zweifel: Das Café braucht eine barrierefreie Toilette – aber da war keine. Und das im Gebäude vorhandene Klo konnten Gästen wegen seiner Lage nur zu Museumsöffnungszeiten benutzen. Die Affäre um das WC nahm dann 2017 seinen Lauf. Die Toilette sollte laut Plan im Innenhof einen Platz finden, als Anbau. Der Haken dabei: Dieser Grund und Boden gehört zum evangelisch-lutherischen Dekanat von Neu-Ulm, das im selben Gebäude seinen Sitz hat. Die Verhandlungen liefen zäh, auch weil die Landeskirche die Pläne bewilligen musste. Und während Neu-Ulms Stadträte über den stillen Ort debattierten, mit dem Dekanat, dem Museum, den Pächtern des Cafés, stiegen die Kosten. Rund 20 Prozent mehr als ursprünglich geplant, in Summe 100.000 Euro. Ein Stadtrat verglich das Unterfangen WC schon mit der Hamburger Elbphilharmonie. Ex-Oberbürgermeister Nörenberg entgegnete staubtrocken: „Ich befürchte, dass unsere Behindertentoilette nicht so viele Besucher haben wird.“

    Die Toiletten-Debatte um das Museumscafé macht seit 2017 Schlagzeilen

    Doch was sich wie eine Posse liest, wie ein Drama um fünf Quadratmeter Toilette, hat für das Museum und sein Café einen ernsten Hintergrund. Das Edwin-Scharff-Museum hat sich unter Leitung von Helga Gutbrod Inklusion und Teilhabe als Ziel gesetzt, als ein Museum für alle. Der Pächter und Betreiber des kleinen Cafés vor dem Museumsfoyer ist zudem die Lebenshilfe Donau-Iller. Ein inklusives Team arbeitet dort seit November 2017, es bietet – in normalen Zeiten – einen Treffpunkt mit Kaffee, allerlei Kuchen und Mittagstisch. Nur eine Toilette fehlte eben, um wirklich inklusiv zu sein.

    Eine Frau behält den schwebenden Kasten besonders scharf im Blick. Tanja Fürst ist Projektleiterin für Hochbau bei der Stadt Neu-Ulm, Sie ist die Frau für technische Details. Wie viel das Modul wiegt? „Drei Tonnen“, sagt Fürst – mindestens. Kranführer und Männer in Neonorange leisten jetzt Feinarbeit am Kunstmuseum, zirkeln die Toilette passgenau in die Ecke, dort wo die Wand durchbrochen ist. „Das ist schon eine Kunst, das ist beeindruckende Maßarbeit“, sagt Fürst.

    Das Dekanat und das Edwin-Scharff-Museum suchten nach Lösungen

    Ein anderer, der die Debatte aufmerksam verfolgt, hat den Krantransport verpasst: „Das hätte ich aber sehr gerne gesehen“, sagt Johannes Knöller, der an diesem Tag im Homeoffice arbeitet und nicht am Petrusplatz. Er ist der geschäftsführende Pfarrer der Petruskirche. Als er 2018 sein Amt antrat, „da war die Kuh fast schon vom Eis“, sagt er. Eine Lösung schien in Sicht – den großen Ärger rund um die Pläne habe er aber doch mitbekommen. „Für mich als neuer Pfarrer war klar: Wir müssen da eine Lösung finden. Ich habe nie daran gezweifelt.“

    Dass sich die Planungen so lange hinzogen, lag auch nicht am Dekanat. Jede Institution hat ihre Aufsichtsbehörde – und die übergeordnete Instanz für das Dekanat hat seinen Sitz in München. Lange schien es so, dass das Landeskirchenamt den Prozess blockiere. Knöller erklärt: „Wir können natürlich nicht schalten und walten wie wir wollen. Da wird so ein Prozess langsam.“ Diese Gemeinschaft in einem Haus, Dekanat, Café und ein Museum, für Menschen mit und ohne Behinderung – dieses Konzept finde er toll. „An so einer Toilette soll das nicht scheitern.“ Und jetzt freut er sich über die Lösung: „Perfekter geht es gar nicht.“

    Das Edwin-Scharff-Museum plant weiter für 2021

    Der Raum wird jetzt installiert und gefliest, bevor er genutzt werden kann – wenn das Café wieder öffnet. Auch wenn alle Türen für Besucher vorerst geschlossen bleiben, nimmt für das Museumsteam die Arbeit kein Ende. Birgit Höppl erzählt, was das Museum für 2021 plant: neue Aktionen und Erlebnisse, ganz coronagerecht im Freien, für alle Fälle. Auch im Innenhof gibt es weitere, wenn auch kleinere Baustellen. Die Balustrade soll erneuert werden, der Boden im Hof wird für Rollstuhlfahrer rollsicher gemacht. Damit das Edwin-Scharff-Museum seinem Anspruch gerecht wird.

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