Die Öffnungszeiten an der Autowerkstatt in Leibi sind fast schon etwas versteckt: "Montag bis Donnerstag, 7.30 bis 13 Uhr und 14 bis 17 Uhr", heißt es auf einem kleinen weißen Schild, das in einem größeren Fenster steht. Seit August wird bei den Christs im Nersinger Ortsteil freitags nicht mehr gearbeitet. Hier gilt jetzt die Vier-Tage-Woche. Worüber in der Bundesrepublik zuletzt viel diskutiert wurde, wird in der Elchinger Straße umgesetzt. In der Kfz-Branche ist das deutschlandweit aktuell wohl einzigartig.
"Das ist schon eine schöne Sache", sagt Thomas Wiedemann. Seit Mitte August arbeitet der 23-Jährige aus Senden als Kfz-Mechatroniker in der Werkstatt der Christs. "Das macht Spaß und motiviert", sagt er zur Vier-Tage-Woche. Auch wenn er sich im Freundeskreis durchaus schon etwas anhören durfte, wie er mit einem verschmitzten Lächeln erzählt: "Man macht sich nicht beliebt, wenn man bei Treffen am Donnerstagabend schon ein schönes Wochenende wünscht. Aber man gönnt es einem."
Aus 38 wurden 34 Stunden: Wie sich die Vier-Tage-Woche auf die Arbeit auswirkt
Sein Mechatroniker-Kollege Daniel Walter schraubt bei den Christs schon etwas länger an Autos herum. 2017 hat er in dem Familienbetrieb seine Ausbildung gemacht. Als auf die verkürzte Arbeitswoche umgestellt wurde, wäre bei ihm eigentlich eine Gehaltserhöhung angestanden. Die aber wurde mit der Einführung der Vier-Tage-Woche durch den freien Tag ersetzt. Statt bis dato 38 Stunden die Woche, sind es jetzt 34 Stunden bei gleichgebliebenem Lohn. Das macht 8,5 Stunden am Tag. "Die Zeit war mir wichtiger", sagt Walter. Durch den freien Freitag sei das Wochenende mitunter erholsamer.
"Innovativer", "digitaler" und damit auch "attraktiver" wollte Junior-Chef Dennis Christ den vor 28 Jahren von seinem Vater Ralf gegründeten Betrieb machen. Auch, um "junge, motivierte und gute Leute" rekrutieren zu können, die "Bock auf den Beruf" haben. In Gesprächen mit potenziellem Neu-Personal habe er festgestellt, dass Geld nicht immer das ausschlagende Argument ist. Sein Vater habe es nicht mehr arg weit in die Rente, mache jetzt schon weniger. Schon bald dürften daher neue Kräfte benötigt werden.
Vier-Tage-Woche: Arbeitsabläufe wurden in der Christ-Autowerkstatt umgestellt
Mit Mutter Gabriele, Vater Ralf und Sohn Dennis Christ arbeiten drei Familienmitglieder im Unternehmen, drei weitere Beschäftigte kommen von außerhalb. Seit dem Frühjahr seien die Vorbereitungen für die Vier-Tage-Woche gelaufen. Arbeitsabläufe hätten umgestellt werden müssen. So zum Beispiel, dass Reparaturen, die mehrere Tage dauern, nicht erst am Donnerstag begonnen werden, sondern gleich am Wochenanfang. Abschlussarbeiten an Fahrzeugen, die bis dato meist freitags "noch schnell fertig gemacht" wurden, müssen am Donnerstag erfolgen.
Was auch den Junior-Chef überrascht: Das Pensum sei das gleiche geblieben. Auch die Rückmeldungen der Kundschaft seien durchweg positiv. "Die finden das cool", sagt Christ. Allerdings hätten sie auch keine Lauf- sondern ausschließlich Stammkundschaft. Sollte ein Auto doch mal am Wochenende kaputtgehen, stünden im Hof Ersatzfahrzeuge bereit. "Viele haben aber ohnehin einen Zweitwagen." Ein bisschen Kunden-Erziehung steckt wohl auch dahinter. Die Werkstatt hat sich auf drei Automarken (VW, BMW Mini und Mercedes) spezialisiert. Wer weiterhin seinen Wagen bei Christs repariert bekommen will, dem wird empfohlen, sich ein Fahrzeug dieser Hersteller zuzulegen.
Und was macht man an einem freien Freitag? "Ausschlafen" oder "private Dinge", sagen Walter und Wiedemann. Junior-Chef Dennis Christ kümmert sich mitunter um ein anderes, eigenes Unternehmen: "DC Connected". Zusammen mit anderen Entwickler hat der 28-Jährige eine Software auf den Markt gebracht, die es möglich macht, markenunabhängig den "Gesundheitszustand" von Fahrzeugen aus der Ferne zu analysieren. Das erspare Zeit. 2021 wurde er dafür mit dem Digital Automotive Award ausgezeichnet.
Wie Kreishandwerksmeister Stoll über die Vier-Tage-Woche denkt
Doch nicht überall lässt sich die Vier-Tage-Woche so einfach umsetzen wie bei Christs, weiß Kreishandwerksmeister Michael Stoll mit seinem gleichnamigen Heizungstechnikbetrieb in Pfuhl. Ihm ist kein anderes Handwerksunternehmen im Landkreis Neu-Ulm bekannt, das das Arbeitszeitmodell bislang eingeführt hat. Jedoch kenne er einige, die es sich überlegen. So auch er in seiner Firma mit rund 40 Beschäftigten. Gewisse Stellschrauben müssten dafür aber noch gedreht werden. Unter anderem fehle es an den rechtlichen Voraussetzungen für tarifgebundene Betriebe. Und selbst dann, funktioniere es nur, wenn Arbeitgeber und -nehmer profitieren. Es müsse eine "Win-win-Situation" sein, sagt er. Für ihn wäre es zum Beispiel von Vorteil, wenn seine Monteure am Tag länger verfügbar sind und dann, wenn Menschen abends nach der Arbeit nach Hause kommen und merken, dass die Heizung ausgefallen ist, noch eingreifen können.
In der Kfz-Branche sind die Christs aktuell bundesweit wohl einzigartig. So behauptet es zumindest der Junior-Chef selbst. Zwar hätten zwei Unternehmen es ausprobiert, die Regelung aber wieder zurückgenommen. Der Pressestelle des Zentralverbandes Deutsches Kfz-Gewerbe sind auf Nachfrage keine anderen Betriebe bekannt. Auch die Kfz-Innung Schwaben muss passen: Daten dieser Art werden nicht erhoben.