Der Herbst kommt, Zeit für einen Wechsel im Kleiderschrank. Doch wohin mit den aussortierten Klamotten? Vereinzelt finden sich im Landkreis Neu-Ulm kleinere Container mit einer Klappe, wo Anziehsachen, Schuhe und andere Textilien „entsorgt“ werden können. Mancherorts sammeln aber auch Vereine und der Erlös bessert die Kassen auf und/oder wird gespendet. Zumindest bislang. Aktuell erlebt der Markt jedoch einen drastischen Preissturz. Wegen immer schlechter werdender Qualität droht womöglich sogar das Aus.
Schon seit 1994 sammelt in Pfuhl die Kolpingsfamilie neben Altpapier auch viermal im Jahr gut erhaltene Kleider ein. Auch am kommenden Samstag. Lange wurde mit der Aktion Hoffnung, einer Hilfsorganisation der Diözese Augsburg, zusammengearbeitet. Inzwischen läuft die Organisation über Kolping in Fulda, die mit der Textilfirma Glaeser in Ulm kooperiert. Zwischen zwei bis drei Tonnen kommen jedes Mal zusammen. Das Geld wird größtenteils gespendet, unter anderem an Kindergärten im Ort. Bei der Sammlung im Frühjahr hatte es noch 255 Euro für die Tonne gegeben, inzwischen seien es nur noch 50 Euro. Das sei natürlich nicht gut, sagt Helmuth Greeß von der Pfuhler Kolpingsfamilie. Aber immer noch besser als nichts. „Wir hoffen auf wieder bessere Zeiten“, sagt er.
Bei den Handballern des FC Strass klingt das schon etwas anders. Viermal im Jahr fahren acht bis zehn Sportler die Straßen im Nersinger Ortsteil ab und sammelt Altpapier ein. Bei den Sammlungen im Frühjahr und Herbst werden auch Kleider mitgenommen. Der Erlös aus den Sammlungen kommt unter anderem dem Spielbetrieb zugute, berichtet Birgit Wall, die Kassiererin in der Strasser Handballabteilung.
Handballer des FC Straß sammelt Altkleider: „Für 90 Euro mache ich das nicht mehr“
Im Frühjahr hätten die Strasser Handballer ebenfalls noch etwa 250 Euro für die Tonne Kleider von der Firma Glaeser bekommen. Wie viel es am kommenden Samstag geben wird, wisse sie noch nicht, sagte sie zu Beginn dieser Woche. Was ist, sollten sich die Preise wie in Pfuhl veränden? „Für vielleicht 90 Euro mache ich das nicht mehr“, sagt Wall. Der Aufwand zu hoch. Glaeser hole die Kleidungsstücke nicht ab. Die Sammlerinnen und Sammler seien etwa zwei bis drei Stunden damit beschäftigt, die Waren zu sortieren und mit einem Hänger in Richtung Blaustein zu fahren.
Glaeser in Ulm bekommt bis zu 100 Tonnen Altkleider im Jahr über karitative Sammlungen
Circa 20 bis 100 Tonnen Kleider im Jahr erhält die Firma Glaeser nach eigenen Angaben über karitative Sammlungen, etwa 30 Tonnen davon von Organisationen aus Ulm und dem Kreis Neu-Ulm. Die Altkleider werden überwiegend an Betriebe weitergeleitet, die die wiederverwendbare Ware nach Kategorien sortieren und auf Second-Hand-Märkten anbieten. Der Rest wird zu Putzlappen oder zu textilen Fasern verarbeitet. Die Lager aber seien voll, sowohl bei Lieferanten als auch bei Kunden, heißt es.
Konkrete Tonnenpreise werden nicht genannt, die seien tagesaktuell. Jedoch gebe es „starke Preisschwankungen“ und in den vergangenen Monaten einen „sehr starken Preisverfall“, der „sehr oft“ die Sammelkosten nicht deckt, weiß Martin Steck, Manager Business Development bei der Firma Glaeser. Er geht aber davon aus, dass sich die Preise wieder erholen.
