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Landkreis Neu-Ulm: Corona: Intensivstationen im Kreis Neu-Ulm arbeiten weiter am Limit

Landkreis Neu-Ulm

Corona: Intensivstationen im Kreis Neu-Ulm arbeiten weiter am Limit

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    Die Intensivstationen im Landkreis Neu-Ulm stehen seit Wochen unter Druck. Und die Covid-Patienten dort werden immer jünger.
    Die Intensivstationen im Landkreis Neu-Ulm stehen seit Wochen unter Druck. Und die Covid-Patienten dort werden immer jünger. Foto: Kay Nietfeld/dpa

    Der Druck auf die Kliniken im Landkreis Neu-Ulm lässt nicht nach. Derzeit stehen hier gerade mal zwei freie Intensivbetten zur Verfügung. Das entspricht etwa 11 Prozent der Kapazitäten, wie aus dem Intensivregister der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) hervorgeht. Es liefert einen tagesaktuellen Überblick darüber, wie viele Intensivbetten noch frei sind. Damit steht der Landkreis Neu-Ulm etwas schlechter da als die Nachbarkreise.

    Dr. Rupert Grashey ist der Leiter der Notfallklinik Memmingen. Als Koordinator für den Zweckverband Donau-Iller soll er in der Corona-Pandemie die Patientenströme in der Region steuern.
    Dr. Rupert Grashey ist der Leiter der Notfallklinik Memmingen. Als Koordinator für den Zweckverband Donau-Iller soll er in der Corona-Pandemie die Patientenströme in der Region steuern. Foto: Ralph Koch, Klinikum Memmingen

    Zum Vergleich: In Günzburg etwa war in der vergangenen Woche zeitweise kein einziges Bett auf den Intensivstationen mehr frei. Mittlerweile hat sich dort die Situation deutlich entspannt, ebenso im Alb-Donau-Kreis, wo mittlerweile wieder gut 43 Prozent der Intensivbetten nicht belegt sind. Im Kreis Neu-Ulm beträgt die Auslastung der Intensivstationen weiterhin zwischen 90 und 100 Prozent. Das geht schon seit Ostern so, sagt Edeltraud Braunwarth, Sprecherin der Kreisspitalstiftung Weißenhorn. Es gebe immer wieder Engpässe, doch das schwanke von Tag zu Tag: "Es ist schon sehr voll, aber im Großen und Ganzen geht es noch." Das Wort "dramatisch" möchte sie vermeiden, sie spricht lieber von "angespannt".

    Patienten auf den Intensivstationen werden immer jünger

    Die hohe Auslastung der Intensivstationen hat auch damit zu tun, dass die Patienten immer jünger geworden sind und mit schweren Krankheitsverläufen deutlich länger behandelt werden müssen. Das Phänomen sei in allen Kliniken in der Region zu beobachten, sagt Dr. Björn Tauchmann, beim Klinikum Krumbach zuständig für die Koordinierung mit den Nachbarkliniken.

    „In der ersten und zweiten Welle hatten wir sehr viele alte Menschen auf den Intensivstationen. Jetzt sind die Covid-Patienten deutlich jünger, zwischen 40 und 60 Jahren, und auch deutlich weniger mit Vorerkrankungen.“ Das bestätigt, wovor Wissenschaftler schon lange warnen: dass das Virus eben nicht nur für Alte und Kranke gefährlich ist.

    Personal auf Intensivstationen arbeitet am Anschlag

    Die hohe Auslastung geht vor allem am Klinikpersonal nicht spurlos vorbei, erklärt Dr. Rupert Grashey. Er ist Chefarzt der Notfallklinik am Klinikum Memmingen und derzeit Ärztlicher Leiter der Krankenhauskoordinierung für den Zweckverband Donau-Iller, zu dem die Kliniken in den Kreisen Günzburg, Neu-Ulm und Unterallgäu sowie Memmingen gehören. „Das Intensivpersonal arbeitet seit einem Jahr am Anschlag, weil zwischen den Wellen auch verschobene Operationen nachgeholt wurden. Das verlangt allen Beteiligten viel ab.“ Schon vor der Pandemie habe es hier Personalmangel gegeben, nun werde er offensichtlich, so Grashey. „Es nützen keine Betten, Räume und Geräte, wenn wir keine Pflegekräfte haben, die die Patienten dort behandeln können.“

    Um die Belastung möglichst gut zu verteilen, werden Intensiv-Patienten in weniger stark ausgelastete Krankenhäuser verlegt, etwa ins Unterallgäu, nach Memmingen, Günzburg, Ulm oder Augsburg. Manchmal sind die Wege noch weiter: Als sich die Lage im Kreis Günzburg zuletzt dramatisch zuspitzte, habe man sogar Übernahmeangebote bis aus der Oberpfalz bekommen, berichtet Grashey.

    Mediziner: Jetzt hilft nur noch impfen

    Mit Sorge blicken die Mediziner auf die kommenden Wochen. Was sie für die Kliniken bringen, ist unsicher. Derzeit steigt der Inzidenzwert im Landkreis Neu-Ulm an. Er lag am Montag bei knapp 208, das ist etwas mehr als am Sonntag. Hoffnung setzt Rupert Grashey in die Impfkampagne: „Das ist das Einzige, was die Welle aus meiner Sicht überhaupt noch einfangen kann. Man sieht die Spuren schon jetzt, die Hochbetagten spielen im Infektionsgeschehen keine große Rolle mehr.“ Doch bis dahin wütet das Virus weiter. Das Infektionsniveau sei noch immer viel zu hoch.

    Wandern jetzt die Pflegekräfte ab?

    Die Kliniken werden das mit Verzug zu spüren bekommen, prophezeit Grashey. Je nachdem, ob der Inzidenzwert steigt oder fällt, macht sich das zwei bis drei Wochen später in den Kliniken bemerkbar, erklärt Edeltraud Braunwarth. Der Druck dürfte weiter wachsen. Dadurch verschärft sich wiederum das Personalproblem – ein Teufelskreis. „Wir haben schon in den ersten beiden Wellen Kräfte verloren“, sagt der Krumbacher Björn Tauchmann. Sein Kollege Dr. Ulrich Kugelmann vom Günzburger Krankenhaus formuliert es so: „Wir werden einen Exodus erleben, wenn die Pandemie vorbei ist. Hier müssen dringend Verbesserungen gemacht werden.“ Neben warmen Worten und Klatschen vom Balkon brauche es auch konkrete Maßnahmen, fordert Grashey.

    Einstweilen heißt es aber: noch einmal Zähne zusammenbeißen. Für das Personal in den Kliniken und auch für die Bevölkerung. Darin sind sich die Mediziner einig. „Ich weiß, das geht allen an die Substanz“, sagt der Memminger Chefarzt. „Aber wenn die meisten sich noch ein letztes Mal einschränken, schaffen wir es. Wir sind auf dem letzten Stück. Das sollten wir nicht verspielen."

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