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Landkreis Neu-Ulm: "Existenzbedrohend": So steht es um die Hausbau-Branche im Kreis Neu-Ulm

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"Existenzbedrohend": So steht es um die Hausbau-Branche im Kreis Neu-Ulm

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    Die Firma Nägele Bau errichtet in Burlafingen aktuell zwei Mehrfamilienhäuser. Größere Bauprojekte wurden zuletzt aufgrund der aktuellen Situation nicht mehr angegangen.
    Die Firma Nägele Bau errichtet in Burlafingen aktuell zwei Mehrfamilienhäuser. Größere Bauprojekte wurden zuletzt aufgrund der aktuellen Situation nicht mehr angegangen. Foto: Alexander Kaya

    Die Bauzinsen sind so hoch wie seit Jahren nicht mehr. Laut Kreditexperten der Interhyp haben die Immobiliendarlehen im September die Vier-Prozent-Marke nach oben durchbrochen und sind auf ein Zwölf-Jahres-Hoch gestiegen. Hinzu kommt die hohe Inflation. Wie wirkt sich das auf Hausbau-Unternehmen im Kreis Neu-Ulm aus? Drohen Kurzarbeit, Entlassungen oder gar Insolvenzen? 

    Laut Florian Aicham, Obermeister der Bauinnung Neu-Ulm und Geschäftsführer von Nägele Bau in Burlafingen, merke man das durchaus. "Die Nachfrage ist enorm zurückgegangen", sagt er. Im Kreis

    Branche in der Krise? So wurde bei der Firma Nägele Bau in Burlafingen reagiert

    Seine Firma mit 23 Beschäftigten habe er schon im vergangenen Jahr auf die Lage ausgerichtet. So werde nun der eigene Bauhof saniert. Zudem habe man sich breiter aufgestellt, um die eigenen Leute länger an einem Bau zu beschäftigen: Verputzt wird nun selbst. Größere Projekte warten quasi auf Halde, erworbene Grundstücke liegen auf "Vorrat". Würde er die alle angehen, wäre er mindestens acht Jahre ausgelastet. Derzeit stelle man lediglich zwei Mehrfamilienhäuser mit 16 Einheiten in der Burlafinger Ortsmitte fertig. Anderthalb Jahre dauere das noch. Etwa die Hälfte sei verkauft. 

    Krisenstimmung kommt bei ihm nicht auf, fast das Gegenteil ist der Fall. Aus seiner Sicht kehrt wieder "Ruhe" ein am Markt. Dass vor zwei Jahren Wohnraum "an einem Tag vom Blatt weg" verkauft wurde, "war nicht normal". Durch den Auftragsrückgang stabilisiere sich zudem die Lage rund um die Baumaterialien. Lieferschwierigkeiten sind "weitestgehend weg", Preise "stagnieren". Er ist daher "nicht ganz undankbar" über die derzeitige Situation. Was die Zukunft bringt, sei schwierig vorherzusehen. Vieles hänge davon ab, was von der geplanten Wohnbauförderung der Regierung umgesetzt wird. "Da sind gute Ansätze dabei." Der Bedarf an Wohnraum sei weiter gegeben. 

    Bau-Gewerkschaft warnt vor Problemen bei Nachwuchsgewinnung

    Karl Bauer, Regionalleiter Bayern bei der Industriegewerkschaft Bauen, Agrar, Umwelt (IG BAU), sieht das ähnlich. Beim privaten Wohnungsbau ist der Einbruch teils "dramatisch". Jetzt aber gelte es: "Ruhe bewahren." Der Markt war "brutal überhitzt", vor Corona und Ukraine-Krieg hätten Bauwillige enorme Wartezeiten gehabt. Sollte nun von einer vermeintlichen Kündigungswelle die Rede sein, wirke sich das auf die Nachwuchsgewinnung aus. Und die sei im Handwerksgewerbe ohnehin schwierig. Insofern sei die Lage gar nicht mal so schlecht: "Die Menschen können wieder normal arbeiten und müssen nicht auch noch am Samstag auf die Baustelle." Betriebe aus dem Kreis Neu-Ulm, die Probleme haben, seien ihm nicht bekannt. Doch Unternehmen, die mit wenigen Beschäftigten ausschließlich wenige Einfamilienhäuser verwirklichen, könnten zu kämpfen haben.