„Wirtschaftliche und politische Unruhen und Unsicherheiten destabilisieren weltweit die Märkte“, sagt Steck zu den Gründen des Preisverfalls. Nicht nur der Krieg in der Ukraine spiele eine große Rolle. Russland, Ukraine und Weißrussland galten als größere Abnehmer von Second-Hand-Artikeln. Bürokratische Hürden und erhöhte Transportkosten kämen hinzu. Ein weiterer Aspekt sei die „Billigware“ von Textildiscountern. „Die Tendenz zu ,Fast Fashion‘ ist sehr bedenklich“, so Steck. Altkleiderbehälter werden zudem immer wieder als Müllbehälter missbraucht: Jener Müll muss dann „kostenintensiv“ entsorgt werden.
Wenn Altkleider immer mehr zu Müll werden, droht Aktion Hoffnung das Aus
Johannes Müller, Geschäftsführer der Aktion Hoffnung, bestätigt die „schwierige Situation“. Innerhalb von sechs bis acht Wochen sei der Preis nach unten gegangen. „Das belastet uns auch enorm“, sagt Müller und führt die Entwicklung ebenfalls auf „weltweiten Gründe“ zurück. Größere Partner hätten bereits Sammlungen abgesagt. Im Zuge der Corona-Pandemie sei Second-Hand-Ware stark nachgefragt worden. Das sei zwar immer noch so, jedoch werde weniger konsumiert. Hinzu kommt das „Qualitätsproblem“. „Ist das Produkt nur noch entsorgungsfähig, können wir damit nichts mehr anfangen“, erklärt Müller. Sollte sich die gesammelte Ware weiter in Richtung „Müll“ entwickeln, „wird es uns nicht mehr geben“.
Der Gesetzgeber scheint für diesen Fall vorgesorgt zu haben: Ab dem 1. Januar 2025 tritt eine sogenannte „Getrenntsammelpflicht“ für Kommunen in Kraft, erklärt Thomas Moritz, Werkleiter beim Abfallwirtschaftsbetrieb (AWB) des Landkreises Neu-Ulm. Auch Altkleider müssen dann getrennt gesammelt werden. Handlungsbedarf besteht laut Moritz aber nicht: Das aktuelle System mit Aktion Hoffnung und Co. funktioniere. Es gebe lediglich Überlegungen, ob in Orten, wo auf Wertstoffhöfen noch keine Container für Textilien stehen, derartige Behälter aufgestellt werden. Sollte jedoch der Markt kippen und niemand mehr sammeln, müsste die Kommune einspringen.
BRK Neu-Ulm erhält Pauschale von Firma Glaeser für Altkleidercontainer
Das Bayerische Rote Kreuz (BRK) hat im Kreis Neu-Ulm an elf Standorten Container aufgestellt. Auch diese Kleidungsstücke gehen an die Firma Glaeser. Wie der Neu-Ulmer BRK-Kreisgeschäftsführer Stefan Kast erklärt, wird zwischen BRK und Glaeser nicht nach gesammelten Tonnen abgerechnet. Das Ulmer Textilunternehmen zahle einmal im Jahr eine Pauschale - unabhängig davon, wie viel zusammenkommt. Im Gegenzug erhalte das BRK im Katastrophenfall Zugriff auf bei Glaeser eingelagerte Kleidungsstücke. So ging beispielsweise einmal eine Lieferung nach Armenien. Als Geflüchtete im Landkreis ankamen, sei keine Glaeser-Kleidung benötigt worden. Über private Spenden sei genug zusammengekommen, berichtet Kast. Zwar wisse er, dass der Altkleidermarkt „sehr unter Druck“ steht, an der Pauschale aber sei bislang nicht gerüttelt worden. Das BRK werde davon „nicht arm oder reicher“, die Kooperation unterstütze aber „unsere ideelle Arbeit“.
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