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Landkreis Neu-Ulm: Auch ein Pfarrer kann Gläubige verstehen, die nun aus der Kirche austreten

Landkreis Neu-Ulm

Auch ein Pfarrer kann Gläubige verstehen, die nun aus der Kirche austreten

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    Das Münchner Missbrauchsgutachten erschüttert Katholiken im Kreis Neu-Ulm.
    Das Münchner Missbrauchsgutachten erschüttert Katholiken im Kreis Neu-Ulm. Foto: Alexander Kaya (Archivbild)

    Die neuesten Erkenntnisse zu Missbrauchsfällen in der Kirche beschäftigen auch die Standesämter im Landkreis. In mehreren Städten hat die Zahl der Austritte zuletzt zugenommen. Und sogar vonseiten der Kirche gibt es Verständnis für solche Schritte. Worauf der Dekan und eine Pfarrgemeinderätin setzen und was ein Mann denkt, der wegen Missbrauchsfällen aus- und später wieder eingetreten ist.

    In Illertissen sind in diesem Jahr schon mehr als 30 Menschen aus der katholischen Kirche ausgetreten, 2021 war der monatliche Durchschnitt etwa halb so hoch. Viele führten die Vorfälle als Grund an, heißt es aus dem Standesamt. In Weißenhorn kommen nach Auskunft der Stadt derzeit am Tag sogar so viele Leute wegen eines Kirchenaustritts ins Standesamt wie sonst in einem Monat. In Vöhringen hat sich die Zahl von 2012 auf 2021 verdoppelt und auch aktuell sind die Terminanfragen dafür häufiger als zuletzt. In Senden gibt es mehr Terminbuchungen als im Vorjahr. Valide Zahlen habe man in diesem Zusammenhang aktuell jedoch nicht, schränkt ein Sprecher der Stadt ein. In Neu-Ulm will man die Entwicklung noch nicht kommentieren – weil derzeit anders als vor der Pandemie Terminvereinbarungen nötig seien, lasse sich ein Trend erst mit ein oder zwei Wochen Verzögerung ablesen. Grundsätzlich sei die Zahl der Austritte aber schon seit einigen Jahren hoch.

    Neu-Ulmer Stadtrat: Kirche soll Aufarbeitung an Staatsanwaltschaft abgeben

    Einer, der bleibt, ist Roland Prießnitz. Der Fraktionschef der Freien Wähler im Neu-Ulmer Stadtrat war nach dem Missbrauchsskandal der römisch-katholischen Kirche in Kalifornien zur Jahrtausendwende ausgetreten und später wieder eingetreten – mit einer schlichten Zeremonie in kleinem Kreis, wie er sich erinnert. "Ich gebe den Glauben nicht auf", sagt Prießnitz und meint das in doppeltem Sinn. Der christliche Glaube halte ihn in der Kirche. Und trotz gewaltiger Skepsis setze er darauf, dass die Entscheidungsträger in Rom und in den Bistümern endlich Konsequenzen ziehen. Prießnitz ist überzeugt, dass eine Aufgabe des Zölibats und die Anerkennung, dass auch Priester Beziehungen mit Frauen und Männern führen dürfen, ein entscheidender Schritt dabei wäre. Genauso wie das Bewusstsein dafür, dass es pädophile Menschen gibt und dass diese an einer Krankheit leiden.

    Die Erfahrung zeige aber, dass die Kirche intern nicht angemessen reagiere. Der Neu-Ulmer fordert, dass sich Staatsanwaltschaften und Gerichte mit den Vorfällen auseinandersetzen. Für ihn ist der Bezug zu den Gläubigen insgesamt verloren gegangen. Prießnitz erinnert an den Luxus-Bau des Limburger Bischofs Franz-Peter Tebartz-van Elst oder das Vordrängeln des Augsburger Bischofs Bertram Meier bei den Corona-Impfungen. Aber: "Was ich ganz schlimm finde, ist, wie mit den Opfern umgegangen wird", sagt Prießnitz über die Missbrauchsfälle.

    Der Stadtrat berichtet, was er im Ältestenrat der Stadt Neu-Ulm bereits vor den jüngsten Erkenntnissen angesprochen hat: Dass man darüber nachdenken müsse, überhaupt noch kirchliche Träger für Kindertagesstätten auszuwählen. Nicht aus Misstrauen gegenüber dem Personal dort. Aber das Bild, das viele Menschen von der Kirche haben, sei inzwischen unglaublich schlecht. So schlecht, dass der Stadtrat vermutet, dass viele von ihnen ihre Kinder dieser Institution nicht mehr anvertrauen wollen.

    Dekan Straub aus Vöhringen nennt Missbrauch leidvolles Thema

    Martin Straub, katholischer Pfarrer in Vöhringen und Dekan von Neu-Ulm, nennt Missbrauch ein leidvolles Thema. "Ich kann Gläubige, die einen Kirchenaustritt erwägen, verstehen, auch wenn ihrem persönlichen Glauben und der Kirche daraus kein Mehrwert erwächst", räumt er ein. Und weiter: "Wenn man meint, ohne Kirche ein besserer Christ sein zu können, sollte man es tun. Den Vorteil des Verbleibens in der Kirche sehe ich darin, Gottes Wort zu hören und für das persönliche Gebet eine wirksame Stütze zu haben."

    Das Münchner Gutachten beleuchte den Umgang mit den bereits bekannten Missbrauchsfällen durch jene, die Personalverantwortung hatten, so Straub. "Es wäre nun hilfreich, wenn die Verantwortlichen persönliche Konsequenzen ziehen würden und nicht die Schuld bei der Kirche abladen", fordert er.

    Pfarrgemeinderätin: In Pfarreien im Landkreis Neu-Ulm geschieht viel Gutes

    "Ich kann schon verstehen, was die Menschen dazu bewegt im Moment aus der Kirche auszutreten“, sagt auch Conny Funke, Pfarrgemeinderatsvorsitzende in Kellmünz. Sie würden damit die wohl einzige Möglichkeit nutzen, um ein Zeichen zu setzen und auf die Missbrauchsfälle und die Vertuschungen – sogar von ganz oben – zu reagieren. Leider werde man derzeit regelrecht mit unglaublich schlimmen Vorwürfen und Tatsachen über unsere Kirchenoberhäupter bombardiert, fügt sie hinzu.

    Andererseits sehe sie als Pfarrgemeinderatsvorsitzende aber auch, was in den örtlichen Pfarreien alles Gutes passiere. "Es gibt so viele Menschen, die sich in den Gremien einbringen und denen Zusammenhalt und Gemeinschaft im Glauben wichtig ist", so die Vorsitzende. Ergänzend meint sie: "Für unsere Geistlichen, die in den

    In diesen nicht einfachen Zeiten für die Kirche sei es nun aber gerade aktuell wieder schön, zu sehen, dass sich für die bevorstehende Pfarrgemeinderatswahl in den einzelnen Pfarreien wieder ganz viele Menschen als Kandidaten beziehungsweise Kandidatinnen aufstellen ließen. Und "die durch ihr Mitwirken in ihrer Pfarrei ein positives Zeichen für den Glauben und die Kirche setzen möchten".

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