Die massive Kostensteigerung beim Neubau der Gänstorbrücke hat die Fachleute im Neu-Ulmer Rathaus kalt erwischt – und sorgt für erheblichen Frust bei den Stadträtinnen und Stadträten. Vor allem die Tatsache, dass sie nun möglichst schnell eine Streichliste beschließen sollten, um das benötigte Geld zusammenzubringen und die Auftragsvergabe zu ermöglichen, stieß etlichen Kommunalpolitikern sauer auf. Insgesamt 6,1 Millionen Euro muss die Stadt wegen der Brücke einsparen. Das trifft unter anderem den Allgäuer Ring und das Baugebiet "Im Eiland" in Pfuhl.
Der Neubau der Gänstorbrücke kostet jetzt 52,5 Millionen Euro
Bislang sind die Städte Ulm und Neu-Ulm von Kosten in Höhe von rund 40 Millionen Euro für den Neubau der Gänstorbrücke über die Donau ausgegangen. Jetzt ist die Rede von 52,5 Millionen Euro. Von den 12,2 Millionen Euro Mehrkosten muss die Stadt Neu-Ulm die Hälfte übernehmen. Teurer wird unter anderem der Abbruch der alten Brücke, aber auch die eigentlichen Bauarbeiten, Lärmschutz und Gutachten kosten viel mehr als geplant. Dazu kommt noch eine Entschädigungszahlung an die Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm (SWU), denen wegen der Absenkung des Donaupegels Einnahmen aus dem Wasserkraftwerk entgangen sind. Absehbar war das Ausmaß der Teuerung für die Experten nicht: "Das Preisniveau ist immens gestiegen", sagte Jochen Meissner, Leiter der Hauptabteilung Tiefbau. "Alle waren erschrocken über dieses Ergebnis."
In nicht öffentlicher Sitzung hat der Stadtrat über die Auftragsvergabe entschieden, damit der Brückenbau wie geplant nach Schwörmontag beginnen kann. Im Jahr 2027 soll das Bauwerk fertig sein. Vor Baubeginn musste jedoch die Finanzierung gesichert sein. Denn mit der Förderung von bis zu 60 Prozent der Kosten kann die Stadt nicht planen, da sie noch nicht in trockenen Tüchern ist. Also wurde in den vergangenen Wochen eilig nach Einsparmöglichkeiten gesucht, um 6,1 Millionen Euro aus dem Haushalt zu schnitzen und die Lücke zu schließen. Herausgekommen ist folgende Liste mit Vorhaben, die geschoben werden:
- Im Eiland: Straßen- und Kanalbau
- IT-Campus: Straßen- und Kanalbau
- Wiley-Nord: Endausbau
- Leibnizstraße: Straßen- und Kanalbau
- Radachse Donauufer
- Gerlenhofer Straße: Straßen- und Kanalbau
- Ulrichskirche: Kanalbau
- Lupinenweg
- Umbau Allgäuer Ring
- Kanalsanierung Allgemein
- Sanierung RW Kanal Hotel Meinl
"Keine einzige der Maßnahmen zur Gegenfinanzierung möchten wir Ihnen vorschlagen", sagte Oberbürgermeisterin Katrin Albsteiger (CSU). "Jede ist uns wichtig. Aber irgendwoher müssen wir die Mittel besorgen." Daher müsse man in den sauren Apfel beißen.
Die Fraktionen kritisieren die von der Stadt Neu-Ulm vorgelegte Streichliste
Das schmeckte den Stadträten allerdings ganz und gar nicht. "Das Submissionsergebnis ist nicht akzeptabel", sagte Roland Prießnitz (FWG). Die Städte sollten dringend nach weiteren Einsparmöglichkeiten beim Bau der Brücke suchen. Notfalls solle geprüft werden, ob ein Bau mit nur einer Fahrspur pro Richtung möglich sei. Der Beschluss solle um 14 Tage verschoben werden, denn die Kurzfristigkeit der Entscheidung, nach dem Motto "Vogel, friss oder stirb", sei nicht hinnehmbar. Auch Alfred Schömig (FDP) befand: "Dieses schnell-schnell: Das ist nicht glücklich." Der Vorstoß der beiden Räte auf Verschiebung wurde allerdings mehrheitlich abgelehnt.
Johannes Stingl (CSU) forderte einen Kassensturz. Der gesamte Haushalt solle abgeklopft werden, um zu schauen, was an Mitteln da ist. Mit den Deckungsvorschlägen der Verwaltung sei seine Fraktion nicht einverstanden. Insbesondere das Neubaugebiet "Im Eiland" und der IT-Campus versprächen ja auch Einnahmen. Mit Ulm sei offenbar eine bessere Abstimmung nötig. Rudolf Erne (SPD) wies darauf hin, dass der Neu-Ulmer Anteil an den Kosten 2020 noch mit 10,5 Millionen Euro beziffert worden sei, jetzt liege er bei 27,2 Millionen. Er kritisierte außerdem die "unendlich lange Zeit von der Schadensfeststellung bis zum Abbruch. Da sind wir jetzt bei sechs Jahren, das kann doch nicht sein."
Karl-Martin Wöhner (Bürgerliste) kritisierte das gewählte Verfahren, das darauf hinauslaufe, "eine Brücke mit der Pinzette abzureißen". Warum könne man die Gänstorbrücke nicht so abbrechen wie die Adenauerbrücke? Das sei nicht möglich, weil beide gänzlich andere Bauweisen aufwiesen, erläuterte Jochen Meissner. Auf Ulmer Seite brauche man ein Vorschubgerüst, auf Neu-Ulmer Seite werde die Brücke konventionell abgebrochen. "Ich fühle mich etwas verschaukelt", sagte Andreas Schuler (FWG). Die teure Vorschubvariante sei von Anfang Favorit gewesen, "das ist ärgerlich."
Der Umbau des Allgäuer Rings kommt wieder auf die Tagesordnung
Bernhard Maier (CSU) monierte angesichts der Streichliste, dass über den Umbau des Allgäuer Rings bereits seit vielen Jahren diskutiert werde, und jetzt sei er noch mal "ganz weit weg". Er setzte durch, dass der Kreisel nicht für 2024 gestrichen, sondern auf 2025 geschoben wird. Ein kleiner, aber feiner Unterschied, denn so bleibe das Thema auf der Agenda. Allerdings geht es zunächst nur um eine Deckensanierung. Der richtige Umbau folgt erst ab 2027.
Insgesamt wurde die Streichliste mit vielen Bauchschmerzen durchgewinkt, um den Brückenbau nicht zu gefährden oder eine noch eklatantere Kostensteigerung zu riskieren. Die Städte sollen aber intensiv nach weiteren Einsparmöglichkeiten suchen. "Sobald sich eine Lücke auftut, werden wir das auch mitbringen", versprach Katrin Albsteiger.