Die Polizei hat am Freitagabend in der Bahnhofstraße in Neu-Ulm mit einem Großaufgebot eine ehemalige Rockerkneipe durchsucht. In den Räumlichkeiten fand das von Rechtsextremist Martin Sellner eigentlich für Ulm angekündigte „Geheimtreffen“ statt. Dort wollte der führende Kopf der Identitären Bewegung wohl ein Buch zum Thema „Remigration“ vorstellen. Ob die Veranstaltung schon von Anfang an in Neu-Ulm geplant war oder das von der Stadt Ulm angedrohte Auftrittsverbot ihn davon abhielt, in der baden-württembergischen Donaustadt aufzutreten, ist unklar.
Sellner war für die Polizei jedoch nicht anzutreffen. Die Behörden sind sich aber sicher, dass er vor Ort war. Woran sie das festmachen, blieb zunächst offen. Möglich ist, dass er über einen Hinterausgang oder schon vor Eintreffen der zahlreichen Einsatzkräfte abgehauen ist. Die etwa 20 bis 30 Besucherinnen und Besucher des Treffens stritten ab, ihn gesehen zu haben. Unter ihnen waren ältere wie jüngere Menschen. Überwiegend Männer, aber auch Frauen. Einer gab an, aus dem Kreis Heidenheim zu kommen. Eine Frau meinte, sie komme aus Ulm.
Anwesend war auch der Ulmer AfD-Stadtrat Nicolas Brickenstein. Er koordinierte offensichtlich die nach außen hin für 18 Uhr angesetzte Sellner-Veranstaltung und gab jenen Menschen Anweisungen, die die Gäste von einem Vortreffpunkt in der Nähe des Maritims nach Neu-Ulm lotsten. Brickenstein ließ die Menschen wie ein Pförtner zur mit Gitterstäben gesicherten Tür des Lokals namens „Underground“ herein und schlug Alarm, als die erste Streife vor Ort eintraf. Da war es circa 18.20 Uhr.
Keine Schankgenehmigung für Gaststätte: Polizei löst Sellner-Treffen in Neu-Ulm auf
Es dauerte eine gute Stunde, ehe etwa 20 bis 30 Beamte, ausgerüstet mit Helm und Schoner, das Gebäude betraten. Eine halbe Stunde später verließen die Gäste das Lokal. Als möglicher Referent zum bevorstehenden Vortrag „Remigration“ soll sich ein 25-Jähriger aus Chemnitz zu erkennen gegeben haben. Gegen zwei Personen wurde nach Polizeiangaben ein Platzverweis ausgesprochen. Offiziell wurde das Treffen vonseiten der Stadt Neu-Ulm wegen Gaststättenbetriebs ohne Schankgenehmigung und wegen eines fehlenden Fluchtwegs aufgelöst. Das Lokal könne für Veranstaltungen gemietet werden, es sei dort Alkohol getrunken worden, hieß es. Mieter war laut Polizei ein 60-jähriger Neu-Ulmer.
Der Rechtsextremist Sellner selbst äußerte sich, noch während der Polizeieinsatz lief, auf dem Kurznachrichtendienst X wohl aus einem Zug heraus mit hämischen Kommentaren zu dem Einsatz in Neu-Ulm. Wo genau Sellner zu dieser Zeit unterwegs war, ist nicht bekannt. Später postete er noch ein Video, das ihn in den Räumen der ehemaligen Rockerkneipe zeigt. Demnach soll er seinen geplanten Vortrag gehalten haben, der aufgenommen wurde. Auf anderen Videos ist zu sehen, wie Polizisten in voller Montur in die Kellerräume gelangen. Die anwesenden Personen klatschen und lachen zum Teil.
In der Neu-Ulmer Bahnhofstraße waren neben der Polizei auch Aktivisten aus dem linken Spektrum unterwegs, die gegen die Veranstaltung demonstrierten. Etwa 70 bis 80 Personen hatten sich zuvor auf dem Ulmer Bahnhofsvorplatz versammelt und zogen durch die Fußgängerzone auf den Marktplatz am Ulmer Rathaus.
