Neu-Ulm Er redet wie ein Buch, wenn es um sein Leben geht, und könnte gewiss auch ein spannendes schreiben: Der Theatermacher, Autor und Schauspieler Heinz Koch und seine kongeniale Partnerin Claudia Riese feiern ihr gemeinsames 30-jähriges Bühnenjubiläum. Tausend Gründe, ein Resümee zu ziehen und eine einzigartige Erfolgsgeschichte zu erzählen.
„Kurz ist das Leben, lang ist die Kunst“, hat einst schon der griechische Arzt Hippokrates festgestellt und man hat den Eindruck, die beiden quirligen Theatermacher leben und arbeiten nach dieser gewiss lebensverlängernden Erkenntnis mit nicht nachlassender Freude. Ihr AuGuSTheater ist in der Region eine Qualitätsadresse, ein Epizentrum der Unterhaltung. Und manchmal hat man den Eindruck, dieses größte Privattheater in der Region ist so etwas wie ein Bollwerk gegen die televisionäre Verblödungsmaschinerie.
„Mach dir ein paar schöne Stunden und geh ins Theater“ könnte noch so eine Devise sein, die passt: Mit ihrem Programm treffen Heinz Koch und Claudia Riese immer den zeitgemäßen Nagel auf den Kopf, haben einen Riecher für aktuelle, freche und vorausschauende Themen, bei denen das Lachen nicht zu kurz kommt.
Ein solches Gespür dafür und die entsprechende Umsetzung kommt nicht von ungefähr und hat viel mit der Vita der beiden Künstler zu tun, die heute nicht nur auf der Bühne Partner sind.
Claudia Riese ist quasi durch die Hintertür ins Theaterleben eingetreten: Schon als Kind hat sie mit zwei ihrer drei Schwestern ihren Darstellungsdrang auf Familienfeiern ausgelebt, und so war es irgendwie logisch, dass sie irgendwann bei Theo Dentler im Westentaschentheater landete. Was heißt irgendwann: Mit zwölf startete sie ihr Theaterleben - und zwar ganz unten: Sie durfte erst mal das Klo putzen, stieg dann als Kartenkontrolleurin auf und schaute bei den Proben des unbändig temperamentvollen Theo Dentler genau hin: „Da habe ich viel gelernt“. Das bildhübsche Mädchen verliebte sich in einen der Söhne der Dentlerfamilie, heiratete mit siebzehn und hatte zwei Berufe: Schauspielerin und Mutter von drei Kindern, die heute 19, 29 und 31 Jahre alt sind. Nachdem Theo Dentler starb und ihre Ehe auseinanderging, wurde sie alleinerziehende Mutter. Spätestens hier kommt Heinz Koch ins Spiel. Die beiden hatten sich im Westentaschentheater kennengelernt, Ende der 70er, als er noch Jugendoffizier beim II. Korps war, mit Direktzugang zum Kommandierenden General von Ilsemann. Er hatte so etwas wie Narrenfreiheit und durfte 1979 im Westentaschentheater mit Theo Dentler das Thema „Verhindert die Bundeswehr den Frieden?“ performen. Aus der Diskussion wurde eine famose Reality-Show mit Unterhaltungswert, dass der Theo denken musste: So was bei der Bundeswehr, das gibt es nicht!
Seit der Schulzeit ein ewiger Theaterdrang
Aber „Menschen unterhalten“ war schon immer das Ding von Heinz Koch, der als Bub im Ruhrgebiet Puppentheater gespielt (Eintritt ein Pfennig), später ein Straßentheater in der Kruppschen Arbeitersiedlung gegründet, dann Schultheater und freies Kabarett gemacht hatte. Nach dem Abitur ging er zur Bundeswehr, studierte dann (Philosophie und Germanistik), verdiente als DJ seinen Lebensunterhalt, heiratete, schmiss das Studium und ging wieder zur Bundeswehr, wo er bis heute hätte bleiben können: Jeden Monat das sichere Gehalt in der Tasche, doch „no risk no fun“ ist auch so eine Devise, nach der Heinz Koch zu leben scheint, und er zog 1982 (inzwischen Vater zweier Kinder, die heute 30 und 32 Jahre alt sind) den Offizierkittel aus, um in eine Zeitungsredaktion einzutreten. Dort konnte er den ersten Onlineauftritt einer Tageszeitung organisieren und auf der Landesgartenschau seinen Arbeitgeber repräsentieren, wie es seine Art ist. Auch an diesem ereignisreichen Beschäftigungsort hätte er sein sicheres Auskommen mit guten Karriereaussichten gehabt, wenn nicht dieser ewige Theaterdrang in ihm gewesen wäre.
