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Neu-Ulm: Sammelaktion beim Dogancan-Center: Hilfe für Erdbebenopfer ist unterwegs

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Sammelaktion beim Dogancan-Center: Hilfe für Erdbebenopfer ist unterwegs

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    In Neu-Ulm packen Helferinnen und Helfer unzählige Pakete mit Hilfsgütern für die Opfer des Erdbebens.
    In Neu-Ulm packen Helferinnen und Helfer unzählige Pakete mit Hilfsgütern für die Opfer des Erdbebens. Foto: Dagmar Hub

    Unzählige gepackte Kartons stapeln sich auf dem Hof des Dogancan-Centers in der Finninger Straße. Es ist nasskalt und neblig, Männer packen ohne Pause einen Lkw voll mit Hilfsgütern für die von Erdbeben schwer getroffene Region in der Südosttürkei. Der Lastwagen des Transportunternehmens Akca, das bereits vergangene Woche am Muthenhölzle eine Hilfsgüter-Sammelaktion organisierte, wird dann nach Gaziantep fahren, wo Angestellte von Yalcin Dogan Verwandte haben und woher auch die Familie des Blaubeurer Architekten Alp Caliskantürk stammt, der am Sonntag beim Verpacken mithalf. 

    Kein Strom, kein Leitungswasser, weil sich das Trinkwasser inzwischen mit Abwasser vermischt hat: Die Menschen in Gaziantep hausen seit dem zerstörerischen Erdbeben wie in der Steinzeit, erzählt Alp Caliskantürk. In Kilis übernachten viele in selbst gegrabenen Erdlöchern, weil es an Zelten fehlt. Diese Situation erfuhr der Architekt von seinem Cousin in Gaziantep, der bis zum Erdbeben das Yilmazoglu Park Hotel in der südostanatolischen Stadt betrieb.

    Über Telefon und Internet ist der Kontakt ins Erdbebengebiet nur bedingt möglich

    Kontakt per Internet ist praktisch unmöglich geworden, erzählt Caliskantürk, und das Telefon funktioniert meist mit Unterbrechungen. Dennoch sind tägliche Telefonate möglich, und die Situation, die Alp Caliskantürk von seinem Cousin erfahren hat, ist schwer erträglich: Zwei seiner Cousinen, die er im letzten Sommer besuchte, wurden tot aus den Trümmern geboren, zwei weitere sind mit ihren Familien unter den Trümmern begraben, Hoffnung auf ein Überleben gibt es praktisch nicht mehr. 

    Die Menschen dort, erzählt Alp Caliskantürk, haben das Geschehen vermutlich emotional noch nicht begriffen. Sein Cousin berichte mit sehr nüchterner Stimme vom Geruch der Leichen, von fehlenden Leichensäcken, von Toten, die von Betonplatten zusammengepresst sind bis zur Unkenntlichkeit und an denen Tiere fressen. Die schlimmste Befürchtung ist die vor dem Ausbruch von Seuchen. Heftig ist der Zorn über das Versagen der türkischen Regierung, sagt er, und berichtet vom Chaos bei der Verteilung von Hilfsmitteln und von Plünderungen ankommender Lkw, die über kleine Straßen fahren müssen, weil die moderne Ost-West-Verbindung nördlich der syrischen Grenze zerstört ist. In Adiyaman zum Beispiel sei noch keine Hilfe angekommen. 

    Decken, Heizlüfter, Windeln: Gesammelt wird, was momentan am nötigsten ist

    Viele Menschen brachten am gestrigen Sonntag Hilfsgüter zum Dogancan-Center – türkischstämmige und solche ohne Migrationshintergrund. Doch manches musste aussortiert werden – Hausschuhe brauchen die Menschen dort zum Beispiel gerade nicht, sondern vor allem Decken, warme Kleidung, Hygieneartikel und Windeln. Die meiste Hilfe aber kommt von Yalcin Dogan und seinem Geschäftspartner Olcay Kahraman selbst. Die beiden Männer haben zum Beispiel 5000 Decken und tausend Heizlüfter gekauft – doch was würden Heizlüfter in einer Region nützen, wo es keinen Strom gibt? Also kauften sie auch Notstromaggregate, die im Lkw in die Krisenregion gehen. Den dafür nötigen Diesel, sagt Alp Caliskantürk, spendeten Unternehmer in der Türkei. Ein Gabelstapler hob die Decken von einer Palette in den Lastwagen. 

    Auch Leichensäcke kaufte Yalcin Dogan. Damit die Hilfe vor Ort ankommt, lassen die Helfer aus Neu-Ulm, Ulm und Blaubeuren ihre Aktion allerdings nicht über türkische staatliche Stellen laufen, sondern über die Ahbap-Hilfs-und Friedensplattform des türkischen Rocksängers Haluk Levent. „Ihm vertrauen die Menschen in dieser Situation mehr“, sagt Alp Caliskantürk. 

    Die Burg in Gaziantep ist eingestürzt

    Twitter, berichtet er, sei inzwischen abgestellt – obwohl viele Überlebende über den Blogging-Dienst auf sich aufmerksam gemacht hatten. Aber durch fehlende Information wüssten viele Menschen nicht einmal in Gaziantep selbst, dass die aus hethitischer Zeit stammende Burg oberhalb der Stadt, UNESCO-Weltkulturerbe, eingestürzt ist. Zudem sei an manch einen Ort, auch zum Beispiel zum Weltkulturerbe Göbekli Tepe, dem ältesten bekannten Tempel der Menschheit, noch niemand gekommen – und über kleinere Orte im Gebirge wisse man tatsächlich nichts. 

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