Anwohner der Bahnhofsstraße verfolgten den größeren Polizeieinsatz vom Fenster oder der gegenüberliegenden Straßenseite aus. In der Gegend wohnen viele Menschen mit Migrationshintergrund. Den Österreicher Sellner kannte eine Bewohnerin bis dato nicht, sagt sie. Dass er sich nun in ihrer Nachbarschaft herumtreibt, findet die jüngere Frau „scheiße“.
Hätte die Polizei Sellner angetroffen, wäre ihm wohl ein Aufenthaltsverbot auch vonseiten der Stadt Neu-Ulm ausgesprochen worden. Dazu kam es aber nicht. Die Polizei packte gegen 20 Uhr zusammen und zog ab. Ein schlagstockähnlicher Gegenstand wurde sichergestellt sowie ein Revolver, der sich aber als Feuerzeug herausstellte.
OB Albsteiger äußert sich zum Polizeieinsatz wegen des Sellner-Auftritts in Neu-Ulm
„Als Rechtsstaat haben wir heute gezeigt, dass wir Rassismus in jeder Form ablehnen und nicht zulassen. Wir waren zusammen mit der Polizei in der gesamten Doppelstadt auf den möglichen Auftritt von Martin Sellner vorbereitet“, schrieb Neu-Ulms Oberbürgermeisterin Katrin Albsteiger (CSU) noch am späten Freitagabend auf Facebook und Instagram. Die Einsatzkräfte von Polizei und Stadtverwaltungen seien „konsequent, professionell und mit dem richtigen Gespür“ vorgegangen und hätten so „die illegale Veranstaltung“ beenden können. „Damit haben wir gezeigt: Ulm/Neu-Ulm ist ein unbequemer Ort für derartige Veranstaltungen und wird auch in Zukunft weiter der Spielverderber für die Verbreitung rassistischen Gedankenguts bleiben. Wir sind eine vielfältige, weltoffene und tolerante Stadt und werden diese Werte weiter offensiv gegen die Feinde der Demokratie vertreten“, so Albsteiger.
Der aus Babenhausen stammende AfD-Landratsabgeordnete Franz Schmid kritisiert den Polizeieinsatz hingegen scharf. Der Vorsitzende des AfD-Kreisverbandes Neu-Ulm fühle sich an den Geschichtsunterricht erinnert, wie er am Samstagabend schriftlich mitteilt. „In der sogenannten Vormärz-Zeit terrorisierten absolutistische Fürsten patriotisch-freiheitliche Bürger. Heute sind es keine demokratiefeindlichen Monarchen, sondern Machthaber der Kartellparteien, wie Katrin Albsteiger und ihre Antifa-Helfer, die friedliche Aktivisten unterdrücken“, so Schmid. Er wollte sein Recht als Abgeordneter nutzen und der Staatsregierung „unangenehme Fragen zu der Schande von Neu-Ulm“ stellen. So zum Beispiel: Wie oft in der Vergangenheit wurden Versammlungen durch vermummte Polizisten gesprengt, angeblich weil keine Schanklizenz vorlag und wie verhältnismäßig ist ein solches Vorgehen des Staates?
Mit Kanonen auf Spatzen schießen =:)
Manche dieser "Spatzen" tragen ganz üble "Viren" in sich, insofern...
So wird in Deutschland die Meinungsfreiheit mit Füßen getreten! Auch Rechte haben Grundrechte!
Was hat eine fehlende Schankgenehmigung und unzureichende Fluchtwege mit Meinungsfreiheit zu tun? Stellen Sie sich doch mal vor was bei einem Feuer für Schäden an der Immobilie entstehen kann. Menschlich zwar sicher verschmerzbar, aber wirtschaftlich tragisch!
Es geht nicht um die Schankgenehmigung oder Fluchtwege, sondern ums Prinzip. Es war nicht die Erste Veranstaltung die aufgelöst wurde. Und solange keine Straftaten begangen werden gibt es kein Recht eine solche Veranstaltung aufzulösen. Der demokratische Rechtstaat, muss auch kontroverse Meinungen aushalten.
Die Schweizer haben den Kerl beim Grenzübertritt kurzum festgesetzt. Bei uns ist man mit diesen Feinden der herrschenden Ordnung viel zu zimperlich. Aus der Geschichte wissen wir, dass sie es nach einer etwaigen Machtübernahme nicht sein würden.
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