    Fabian Rupp, Geschäftsführer vom gleichnamigen Unternehmen in Pfaffenhofen, baut zwar nicht nur Einfamilienhäuser. 40 Prozent mache das Segment aber doch aus. Hätten 2021 hier noch zehn Projekte verwirklicht werden können, seien es nun nur noch zwei. Ein Rückgang um 80 Prozent. Aus fünf bis acht Anfragen pro Woche wurde eine. "Die Lage ist nicht nur sehr angespannt, sondern bedrohlich für viele. Vor allem für kleinere Bauunternehmer", sagt er. Namen will er keine nennen, doch er wisse von Firmen aus der Region, die entweder schon Kurzarbeit anmelden mussten oder es zeitnah werden.

    Bauunternehmen Rupp aus Pfaffenhofen sieht Banken für die Krise mitverantwortlich

    Dabei könne keiner der Betriebe etwas dafür, sagt Rupp. Einzig die Zinspolitik sei schuld - und dass es keine Förderprogramme gebe. Für viele Familien sei der Traum vom Einfamilienhaus geplatzt - nicht nur mittel-, sondern auch langfristig. Mitverantwortlich dafür sieht Rupp die Banken und die "Angst", die durch sie gestreut werde. Bei Vorhaben im Wert von 700.000 Euro würde es nur noch Kredite mit einer Eigenbeteiligung von 40 Prozent geben. "Wer hat so viel auf der Kante?", fragt Rupp. Er könne das nicht nachvollziehen. Während er nach eigenen Angaben die "prekäre" Zeit für sich und seine 45 Beschäftigten überbrückt bekomme, kann das für kleinere Betriebe auch "existenzbedrohend" sein. Wer jetzt Personal ausstellen muss, bekomme davon später nur noch vielleicht 40 Prozent zurück. 

    Das weiß auch Lothar Wöhr. Für sein Bauunternehmen mit Sitz in Buch mit circa 20 Beschäftigten wird er daher die Möglichkeit der saisonalen und in der Branche gängigen Kurzarbeit in diesem Winter etwas großzügiger nutzen. Statt zuletzt vier könnten es bis zu 15 Wochen werden. Denn aktuell fehle es ihm an "vernünftigen" Aufträgen, wie den Bau eines Einfamilienhauses. Im Schnitt realisiert Wöhr im Jahr circa fünf bis sechs schlüsselfertige Gebäude, dazu vier bis fünf Rohbauten sowie alle zwei Jahre eine Wohnanlage mit zehn bis 20 Einheiten. Kleinere Reparaturarbeiten stünden fürs kommende Jahr zwar an, doch ansonsten "sind wir nahezu blank". Was ihn bislang nur bedingt störte, nun aber mögliche Neubauten hinauszögere: lang andauernde Genehmigungsverfahren von manchmal bis zu einem Jahr. "Wenn das nicht wäre, könnten wir im Frühjahr starten", so Wöhr. Existenzbedrohend aber sei die Lage für ihn nicht. "Wir haben gute Zeiten hinter uns."

    Weitere Bauunternehmen aus dem Kreis Neu-Ulm hatte unsere Redaktion angefragt, standen am Dienstag aber nicht zur Verfügung. Zum Teil, so gaben sie an, weil sie zeitlich nicht greifbar waren. Bauunternehmer Rupp aber vermutet, dass so mancher in der Branche nicht offen darüber sprechen wolle, wenn er keine Arbeit hat. Dabei müsse sich jener gar nicht vorwerfen lassen, etwas falsch gemacht zu haben. "Das ist unglücklich", so Rupp weiter und ergänzt: "Dafür sind Banken und die Politik verantwortlich." 

    Anmerkung der Redaktion: Das Bauunternehmen heißt "Wöhr" und nicht "Wörth", wie von uns zunächst geschrieben. Wir haben das nachträglich korrigiert und bitten diesen Fehler zu entschuldigen.

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