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Alt werden ist nichts für Feiglinge

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Alt werden ist nichts für Feiglinge

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    Blaustein Wolfgang Schukraft verwechselte eines Abends vor einer Vorstellung Deo mit Haarspray. Mit Haarspray unter den Achseln und Deo im Haar habe er sich gesagt: „Jetzt wird es Zeit, einen Abend über das Altern zu machen!“ Er habe – so teilt uns sein launiger Tagebucheintrag mit – nicht warten wollen, „bis ich eines Tages vor dem Spiegel stehe und zu mir sage: Ich weiß zwar nicht wer Du bist, aber ich wasche Dich trotzdem!“

    Dem Unvermeidlichen mit echtem Humor zu begegnen ist eine Kunst, die Schukraft in seinem Soloabend mit Biss und manch rabenschwarzem Moment getreu dem Sprichwort „Wer zuletzt lacht …“ wunderbar beherrscht. Aus der bunten Kabarettmischung, die Schukraft aus Otto Reuter-Couplets (Piano: Wolfgang Gentner) und Einträgen aus seinem Tagebuch mixt, blitzt neben humorsatten Momenten und manchem Schenkelklopfer auch das Nachdenkliche. „Alt werden ist nichts für Feiglinge – und auch die werden alt“ sagt ein Sprichwort. Und Schukraft stürzt sich lustvoll in die Abgründe, die das Altwerden in unserer Gegenwart bedeuten.

    Da malt er, gemütlich aufs Sofa drapiert, mit weicher Erzählerstimme eine gruslige Zukunft im Jahre 2025 aus, wenn „Kapitalismus und Kommunismus durch Senilismus“ abgelöst sind. Einzig die Windelindustrie werde noch Zuwachsraten haben und für Opa und Oma gebe es die Abwrackprämie – sodass der Enkel zuletzt stolz auf den Rasenmäher zeigen und sagen könne: „Das ist Opa!“ Es soll auch gar nicht alles „lustig“ sein, was an diesem Abend gesagt und gesungen wird.

    Ein Text von William Shakespeare malt den Lebenslauf als immerwährende Chance, sich lächerlich zu machen – und Schukraft setzt mit seinem Text „Ein bucklicht Männlein“ noch eins oben drauf: Der alte Mann, der an der Kasse „passend zahlen“ möchte und am Ende lachend den Geldbeutel hinstreckt „nehmen Sie raus was sie brauchen“ und für alles eine Lesebrille benötigt, die selbstverständlich nie dort ist, wo man sie glaubte – das sei er schon selber. Für diese lustvoll-augenzwinkernde Selbstdemontage erntete der Theaterei-Prinzipal auch munteren Szenenapplaus.

    Nicht minder gut kommen seine hie und da auch mal durch Eigendichtung ergänzten Reuter-Couplets an, selbstverständlich allesamt ans Thema angepasst: „Nehmen se’n Alten!“ empfahl der Berliner Kabarett-Star in den Hochzeiten des satirischen Couplets – und erstaunt bemerkt man, wie hervorragend diese über 80 Jahre alten Textzeilen in unsere beziehungsgestörte Epoche passen: „Nehmen se’n Alten, haben sie ihn sich erst aufgefrischt, ist er besser als wie nischt!“

    Das Lächeln weicht zwar nicht von den Lippen, doch eine nachdenkliche Stirnfalte ist gestattet: „Das jüngere Ich sieht dem alten Ich über die Schulter und findet es peinlich“. Der unfreiwilligen Komik rund um Altern und Tod lässt Schukraft freilich viel Raum und zitiert Traueranzeigen, deren gewünschte Dramatik ins Absurde kippt: „Ein Muttermund hat sich für immer geschlossen“ fand sich ebenso in einer Zeitung gedruckt wie „Konrad B, 98 Jahre, ist völlig unerwartet von uns gegangen“.

    Ganz folgerichtig entlässt Schukraft das Publikum mit dem Reuter-Couplet „Kinder, Kinder, macht mehr Kinder!“, das der Vergreisungsgesellschaft in gewohnt witzig-schwungvoller Manier ins Stammbuch dichtet: „Wünscht euch nichts Großes oder Feines, wünscht euch lieber etwas Kleines, denn bleibt die Ehe kinderlos, sind wir bald unsre Kinder los!“

    Wer sich beim Gelungenen „Heiter geht’s weiter“ (mit Walter Frei) gut aufgehoben fühlte, wird auch an „Wer zuletzt lacht …“ seine helle Freude haben. Besonders bissig wird Schukraft zwar nie. Doch die Melange aus schwarzem Humor, Selbstkarikatur und –ironie, Musik, Lesung und Improvisation stimmt. Jeder kann Lachen, der im „Abenteuer Alter“ mittendrin steckt.

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