Mit Claudia Riese beendete auch Koch sein „Weste“-Engagement. Beide hatten inzwischen sämtliche Abschlüsse, die man für TV, Film und Bühne braucht, und trauten sich zu, zusammen ein Theater zu gründen, das AuGuSTheater. Das war am 1. April 1994. Zuerst musste man auf Wanderschaft gehen. Riese und Koch waren auf Paare „abonniert“; und wo immer sie auftraten, etwa im Podium des Ulmer Theaters, war ihnen der Applaus sicher. Als erste Produktion schrieben Claudia Riese und Heinz Koch gleich das Erfolgsstück ihres Lebens, und sie ärgern sich noch heute, dass sie diesen Titel nicht geschützt haben: „Liebe & andre Katastrofen“. Gab es doch später eine TV-Serie und einen Kino-Film mit diesem Titel. Der Publikumsrenner enthielt in den ersten Jahren auch eine auf zwei Personen eingedampfte Szene aus Shakespeares „Der Widerspenstigen Zähmung“, die später zugunsten aktuellerer Szenen wegfiel. Den richtigen Riecher hatten Riese & Koch auch mit einem „Loriot-Abend“. Den hatten sie so ziemlich als eines der ersten Theater auf dem Programmzettel. Heute ist Loriot einer der meistgespielten Autoren auf deutschsprachigen Bühnen. Nach den harten Wander- und Lehrjahren, die auch nach Berlin und Kiel führten, wurde der Traum der beiden endlich wahr: Ein eigenes Theater an einem festen Standort zu gründen. Der ehemalige Konzertsaal wurde frei und das AuGuSTheatermacher-Duo ging volles Risiko: Es übernahm das Haus und arbeitete zwei weitere Jahre (insgesamt fünf) gänzlich ohne Subventionen. Heute ist der Zuschuss noch immer weit von dem entfernt, was das frühere Theater Neu-Ulm von Freistaat, Landkreis und vor allem von der Stadt Neu-Ulm bekommen hatte (was die damaligen Macher allerdings nicht vor dem Scheitern bewahrte). Dennoch hat das AuGuSTheater seit Bestehen immer schwarze Zahlen geschrieben. Zum Können kam Glück: So hatte die Riese zur Eröffnung der ersten Spielzeit an der Silcherstraße Premiere mit dem Stück „Sex - aber mit Vergnügen!“ von Franca Rame und Dario Fo - drei Wochen, nachdem der italienische Theatermann zur Verwunderung der konservativen Literaturszene den Nobelpreis bekam.
Seit 30 Jahren sind Claudia Riese und Heinz Koch auf der Bühne ein Traumpaar. Und wie steht es privat zwischen den beiden? Im Lauf der Jahre ist aus dem Arbeits- ein Liebesverhältnis geworden. Es funkte bei einer Loriotaufführung im Maritim. „Da hat alles gepasst. Tolle Atmosphäre, tolles Büfett“. Sie sind unkonventionell befreundet, jeder hat seine eigene Wohnung. Und wenn man ihr Büro in der Friedensstraße besucht, hat man nicht das Gefühl, dass da zwei zwischen der Arbeit die Schmetterlinge im Bauch fliegen lassen: Da muss hart gemanagt werden: pausenlose Anrufe für Kartenreservierungen, Small Talk mit Schauspielerkollegen, die für die nächsten Stücke gebucht werden und E-Mail-Abrufe am laufenden Band. Da spürt man, dass zwei Profis am Werk sind, die mit sehr viel Energie die Erfolgsgeschichte weiter stricken wollen. Und das mit modernsten Kommunikationsmitteln. Der Web-Auftritt des AuGuS Theaters ist in der Szene legendär. „Wir sind da Trendsetter“, sagt Heinz Koch durchaus selbstbewusst. Letzte Frage: Wie ist dieser Name AuGuST zu erklären: mit dem dummen August oder ein Synonym für autonom oder…? Koch:“ Autonomes Goethe und Schiller-Theater“.
Doch Goethe und Schiller sind nicht die einzigen Schutzpatrone des Theaters gegen die geistige Verflachung, sondern es gesellen sich noch Leute wie Tabori, Tom Waits und Woody Allen hinzu. Sie garantieren allesamt den hohen Anspruch mit größtmöglichem Unterhaltungswert. Cindy aus Marzahn wird sich wohl nie ins AuGuSTheater verirren.