Die großen Letter hängen noch am ehemaligen Golden-Tulip-Hotel, das einst als Mövenpick gegründet wurde. Der Besitzer der Immobilie, die Anter Group, hat offensichtlich kein Interesse, schnell ein eigenes Zeichen zu setzen. Das neue Konzept steht aber noch nicht fest. Klar scheint nur: Das in Dortmund offenbar erfolgreiche Konzept mit Erotik-Themenzimmern der Anter Group kommt wohl nicht nach Neu-Ulm. Wie geht es weiter?
So ganz klar ist laut Investor nicht, was in Neu-Ulm entstehen soll. Auf Anfrage unserer Redaktion lässt Anter-Mitgesellschafter Taylan Anter ausrichten, dass die Planungen "nicht abgeschlossen" seien. Und bittet um Geduld, erst nach Abschluss der Planungen wird informiert. Gewisse Vorstellungen müsste es aber bereits geben, schließlich wird im Bau am Donauufer gearbeitet. Zu sehen ist, dass an einigen Stellen bereits neu verputzt wird, während in anderen Gebäudebereichen noch allerlei Einrichtungsgegenstände in Containern landen.
Was geschieht mit dem Edwin-Scharff-Haus in Neu-Ulm?
Die Stadt Neu-Ulm hat großes Interesse daran, dass hier, direkt neben dem Edwin-Scharff-Haus, zügig ein Beherbergungsbetrieb eröffnet. Denn ohne direkt angeschlossenes Hotel und Gastronomie lassen sich Tagungen und Messen weit schlechter vermarkten. Was für außenstehende Beobachter eins war, ist in Wahrheit getrennt. Das dem Ex-Hotel direkt angeschlossene Restaurant Edwin's liegt in Verantwortung der Stadt Neu-Ulm. "Wir sind derzeit dabei, mit einem externen Berater eine Pächtersuche vorzubereiten", lässt Oberbürgermeisterin Katrin Albsteiger auf Anfrage ausrichten. "Wir arbeiten daran, aber jetzt schon Termine zu nennen, ist leider noch nicht möglich."
Albsteiger und ihre Mitarbeiter hätten in den vergangenen Wochen mehrfach Kontakt mit der Anter Group gehabt und haben sich auch persönlich davon überzeugen können, "dass mit Hochdruck" im Haus gearbeitet wird. Und zwar an der der Renovierung einiger in die Jahre gekommener Hotelzimmer und des gesamten Lobbybereichs.
Hotels: Anter Group setzt auf erotisch angehauchte Zimmer - auch in Neu-Ulm?
Über das geplante Konzept ist im Rathaus anscheinend wenig bekannt. Ein Treffen noch in den Sommermonaten, sobald der Anter-Geschäftsführer wieder in Neu-Ulm ist, ist geplant. "Man will sich austauschen, welche Möglichkeiten der Zusammenarbeit es geben kann." Der Oberbürgermeisterin von Neu-Ulm wurde das für Neu-Ulm geplante Konzept als "Stadt-, Business- und Tourismushotel" vorgestellt. Von schlüpfrigen "Themenzimmern", wie in einem Hotel der Anter Group in Dortmund, war offenbar keine Rede.
Tourismus, Übernachtungen und Hotellerie in Ulm und Neu-Ulm 2020/2019
Zu Beginn des Jahres 2020 war die Ulm/Neu-Ulm Touristik GmbH (UNT) optimistisch: Das Jahr 2019 schloss mit 969.088 Übernachtungen in der Zweilandstadt mit einem neuen Rekord ab, und es herrschte Zuversicht, dass aufgrund des Trends der vergangenen Jahre Ende 2020 die Eine-Million-Marke überschritten werden könnte. Doch es folgte die Corona-Pandemie, und die daraus folgenden Einschränkungen haben massiv negative Spuren hinterlassen.
Die Zahl der Ankünfte sank gegenüber 2019 um 52,6 % (auf absolut 288.526), die Übernachtungen in den statistisch erfassten Betrieben gingen um 46,9 % (auf absolut 496.360) zurück. Somit sind die Werte auf das Niveau von vor 15 Jahren zurückgefallen. Ein ähnliches Bild zeigte sich in Bayern (-50,4 % bei den Ankünften, 40,6 % bei den Übernachtungen) und auch in Baden-Württemberg (-48,9 % bei den Ankünften, -40,2 % bei den Übernachtungen). Würde man allein die Großstädte in den Bundesländern betrachten, wären die Werte noch negativer, da die urbanen Zentren stärker von den Folgen der Pandemie betroffen waren als die ländlichen Regionen.
Die Zahlen der Übernachtungen von Gästen aus dem Ausland waren noch bedrückender: Im Jahr 2020 checkten nur noch 57.561 Reisende ein (-62,2 %) und sorgten für 103.107 Übernachtungen (-58,6 %). Die Bettenbelegungsquote in Ulm/Neu-Ulm sank auf 27,5 % gegenüber 47,4 % 2019. "Die Reisebeschränkungen und Lockdowns hatten Auswirkungen auf alle Bereiche der lokalen Tourismuswirtschaft. Der Rückgang der Übernachtungs-, aber auch der vielen Tagesgäste machte neben den Hotelbetrieben vor allem auch der Gastronomie, der Veranstaltungsbranche, dem Kulturbereich und dem stationären Einzelhandel gewaltig zu schaffen.
