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Nersingen: Geschichten aus der Geschichte: Auf der Spur der verschwundenen Siedlungen

Nersingen

Geschichten aus der Geschichte: Auf der Spur der verschwundenen Siedlungen

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    Die Karte von Josef Matzke zeigt am rechten Rand die Flur des Ortes Schadlug. Dieser ist eine von mehreren aufgegebenen Siedlungen.
    Die Karte von Josef Matzke zeigt am rechten Rand die Flur des Ortes Schadlug. Dieser ist eine von mehreren aufgegebenen Siedlungen. Foto: Ralph Manhalter (Repro)

    Die Urkunde des Papstes Honorius III. aus dem Jahr 1225 wirkt zunächst rätselhaft. Bei diesem Dokument handelt es sich um einen Schutzbrief für das Kloster Elchingen, in welchem diesen Besitzungen unter anderem in den Orten augea danubii (Donau-Au), Speche und Muggenweiler bestätigt wurden. Ein Blick auf die Landkarte genügt, um festzustellen, dass sich keiner der erwähnten Namen einer Siedlung in der näheren Umgebung zuordnen lässt. 

    Was Historiker Josef Matzke zu den verschwundenen Orten herausgefunden hat

    Nun stellte es keine Seltenheit dar, dass gerade im späten Mittelalter Siedlungen wieder aufgegeben wurden und die Bewohnerinnen und Bewohner wegzogen. Die Gründe hierfür waren vielseitig: Kriege, Hochwasser, schlechte Bodenerträge nötigten den dort lebenden Menschen oft einen plötzlichen Ortswechsel ab. Es ist vor allem dem Geistlichen und Lokalhistoriker Josef Matzke aus Kadeltshofen zu verdanken, dass die Forschung auf diesem Gebiet neue Erkenntnisse gewonnen hat. Matzke sah das Flurbild als Geschichtsquelle, wie auch ein bedeutender Aufsatz von ihm überschrieben ist. 

    Alte Flurnamen und -formen können dem heutigen Zeitgenossen noch so manches Geheimnis über die einstige Nutzung verraten. Mit der Verbreitung der Dreifelderwirtschaft im Hochmittelalter etablierte sich die Aufteilung in ein Ober-, Mittel- und Unterfeld, welche wechselweise fruchttragend bebaut wurden. Hörte nun eine Siedlung auf zu existieren, verblieb jedoch die Flurbezeichnung. Dies gilt auch und gerade dann, wenn der abgegangene Ort in einer neuen Dorfgemeinschaft aufging. 

    Verschwundene Siedlungen: Die Familien zogen wohl in das Gebiet von Unterfahlheim

    Um zu unserem Eingangsmysterium zurückzukehren, sei Folgendes erläutert: Matzke vermutete, dass Donau-Au, wen wundert es, nahe dem Fluss zu finden war. Die Karte zeigt im betreffenden Bereich eine Ausstülpung der (Ober-)Fahlheimer Flur nach Norden. Möglicherweise wurden die einstigen Bewohnerinnen und Bewohner der Siedlung durch zunehmende Hochwasser und eine Veränderung des Flusslaufs zur Aufgabe ihrer Heimstätte gezwungen. Wohin zogen aber die wenigen Familien? 

    Am ehesten kommt hier das Gebiet des späteren Unterfahlheim in Betracht, damals östlich der schon bestehenden Siedlung Oberfahlheim gelegen und daher zunächst Oster-Fahlheim genannt. Hier scheint nach Matzke auch ein weiterer Ort aufgegangen zu sein, der zwar nicht in der Papsturkunde, stattdessen aber in einem Pfandbrief des Herzogs Leopold von Österreich zu finden ist: Schadlug an der Biber. Dort, wo heute die Bundesstraße zwischen

    Im 15. Jahrhundert verfügte Schadlug über eine Taferne, sicherlich mit einem Vorspannrecht zur Bewältigung des steilen Talaufstiegs versehen. Taferne und Recht dürften spätestens ab 1473 nach (Unter-)Fahlheim verlegt worden sein, da erwiesenermaßen an diesem Ort zuvor kein Wirtshaus vorhanden war. Beim in der Papsturkunde genannten Speche handelt es sich gemäß Matzke wahrscheinlich um die einstige Mühle des Klosters Elchingen, welche in den folgenden Jahren nach Oberfahlheim verlegt wurde. In alten Flurkarten ist noch die Bezeichnung Spöckweg eingetragen, der von Unterelchingen zu eben dieser Mühle geführt haben könnte. 

    Muggenweiler lag wohl am Westufer der Roth

    Es bleibt noch die Identifizierung von Muggenweiler oder muggen wilar, wie es im 13. Jahrhundert geschrieben wurde. Da der Ortsname in der Urkunde nach Speche und vor dem ebenfalls erwähnten Fahlheim genannt wird, kann davon ausgegangen werden, auch geografisch zwischen den beiden Siedlungen fündig zu werden. Alleine, was hier fehlt, ist eine unterstützende Flurbenennung. 

    So bleibt es bei diesem letzten aufgegebenen Ort sehr im Ungefähren: Matzke tendiert zu einer Lokalisierung am Westufer der Roth, knapp nördlich der heutigen Eisenbahnstrecke. Wir müssen uns dennoch stets vor Augen halten, dass es sich bei den in den vorhandenen Urkunden genannten Orten nur um einen kleinen Teil der einstigen, aufgegebenen Siedlungen handelt. Wo kein Dokument vorliegt und zudem die Flur schon längst von Bäumen überwachsen ist, herrscht im wahren Sinne des Wortes Schweigen im Walde.

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