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Neu-Ulm: Der Gründervater der Stadt verhandelte mit Napoleon

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Der Gründervater der Stadt verhandelte mit Napoleon

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    Der bisher kaum bekannte Carl-Ernst-von-Gravenreuth-Platz liegt an der Einmündung der Wilhelm- in die Maximilianstraße. Er soll die Erinnerung an Neu-Ulms Gründer wachhalten.
    Der bisher kaum bekannte Carl-Ernst-von-Gravenreuth-Platz liegt an der Einmündung der Wilhelm- in die Maximilianstraße. Er soll die Erinnerung an Neu-Ulms Gründer wachhalten. Foto: Gerrit-R. Ranft

    Zwischen April und September 2019 feiert Neu-Ulm sein Jubiläum „150 Jahre Stadterhebung“. Die Neu-Ulmer Zeitung, die heuer 70 wird, tut in diesen Monaten ein paar Blicke in die Vergangenheit der Kommune, in ihre Gegenwart und – so weit möglich – in die Zukunft. Heute: Carl Ernst von Gravenreuth.

    Vor fünf Jahren hat die Stadt den Carl-Ernst-von-Gravenreuth-Platz an der Einmündung der Wilhelm- in die Maximilianstraße angelegt. Der mit bunten Pflanzenrabatten und einer Basaltbüste des Namengebers besetzte verkehrsberuhigte Raum soll die Erinnerung an den Gründer der Stadt im Jahr 1811 wachhalten. Doch kaum ein Neu-Ulmer kennt den Platz. Auch Google-Earth weiß nichts von ihm. Dort wird auf München, Fürstenfeldbruck und Affing verwiesen.

    Als „k. b. wirklichen Geheimrath, Generalkommissär und Bevollmächtigten zur Vollstreckung des Pariser Staatsvertrages vom 18. Mai 1810 von Gravenreuth“ führt ihn Georg Buck in seiner 1910 herausgegebenen ersten Neu-Ulmer Chronik. Mit Erlaubnis des bayerischen Königs Maximilian I. Joseph vom 7. April 1811 hatte von Gravenreuth als Gründungstag der neuen Gemeinde „Ulm auf dem rechten Donauufer“ den 22. April 1811 bestimmt. Lange genug hatte er zuvor seinem Dienstherrn in den Ohren gelegen. Anfangs ging es ihm nur um einen Polizeiposten, der auf dem südlichen Donauufer geschaffen werden müsse. Denn der „kleine Grenzverkehr“ zwischen Ulm und seinen einstigen Besitzungen auf dem anderen, nun bayerischen Donauufer, und folglich auch zwischen den souveränen Königreichen Bayern und Württemberg, ging munter hin und her mit dem Nachteil, dass eine bayerische Polizeiaufsicht nicht vorhanden war.

    So wurde Carl Ernst von Gravenreuth Gründervater von Neu-Ulm

    Doch von Gravenreuth erkannte auch die günstigen Bedingungen der bestehenden Donaubrücke und regte deshalb beim König zusätzlich die Gründung der neuen Gemeinde gegenüber Ulm an. Der König gewährte erst mal den Polizeiposten, wies das Ansinnen einer Stadtgründung jedoch ab. Von Gravenreuth gab nicht Ruhe, so dass Max I. Joseph schließlich einwilligte und seinen Bevollmächtigten mit der Gründung der von ihm so sehr gewünschten Gemeinde beauftragte. Auf diese Weise wurde von Gravenreuth, wie es unter seiner Büste an dem nach ihm benannten Platz heute heißt, zum „Gründervater der Stadt Neu-Ulm“.

    Der Stadtgründer, der einem der ältesten Oberpfälzer Rittergeschlechter mit Stammsitz in Wunsiedel angehörte, wurde im März 1771 im lothringischen Stenay geboren. Sein Vater Freiherr Friedrich von Gravenreuth, verheiratet mit Marie Catherine Victoire de la Roue, stand als General in französischen Diensten. Schon mit drei Jahren kam der Knabe Carl an den Hof des Herzogs von Zweibrücken, wo er Spielkamerad des Erbprinzen Carl August Friedrich wurde. Nach dessen frühem Tod im Jahr 1784 behielt die Herzogin den Knaben Carl als ihren Pagen. So war er „glänzend bei Hofe eingeführt“, stellt Frank Raberg in seinem 2010 erschienenen Biografischen Lexikon für Ulm und Neu-Ulm fest, „und wurde später einer der engsten Weggefährten des Kurfürsten bzw. Königs von Bayern, Max I. Joseph“.

    Nach dem Abschluss des Jurastudiums in Göttingen hatte Max Joseph von Pfalz-Zweibrücken-Birkenfeld, der 1799 Kurfürst von Bayern geworden war, von Gravenreuth als „Geheimen Rat und Referendär“ ins Münchner Außenministerium geholt. „Mit der Ernennung zum ersten Staatsrat im Jahr 1800 war er mit nur 29 Jahren endgültig an die Spitze der hohen Politik vorgedrungen“, schreibt Johannes Moosdiele-Hitzler 2017 in seiner kurz gehaltenen Gravenreuth-Biografie.

    Napoleon wunderte sich über von Gravenreuth

    Laut Frank Raberg galt von Gravenreuth „als hervorragender Diplomat, sicher und gewandt auf dem glatten Parkett internationaler Verhandlungen in Zeiten fast ununterbrochener Kriege“. Sein Kurfürst entsandte ihn wiederholt zu Verhandlungen mit Napoleon. Es war von Gravenreuths Verdienst, dass Bayerisch-Schwaben samt Augsburg und Lindau 1805 an Bayern fiel und nicht, wie es Napoleons Minister Talleyrand angestrebt hatte, an Württemberg. Napoleon wunderte sich schließlich selbst über von Gravenreuth. „Dieser kleine Kerl hat mir die Stirn geboten“, sagte er sogar später.

    Wegen eines 1807 gescheiterten Putschversuchs gegen Bayerns Außenminister Montgelas fiel von Gravenreuth vorübergehend in Ungnade. Er wurde in die schwäbische Provinz geschickt, um als sogenannter Generalkommissär von Schwaben von der Landesdirektion Ulm aus die neuartige Verwaltungseinheit des Oberdonaukreises aufzubauen. Aus ihr wurde später nach einigen Korrekturen der heutige Regierungsbezirk Schwaben mit Sitz in Augsburg.

    Im Jahr 1810 ernannte ihn König Maximilian zusätzlich zum „Bevollmächtigten zur Vollziehung des Pariser Staatsvertrags“. Damit kam von Gravenreuths Stunde, sich um die Gründung der Gemeinde „Ulm auf dem rechten Donauufer“ zu kümmern, die schließlich Neu-Ulm wurde.

    Begraben ist von Gravenreuth in Affing

    Trotz seiner kleinen Fehde mit dem König hielt Max I. von Gravenreuth als „meinen obersten Diener, den ich nicht entbehren kann“, im Auge und ernannte ihn 1817 wegen seiner besonderen Verdienste als Verwaltungsfachmann zum Staatsrat, erhob ihn 1825 in den Grafenstand und verlieh ihm das Großkreuz des Königlich Bayerischen Civil-Verdienstordens. Gravenreuth wurde der erste Ehrenbürger Augsburgs, wo er als Generalkommissär die Funktion des heutigen Regierungspräsidenten ausgeübt hatte.

    Im Alter von erst 55 Jahren ist von Gravenreuth 1826 in Augsburg gestorben. Er wurde in der Affinger Friedhofskapelle, der Familiengruft der Freiherren von Gravenreuth, beigesetzt.

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