"Viele Existenzen und Arbeitsplätze sind bedroht", so Wolfgang Dieterich, Geschäftsführer der Ulm/Neu-Ulm Touristik GmbH (UNT). "Wie auch andere Großstädte spürten wir besonders den Wegfall des Geschäftsreisetourismus, der gut 70 % des Übernachtungsaufkommens ausmacht. Auch die Absagen vieler großer Events in 2020 wie des Donaufests, des Landesposaunentags und des Weihnachtsmarktes schlugen negativ ins Kontor." (dpa)
Mit "Zusammenarbeit" könnte also auch gemeint sein, eine Ausrichtung des Hotels zu forcieren, die beiden Seiten gefällt. Wie berichtet, stieß das Konzept des damals einzigen bestehenden Hotels der Anter Group in Neu-Ulm auf wenig Gegenliebe. Das Dortmunder Stays durfte ein Grüppchen aus Neu-Ulm besichtigen. Und sah viel Erotik: Zimmer, die sich auch stundenweise mieten lassen, sind mit Pole-Dance-Stangen und goldenen Whirlpools ausgestattet. Die "Wellness-de-luxe-Suite" namens "Shades of Stay” nimmt nicht nur dem Namen nach Anleihen an den Sadomaso-Erotikfilm "Fifty Shades of Grey". Ketten am Bett lassen Raum für Fesselspiele.
Die Anter Group gibt sich Presseanfragen gegenüber einsilbig. Klar ist, dass sich die Gruppe auf Expansionskurs befindet. Im Februar hat die Gruppe mit Hauptsitz in Düsseldorf laut Berichten in der Fachpresse eine Mehrheitsbeteiligung an drei Hotels in Bochum und Gelsenkirchen erworben. Damit steigt die Gesamtkapazität der Gruppe auf über 700 Betten. Anter nennt sich inzwischen "größter lokaler Hotelbetreiber im Ruhrgebiet". Neu erworben wurden das Renaissance-Hotel am Ruhrkongress in Gegenüber Ruhr 24 erklärte das Unternehmen, dass es für eine auf erotische Erlebnisse fokussierte Zielgruppe "keinen Raum in unseren Hotels" gebe.
Ungeachtet dieser Hotelfragen bereitet Neu-Ulm den Neustart des Edwin-Scharff-Hauses vor. Das Kultur- und Tagungszentrum leidet nicht nur unter dem Wegfall der Gastronomie, sondern auch unter Corona. Viele Veranstaltungen wurden von den Veranstaltern in den Herbst hinein verschoben. Der Neustart beginnt nach derzeitigen Planungen am 10. September dieses Jahres mit dem Kabarettisten Heinrich Del Core. Ob die Pandemie das zulässt, ist freilich ungewiss. Die Planungen laufen bei der Stadt Neu-Ulm dennoch. "Aber eben mit Verweis auf externe Möglichkeiten der Übernachtung sowie auch externe Catering-Anbieter."
Tourismus in Ulm und Neu-Ulm: UNT-Chef fürchtet um den Standort Neu-Ulm
Wolfgang Dieterich, der Geschäftsführer der Ulm/Neu-Ulm Touristik GmbH (UNT), einer gemeinsamen Vermarktungsgesellschaft der Städte Ulm und Neu-Ulm für die Bereiche Tourismus und Tagungswesen, sieht hier eine für Neu-Ulm gefährliche Entwicklung. Der Standort sei hervorragend und bewährt: "Diese Lage an der Donau haben nicht viele Orte in Ulm zu bieten." Nun fehle dieses 240-Betten-Pendant zum Ulmer Maritim. Kongresse und Veranstaltungen, die viele Jahre in Neu-Ulm eine Heimat hatten - von den Betontagen bis zu Combat Medical Care Conference -, wären unter den derzeitigen Bedingungen schwieriger in Neu-Ulm zu halten.
Wie Dieterich sagt, ist das Mövenpick und später das Golden Tulip in vielfältiger Hinsicht ein "Leuchtturmbetrieb" gewesen. " Auch was die Ausbildung angehe. Viele Gastronomen aus der Region hätten hier gelernt. Gerade der Nachwuchs sei ein Problem in einer schwierigen Branche, die durch den zaghaften Neustart nach dem Lockdown mehr denn je unter Fachkräftemangel leide. Auch das dürfte den noch undatierten Neustart des Ex-Mövenpick erschweren.
Für Unverständnis sorgte in der Branche, wie die Anter Group im vergangenen Jahr ein eingespieltes 50-köpfiges Team auf die Straße setzte. Wie berichtet, hatte die in Düsseldorf ansässige Gruppe ein lukratives Kaufangebot eines bekannten Ulmer Gastronomen auf dem Tisch liegen.